Weihnachtsessen overdressed

Jedenfalls darf es nicht verwundern, wenn die Leute in der gleichen Kleidung zur Weihnachtsfeier kommen, mit der sie auch zum Einkaufen gehen würden. Wieso auch nicht? Wo steht geschrieben, dass man das nicht tut? Wo sind die verbindlichen Vorbilder, die der Allgemeinheit vorleben, was richtig und was falsch ist? Gibt es sie überhaupt heute noch?
Ich glaube, das ist nicht wirklich das Problem. Es sind allgemein die tradierten Regeln, wie man sich so zu verhalten hat, dass man seinem Umfeld minimalen Respekt und Höflichkeit entgegenbringt, die unter die Räder gekommen sind. Es ist heute den Leuten schlicht egal, ob sie mit dem, was sie tun, sagen oder als Kleidung tragen, irgendwem auf den Geist gehen könnten. Im Gegenteil ist bis zum gewissen Grad die entgegengesetzte Provokation in gewissen Schichten gesellschaftlich akzeptabel geworden. Dass die Leute dann im Zweifel den Adidas-Trainingsanzug für geeignete Festbekleidung halten, ist nur ein Teil dieses größeren Bildes. Ist doch bequem, wen kümmern die anderen? Der kleinste gemeinsame Nenner regiert.

Von daher ist für mich auch die ganze "Hach, bin ich jetzt etwa overdressed?"-Diskussion einigermaßen sinnfrei. Ich schließe mich dem allgemeinen Kanon an und trage, was ich will, nach meinen Ansprüchen. Ich habe noch in keinem Kontext erlebt, dass mir das irgendwie negativ ausgelegt wurde. Und wenn einer meint, er müsse mich aufdringlich fragen, warum ich besser aussehe als er, hat er sich schon dadurch disqualifiziert. Das Leben kann einfach sein.
 
Warum sollte man? Erlaubt ist, worin man sich wohl fühlt. Im übrigen: viele Lehrer sind gebildetete Menschen. a) sind Lehrer nicht gerade für gute Kleidung bekannt, b) sind viele Lehrer nicht mal in der Lage einen pädagogischen Auftrag zu erfüllen. Trotzdem sind sie Lehrer und würden freiwillig auch nicht Zoowärter werden, selbst wenn sie dafür besser geeignet wären.

Eben, genau weil man bei Lehrern von einem gewissen Bildungsstand ausgehen kann.


Das ist Ihre Meinung, geehrter Mitforist. In anderen Foren würden die Foristen z.B. der Meinung sein, dass Grundkenntnisse über klassische Musik, Jazz oder auch meinetwegen klassische Literatur, bestimmte Sportarten, Pferde, Autorennen, ... zum Elementarwissen gehören. Kleidung kann da wiederum als gar nicht wichtig eingestuft werden.

Natürlich gibt es andere Themen, ein Grundwissen über die Kultur gehört bestimmt dazu. Es geht ja nicht darum, auf jedem Gebiet Spezialist zu werden.

Einverstanden. Allerdings ist nicht jeder Menschen gleich für Ästhetik empfänglich, d.h. es gibt keine einheitliche Sicht, was ästhetisch ist und was nicht. Ist auch kulturell unterschiedlich

Die Diskussion bezieht sich wohl vornehmlich auf die Kultur des Abendlandes. Zudem gibt es durchaus Untersuchungen zu Ästhetik, die zeigen, dass nicht einfach alles beliebig ist. Selbst wenn der Begriff philosophisch kaum fassbar ist.

Das kann man diskutieren: ist ästhetisches Essen, was nicht schmeckt, als "wertvoller" einzustufen als gut schmeckendes Essen, was aber nicht ästhetisch wirkt? Und anders gefragt: warum setzende sich so viele Menschen in eine laute, mit Neonröhren ausgeleuchtete Plastikumgebung und schieben sich in keinem Preis-Leistungs-Verhältnis stehende Fleischklöpse in den Mund und bezeichnen das noch als Abendessen? Und das auch noch in Gegenden, wo es definitiv gute Küche gibt, die nicht teuer ist? Und ich wette, dass auch der eine oder andere Teilnehmer hier aus dem Forum regelmäßig bei den Burgerbratern anzutreffen ist.

