Hmmm, jetzt muss ich doch kurz mich äußern...
Wegen mir kennt mdh so gut das Leben der Mediziner, er lebt ja quasi mit einer zusammen - wenn sie mal daheim sein sollte.
Ich sitze gerade an meinem Esstisch und habe den dritten Nachtdienst auf einer Intensivstation hinter mir und noch den letzten heute Abend vor mir, und finde daher diese Diskussion sehr interessant. Vor allem hinsichtlich Einsatz und den Willen für den Beruf.
Ich bin selber Chirurgin und momentan zwar nicht in der plastischen Chirurgie, aber hatte ursprünglich vor, eben das zu werden. Allerdings interessiert mich eher die post Unfall- und post Tumor-Rekonstruktion. Etwas lapidar ausgedrückt, zwei Brüste symmetrisch größer zu machen ist nicht die hohe Kunst. Eine Brust zu rekonstruieren, einen Schwerverbrannten wieder ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen, ohne dass er immer wie ein Aussätziger angeschaut wird oder gar Hände zu transplantieren, das ist auch Teil der plastischen Chirurgie.
Wenn ich früher immer gesagt habe, ich will plastische Chirurgin werden, hat man mich immer etwas seltsam angeschaut. Meist habe ich dann angefügt, "Nein, nicht nur Hintern und Brüste."
Es ist ein sehr sehr weites Fachgebiet, mit wenigen Standarts und die Individualität des Menschen spielt eine große Rolle.
Allerdings ist plastischer Chirurg ein langer Weg. Weil eben viele Leute Brüste und Hintern machen wollen, sind die Stellen in Deutschland und in der Schweiz für plastische Chirurgie recht begehrt. Zweitens gibt es meist auch nicht so viele Stellen. Daher können die meisten Chefärzte aus 20-100 Bewerbungen aussuchen.
Ohne den Common Trunk (2 Jahre Basischirurgie für alle chirurgischen Fächer siehe
http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.23.2784.2805.2813.2814) und ohne fertige Promotion stehen die Chancen nicht allzu gut für eine Stelle. Vor allen an den großen Häusern nicht - Unikliniken, Trauma- und Schwerbrandzentren - und dort werden die "interessanten Dinge" operiert.
Also sprich: für einen plastischen Chirurgen braucht man
1. 13 Semester Medizin
(davon 19 Monate Praktikum: Krankenpflege 3 Monate, Famulaturen 4 Monate, Praktisches Jahr 12 Monate - entweder PJ im Semester, Rest in den Semesterferien - alles unbezahlt)
Hinzu arbeitet man auch während des Semesters regulär viel im Krankenhaus, Vormittags Vorlesung, Nachmittags auf Station, etc. Und man ist kein Gast und nicht nur zum zuschauen da. Man hat einige Aufgaben.
2. mind. 6 Jahre Facharztausbildung, davon 2 Jahre Common Trunk
Aber: das ist nur die Zeit auf dem Papier. Bis dahin muss man ein gutes Kontingent an diversen OPs, durchgeführte Sonographien, etc. nachweisen. Der Katalog für Viszeralchirurgie zum Beispiel, mit dem kenne ich momentan besser aus, wurde 2004 etwas abgespeckt, dass er nun im Rahmen des möglichen in dieser Zeit ist - aber das setzt auch eine gute Klinik voraus, die einen auch früh operieren lässt.
An Unikliniken ist es eher die Regel, dass man die ersten Jahre den OP nicht mal von weiten sieht.
Siehe dazu:
http://www.blaek.de/weiterbildung/wbo_2010/download/WBO/B/M10FAPlastAesthetChirurgie.pdf
Ab "Inhaltliche Anforderungen" wird es interessant.
3. Falls man noch etwas dazu machen möchte, zum Beispiel Handchirurg zu werden, dann sind das nochmals zwei Jahre für die Zusatzbezeichnung.
Das alles ist die Minimalzeit, vorausgesetzt man bekommt seine OPs, wird nicht schwanger etc. Für Frauen ist das manchmal noch etwas problematischer.
Ich hoffe, ich habe einen kleinen Einblick geben können.
Ob ich diesen Beruf nochmals machen würde, schwankt manchmal nach meiner Gemütsverfassung, das gebe ich zu. Ich denke zu 90% doch, aber ich muss sagen, ich wusste nicht, worauf ich mich einlasse.
Der Beruf des Mediziners verändert einen Menschen, physisch und auch psychisch. Letztendlich ist es ein sehr schöner Beruf und etwas, was einem auch sehr viel Kraft und Erfüllung geben kann.
Aber es ist auch ein großteil Berufung und nicht nur Beruf.
Daher meine Bitte, wenn du Arzt werden willst, überlege es dir gut. Du wirst es nicht bereuen, aber es erfordert manchmal mehr einem als man bereit ist zu geben.
Und auch im Sinne von womöglichen Kollegen: wir brauchen niemanden, der diesen Beruf halbherzig macht. Ein guter Oberarzt sagte mal, zwischen drei und fünf Uhr morgends kann man keine Empathie mehr heucheln - entweder man hat sie oder man hat sie nicht.
Ansonsten, noch viel Erfolg!
Schau dir mal ein Krankenhaus an, eine Praxis ist manchmal wenig repräsentativ, da du erstmals einige Jahre dich dort aufhalten wirst.