Virtual Bespoke by LEVITY

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Nicht offen für weitere Antworten.
Ein kleiner Rat von mir: solche privaten Angelegenheiten gehören nie nie niemals an (potenzielle) Kunden herangetragen. Es geht um ein Produkt im vierstelligen Preissegment, das auch unter widrigen Umständen entsprechend professionell vermarktet werden muss. Das wird nicht mehr über eine "Mitleidsschiene" verkauft.
Der Flyer schreckt in Gestaltung und Rechtschreibung definitiv ab, das Video dagegen ist schon recht fresh und ordentlich. Die Sache an sich ist interessant und wird ihre Liebhaber finden. Ich wünsche viel Erfolg!
 
Okay, weil das ja ausdrücklich gewünscht war, mal ein paar kurze Eindrücke meinerseits zur viel beschworenen Passform. Ich gehe mal von diesem Stück aus, denn das war das erste Foto hier zu eurem Projekt und zeigt einen Anzug ohne Bewegung. Was gefällt mir an dem nicht? Die Schultern wirken überschnitten und gepolstert wie aus einer anderen Zeit, der ganze Anzug wirkt wie ein Block, im Brustbereich weit, irgendwann doch noch ein bisschen Taillierung, gerade von hinten wirkt das unglücklich. Die Ärmelrotation scheint nicht richtig zu stimmen und vor allem: Die beiden Knöpfe sind viel zu nah beieinander! Ich vermute, ihr habt den Schließknopf nach unten versetzt und der zweite Knopf ist nicht mitgewandert? Das sieht wirklich grotesk aus. Die Hose fällt unruhig usw. usf.

Ich glaube sagen zu können, dass ich hier im Forum nicht für Polemik bekannt bin. Ich will euch euer Projekt auch wirklich nicht madig machen. Aber "Ich weiß zwar dass man um EUR 1.790,- unter Garantie keinen besseren Anzug im DACH-Raum bekommt, konnte es leider nicht kommunizieren" – sorry, um 1.790 EUR fallen mir eine ganze Menge Anbieter hochwertigster Maßkonfektion ein, wo was die Passform angeht sehr (!) akribisch gearbeitet wird (statt vieler zB: Max Mogg). Nicht zu vernachlässigen wäre für mich außerdem der Faktor "Style": Wenn ich an die 2000 EUR ausgebe, dann suche ich nicht nur nach der richtigen Schulterweite bei einem Anzug. Ich will etwas, das mich auch stilistisch anspricht. Auch da kann ich bei dem gezeigten Anzug leider keinerlei Richtung, in die das gehen soll, erkennen.

Nichts für ungut, ich hoffe, meine Kritik war nicht zu hart. Ich wünsche euch Durchhaltevermögen und Erfolg.
 
Okay, weil das ja ausdrücklich gewünscht war, ...
Aus der Zeit gefallen? Dann sind natürlich die Anzüge Moggs eine ausgezeichnete Referenz für Modernität. Darauf muss man erst einmal kommen. Dass insbesondere in der Konfektion die Schulterpolsterung aktuellen Modetrends folgt, mag sein, die leidlichen Ergebnisse am Menschen kann man zu Genüge hier und andernorts bestaunen. Dieters Anatomie ist wohl die am häufigsten anzutreffende – hängende Schultern, differierende Schulterhöhe. Dieses Problem ist, wie man am Fall der Rückenpartie sieht, gut gelöst. Ein Problem, das Maßkonfektion kaum zu lösen imstande ist. Der Abstand der Knöpfe ergibt sich aus dem Umstand, dass sich der Schließknopf auf Höhe der Taille befindet und der untere Knopf eben traditionell auf horizontaler Höhe der Hüfttaschen, kann man anders machen, muss man nicht. Die Brustweite ist für mein Dafürhalten vollkommen in Ordnung. Zu sehen ist in der Frontansicht lediglich ein kleiner Dressurfehler, geschenkt. Noch ein Wort zur Taillierung, deren optimales Maß gibt der Taillenumfang vor, dem zur Verfügung stehenden Spielraum sind nun mal anatomische Grenzen gesetzt.