Ja und für den Burger bezahle ich entsprechend der Leistung, nämlich deutlich weniger als in einem feinen Restaurant.

Apple halte ich für ein schlechtes Beispiel, da es mittlerweile sehr stark als "Lifestyle-Marke" gilt und daher auch von Leuten gekauft wird, mit denen man nicht Ästhetik diskutieren braucht.

Ich würde sagen, sowohl als auch.

Ich denke, dass es einfach zu viele Themen gibt, mit denen man sich beschäftigen kann und sollte. Das überfordert die meisten Menschen intellektuell, finanziell und auch zeitmäßig. Hier im Forum hat sich eine Gruppe zusammengefunden, denen Kleidung sehr wichtig ist. Ich wette aber, dass nicht alle Teilnehmer in anderen Foren anzutreffen sind, die von anderen als essentiell für ein "gutes Leben" eingestuft werden.

Ich habe nie über ein gutes Leben gesprochen. Für ein solches und da gebe ich Ihnen recht, sind andere Dinge entscheidender. Mir geht es darum, dass ich den Bildungskanon nicht ausschliesslich beliebig finde. Zumindest für Leute mit höherer Bildung.

Viele Menschen arbeiten nun mal bei Arbeitgebern, die über einen Dresscode eine bestimmte Botschaft vermitteln wollen. Gerade im Finanzwesen gelten bestimmte tradierte Ansichten, was die Kleidung angeht. Nun bewerben sich aber auch dort Menschen, denen Dresscodes ziemlich egal sind bzw. deren ästhtisches Empfinden nicht auf genau der gleichen Wellenlänge ist, wie bei den Urhebern der Dresscodes. Bei Einstellungen ist nun mal die Kleidung nicht das ausschließlich Einstellungskriterium, zumal die Einstellungen ja nicht von Mitarbeitern des Stilmagazins gemacht werden, sondern von Personalern bzw. zukünftigen Chefs. Da haben wir also Sachbearbeiter und vielleicht mehr an Zahlen interessierten Personen, also Mitarbeitern, die eventuell selber wenig Stilempfinden haben. Ist doch klar, das Kleidung und ihre tiefergehenden Aspekte dann nur eine untergeordnete Rolle spielt (spielen kann), wenn sie soweit den Rahmenbedingungen genügt. Man sollte nicht den Fehler machen und eigenes Fachwissen über bestimmte Lebensaspekte als essentiell für alle einstufen.

Wiederum habe ich das Wort essentiell nicht in den Mund genommen. Wäre ich Arbeitgeber und gäbe einen Dresscode heraus, dann wäre mir einfach ein schönes Hemd zu Jeans lieber, als grauenhafte Anzugskombinationen.

Die Kleidung vieler grüner oder linker Politiker würde ich auch genau in diese Klasse eingruppieren.

Ja, heute trägt der Rebell Massanzüge. So ändern sich die Zeiten. :)
 