Nun, ich wünsche Dir, Dieter, viel Erfolg mit Deinem Projekt. Inwieweit die Technik schon in der Lage ist, wohlfeile Ergebnisse zu liefern, kann ich in Ermangelung eigener Kenntnisse nicht beurteilen, glaube aber, dass dieses Konzept Zukunft besitzt. Es kann eine Lücke zwischen Bespoke und MTM schließen.
 
(...) Darauf muss man erst einmal kommen. (...)
Wie schön, dass wir nicht einer Meinung sein müssen :) Dieter hat hier ausdrücklich um Meinungen gebeten, wir haben ihm beide Input gegeben. Wenn es dir so gut gefällt, bin ich gespannt, ob du zu seinen ersten Kunden gehören und das Ergebnis hier zeigen wirst.

Genug von mir, ich beschränke mich besser wieder mehr auf Fotos im WTIH.
 
Gerade das zeigt doch deutlich das Problem:
Maß ist nur ein Faktor.
Bespoke bedeutet doch, dass die aus dem Maß abgeleiteten Schnitte zwischen dem Kunden und dem Schneider abgesprochen werden. Es gibt ja kein Richtig und kein Falsch in absoluten Zahlen. Vieles dreht sich um Geschmack.
 
Wie schön, dass wir nicht einer Meinung sein müssen :) ....
Dein Urteil ist, lieber Don, zuerst einmal ein Geschmacksurteil und differiert augenscheinlich mit dem Geschmack Dieters. Das ist Dir selbstverständlich zuzubilligen.

Losgelöst von meinem persönlichen ästhetischen Empfinden habe ich mir zunächst einmal angeschaut, ob das hier besprochene Referenzmodell gravierende Passformfehler aufweist. Ich meine nein und sehe hier ein Ergebnis, das unter Beachtung der körperlichen Konstitution des Modells mittels MTM kaum zu realisieren sein wird.

Weiterhin würde ich davon ausgehe, dass Kundenwünsche hinsichtlich der Proportionierung und Geometrie berücksichtigt werden können und somit ein Ergebnis zu erzielen sein wird, welches dem Kundengeschmack weitestgehend Rechnung tragen kann.
 
Gerade das zeigt doch deutlich das Problem:
Maß ist nur ein Faktor.
Bespoke bedeutet doch, dass die aus dem Maß abgeleiteten Schnitte zwischen dem Kunden und dem Schneider abgesprochen werden. Es gibt ja kein Richtig und kein Falsch in absoluten Zahlen. Vieles dreht sich um Geschmack.
Völlig richtig und das kann man auch auf MTM erweitern. Nach dem Abnehmen der Delta-Maße von den Schlupfteilen am Kunden liegt die wesentliche Leistung in der Skalierungsfähigkeit des dahinter liegenden Schnittsystems und der Interpretation der durch den Maßvorgang erhobenen Parameter.

Bei Bespoke und MTM kommt es neben der Einbringung stilistischer Erwägungen, die mehr die Stärke von Bespoke ist, am Ende auf die Erhaltung vorteilhafter Schnittproportionen am Kundenkörper an. Das macht einen Großteil des Ergebnisses aus. Da darf es halt nicht passieren, dass z.B. am Ende die Frontknöpfe zu nah beieinander liegen. Das liegt nicht an Ungenauigkeiten des initialen Maßvorgangs, es ist ein Proportionsfehler des dahinter liegenden Schnittsystems im Folgeprozess, den ein hypergenaues Aufmaß gar nicht beeinflussen kann.

Zudem hat, wie schon Leonardo da Vinci erkannte, der menschliche Körper viele geometrische Regelmäßigkeiten, die es ermöglichen, für einen ersten Wurf mit relativ wenigen Ausgangsmaßen auszukommen und den Rest geeignet zu extrapolieren. Deswegen braucht ein Maßschneider auch keine 5000 Einzelmaße, selbst wenn er sich diesen Aufwand tatsächlich machen wollte. Bei Bespoke wird das erste Zwischenergebnis dann ja ohnehin durch einen Approximationsprozess in den diversen Anproben noch schrittweise verbessert.
 