Ich glaube, das ist nicht wirklich das Problem. Es sind allgemein die tradierten Regeln, wie man sich so zu verhalten hat, dass man seinem Umfeld minimalen Respekt und Höflichkeit entgegenbringt, die unter die Räder gekommen sind. Es ist heute den Leuten schlicht egal, ob sie mit dem, was sie tun, sagen oder als Kleidung tragen, irgendwem auf den Geist gehen könnten. Im Gegenteil ist bis zum gewissen Grad die entgegengesetzte Provokation in gewissen Schichten gesellschaftlich akzeptabel geworden. Dass die Leute dann im Zweifel den Adidas-Trainingsanzug für geeignete Festbekleidung halten, ist nur ein Teil dieses größeren Bildes. Ist doch bequem, wen kümmern die anderen? Der kleinste gemeinsame Nenner regiert.
Natürlich sind Vorbilder prägent für die Menschen. Niemand kennt tradierte Regeln, wenn sie nicht vorgelebt werden, sie sind ohne Umsetzung nicht das gedruckte Papier wert. Nicht umsonst haben die Menschen die Stirn gerunzelt, wenn der eine Königssohn in England wieder aus der Rolle gefallen ist, da von ihm eine Vorbildfunktion erwartet wird. Es gibt zwar Bücher wie den Knigge, aber wer hat denn sowas ernsthaft im Regal stehen gehabt?
Die meisten Bürger wurden doch durch das geprägt, was ihnen vorgelebt wurde, durch Respektspersonen (Lehrer, Geistliche, Polizisten, Bürgermeister), den Adel vor Ort und später durch wohlhabende Bürger, die mehr und mehr den Adel abgelöst haben. Genau diese "Multiplikatoren" bestimmten Stils werden heute aber nicht mehr als solche wahrgenommen. Ich kann mich noch an meinen allerersten Lehrer Ende der 70er Jahre erinnern. Das war ein alter Knochen, der morgens erstmal die Federmappen auf Vollständigkeit und Betriebsbereitschaft überprüft hat, dann kam die Fingernägel- und Händekontrolle. Gerade als junges Bürschlein hat man ganz schön vor dem gezittert. Wir sind dann allerdings umgezogen und danach kam die übliche "wir verstehen uns doch alle super" Grundschule. Was mir als Kind natürlich besser gefiel. Aber dadurch fielen auch einige Regeln weg und gut angezogene Lehrer gab es dann definitiv nicht mehr. Es folgten dann aber diverse nette und teilweise seltsame Pädagogen, die definitiv nicht als Vorbilder taugten.
Und heute? Staatschefs, die offen über "Bunga Bunga" Parties reden; Geistliche, die mehr ein Problem mit ihrer Hand in der Hose haben als mit Gott; Musiker, die mehr durch ihre Drogenprobleme bekanntwerden als durch ihre Musik; Akademiker, die sich ihre Titel erschleichen - wo sind die Vorbilder, die den Menschen verdeutlichen, was man tut und was nicht?

Siehe dazu auch:
 
Da könnte was dran sein. Die Logik wäre dann ja ungefähr folgendermaßen: Sich schön zu machen, ist verdächtig, "irgendwie schwul". Dies wiederum ist unmännlich. Wer zum Club der "echten Männer" dazugehören will, sollte ergo unbedingt den Eindruck vermeiden, dass er sich Mühe mit seinem Outfit gegeben hat. Diese Grundeinstellung habe ich im Übrigen durchaus schon desöfteren auch hier in anderen Threads herausgelesen, wenn es um eher dandyeske Kleidungszusammenstellungen ging, denen man ansah, dass sich jemand doch eher viele Gedanken um seinen Auftritt gemacht hat.

das kann ich machen, wenn ich in keiner partnerschaft lebe oder beim männerwochenende. ansonsten gebietet es der anstand, dass man einen gewissen respekt gegenüber dem partner zeigt, finde ich.
 
.... wo driftet das hier alles hin? Es fällt mir schwer, dem Thread zu folgen.......
Ein Teil der Herren hat anscheinend (IMHO glücklicherweise) den Bedarf, etwas über feine Herrengarderobe und -düfte hinaus zu diskutieren. Da es ein entsprechend stilvolles Unterforum

Stil/Gentlemen/Benehmen/Mitmenschlichkeit/Knigge/Manieren/stilvolles Miteinander etc.


immer noch nicht gibt (wird ja auch von vielen anscheinend aus div. Gründen nicht vermißt), werden vielleicht ab und an passende Threads gekapert. ;)

Ich kann damit leben. Man könnte natürlich auch einfach ein neues Unterforum aufmachen.

'Stilmagazin. Online Magazin für Stil'. :D
Doch, dazu könnte das schon passen!
Nennt sich ja nicht einmal im Untertitel 'Magazin für Herrenkleidung'.

Unter Stil verstehen die meisten Menschen jedenfalls etwas mehr als die (offiziellen) Themen hier.

http://hatdasstil.blog.nzz.ch/
Ein Unterforum, wo man auch Stilfragen (leicht) in der Richtung des NZZ-Blogs diskutieren könnte, wäre schon sinnvoll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer zum Club der "echten Männer" dazugehören will, sollte ergo unbedingt den Eindruck vermeiden, dass er sich Mühe mit seinem Outfit gegeben hat.
das kann ich machen, wenn ich in keiner partnerschaft lebe oder beim männerwochenende. ansonsten gebietet es der anstand, dass man einen gewissen respekt gegenüber dem partner zeigt, finde ich.
Es gibt auch Frauen, die mögen "was richtig Männliches". Nicht umsonst ist der Goldkettentypus immer noch nicht ausgestorben. Aber das ist wohl eher nicht die Klientel, über die wir hier reden.
 
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