Dein Urteil ist, lieber Don, zuerst einmal ein Geschmacksurteil und differiert augenscheinlich mit dem Geschmack Dieters. Das ist Dir selbstverständlich zuzubilligen.

Losgelöst von meinem persönlichen ästhetischen Empfinden habe ich mir zunächst einmal angeschaut, ob das hier besprochene Referenzmodell gravierende Passformfehler aufweist. Ich meine nein (...)
Schau, da sind wir schlicht unterschiedlicher Meinung. Auch ich habe erstmal nur über die Passform gesprochen. Und dort, wo du keine Fehler findest, sehe ich ganz erhebliche. Zwei Meinungen, ganz einfach. Man könnte auch sagen: Zwei Geschmacksurteile ;) Den Faktor Style, den ich selbst bei einer solchen Bestellung immer mitberücksichtigen würde, habe ich bewusst erst danach thematisiert.

(...) und sehe hier ein Ergebnis, das unter Beachtung der körperlichen Konstitution des Modells mittels MTM kaum zu realisieren sein wird.
Auch da bin ich anderer Meinung. Ich finde, dass zum Beispiel unser @bluesman528, der – er wird es mir verzeihen – für MtM auch nicht gerade die einfachsten körperlichen Bedingungen mitbringt, hier regelmäßig MtM-Anzüge zeigt, die (wie ich finde) dem hier in Rede stehenden Anzug sowohl passform- als auch styletechnisch weit überlegen sind.

Aber wie gesagt, am Ende war das von mir gar keine Gegenrede gegen das Projekt, sondern es waren ganz subjektive Ansatzpunkte, warum das für mich nicht interessant wäre. Ich habe den ganzen Faden hier nämlich schon so verstanden, dass bei potenzieller Kundschaft nachgefragt wird, was interessant sein könnte / was man besser machen könnte.

Wirst du was bestellen, @Fellini ? :)
 
Nachtrag, weil ich gerade sehe, dass du es gezielt auf die Schultern bezogst: "hängende Schultern, differierende Schulterhöhe" – genau das ist auch mein größtes Problem. Unterschiedlicher Schulterslope ist aber in allen mir bekannten MtM-Systemen (sind zugegebenermaßen nur drei) explizit konfigurierbar. Meine (wie ich finde gute) Änderungsschneiderin ändert das darüber hinaus teilweise sogar an RTW-Stücken für mich – kostet natürlich (zurecht) gutes Geld.
So, genug von mir. Schönen Abend wünsche ich!
 
Völlig richtig und das kann man auch auf MTM erweitern. ...
Das mag alles soweit richtig sein.

Vielleicht bin ich nicht auf dem neuesten Stand, meiner ist jedenfalls der, dass MTM auf fertige Grundschnitte zurückgreift, die in einem begrenzten Rahmen an Kundenspezifika angepasst werden können. Im Gegensatz dazu kann der Maßschneider anhand von Maßen und anatomischen Besonderheiten einen auf den Kunden abgestellten Grundschnitt erstellen. Als Beispiel dafür, was MTM nicht kann, aber Vollmaßanfertigung sehr wohl, ist die Berücksichtigung der individuellen Beinachsenstellung beim Erstellen des Schnittmusters für eine Hose.

Dass die „optimale“ Position des unteren Sakkoknopfes sich aus den idealisierten Proportionen des vitruvianischen Mensch herleiten lässt, möchte ich doch bezweifeln. Bei der Beurteilung des Knopfabstands, der Höhe der Kassur usw. usf. spielen Sehgewohnheiten meiner Auffassung nach die entscheidende Rolle. Mir im Übrigen ist der in gezeigtem Beispiel auch zu klein.
 
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