Stil und Armut

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"Ich weiß nicht, was Sie wollen, von 354 Euro PRO WOCHE kann man doch prima leben!"

Ich glaube, man muß das nicht noch kommentieren ...

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Ist das der Tarif für Sozialhilfe in D? Ich denke doch das man davon ganz gut leben kann. Das bekommen unsere Assistentinnen. Nur die arbeiten dafür 35-40h/w. :eek:
 
Ein schöner Beitrag, der nur leider nicht der Realität entspricht.
Wo steht geschrieben, dass eine Volkswirtschaft prosperieren muss und
wo, dass große Firmen keine Steuern bezahlen müssen,
einmal ganz zu schweigen von den Abschreibekünstlern und "Steuerflüchtlingen"?

Warum begünstigt die deutsche Politik insbesondere die großen Firmen und Konzerne, sieht sich aber außerstande die Rahmenbedingungen für neue/alte Arbeitsplätze zu schaffen
und warum hypen und kaufen die Forenmitglieder Waren, die nicht in Europa hergestellt werden nur weil sie billig sind?
Hier schließt sich nun der Kreis zu den Schuhen und anderen Produkten verschiedener Fernostproduzenten in Verbindung mit dem Thema Arbeitsplätze in Europa.
Ich spreche auch in diesem Zusammenhang von dümmlicher Arroganz, wenn diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben und sich zum Mittelstand oder der Oberklasse zählen, diesen wichtigen Punkt bei ihrem Konsumverhalten komplett außen vor lassen.
Es gibt doch schon genug Manäger aus der 0,5 %-Klasse der Bevölkerung, denen diese Intelligenz scheins in die Wiege gelegt wurde.
Auch in diesem Punkt ist STIL gefragt, keine Geldgeilheit und Ellbogenmentalität zwecks Steigerung des Shareholdervalue.
Aber warum schreib ich das eigentlich - die einen wollen nicht und die anderen können es nicht...

Armut in Deutschland müsste nicht sein und deren steiler Anstieg erst recht nicht.

Sorry,
Sie haben mich sicherlich falsch verstanden, sonst wären Ihre Ausführungen nicht so polemisch!
Im übrigen liege ich keiner Sozialkasse auf der Tasche.
Mein Einkaufsverhalten ist darüber hinaus davon bestimmt, daß ich Produkte kaufe, die aus europäischer Fertigung stammen.
 
Ja, aber pro Monat und nicht pro Woche! Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ihre Assistentinnen bei einer 35-40h/W nur 354 Euro bekommen.

Man bedenke, der MietANTEIL, den mein Sohn im Studentenwohnheim (!!!) in Darmstadt für ein Zimmer plus geteilte Küche/Bad bezahlt, liegt allein bei €300/Monat. Sein Turnbull & Asser Hemd hat er geschenkt gekriegt (von wem wohl :D).
Soziale Netze sind mit die größte Errungenschaft des 20Jhds., da sie ein Leben in Würde ermöglichen, was allemal wichtiger ist als Stil, aber letztlich natürlich auch dessen Voraussetzung. Das System "Hartz IV" dient der systematischen Entwürdigung arbeitsloser Menschen und der Verängstigung derer, die noch Arbeit haben, um sie in Schach zu halten - ist somit definitiv als stillos einzuordnen.
Vgl. auch Loic Wacquant, Die Bestrafung der Armen
http://www.perlentaucher.de/buch/30730.html
 
Lieber Algernon Worthington,

ich habe Frau Schmidt zitiert, weil sie das tatsächlich genau so gesagt hat - und weil sie mal ganz fröhlich den monatlichen Regelsatz mit dem verwechselt hat, was man pro Woche zur Verfügung hat.
Ich dachte, daß der Kommentar von Frau Schmidt selbsterklärend sei ...
Ich hätte wohl ihren Irrtum deutlicher herausstellen müssen.
Allerdings sagt ihr dahingesprochener Satz viel darüber aus, daß diese Frau, die am Zustandekommen besagter Gesetze beteiligt war, nicht den geringsten Bezug zur Realität hat. (Wie auch, bei ihrem Einkommen!) ;)
Offenbar konnte sie sich nicht vorstellen, daß eine solch geringe Summe (die NIEDRIGER liegt als der "alte" Sozialhilfesatz, was mühelos beweisbar ist!) für einen ganzen Monat ausreichen solle.


Das System "Hartz IV" dient der systematischen Entwürdigung arbeitsloser Menschen und der Verängstigung derer, die noch Arbeit haben, um sie in Schach zu halten - ist somit definitiv als stillos einzuordnen.

Richtig.
Harz IV richtet sich nur bedingt gegen jene, die davon leben müssen.
Es ist vielmehr ein Instrument, um jene gefügig zu machen, die noch Arbeit haben.
Gewerkschaftlich erkämpfte Rechte werden abgeschafft? Tja, die "harten Zeiten" - da muß man schon Lohnverzicht hinnehmen, Rentenabbau ...
Und wer dagegen aufbegehrt, landet ganz schnell ganz unten.
Das ist so gewollt.


Gast schrieb:

Ich habe aufgrund der Eigenheiten von Harz IV, sprich, dass auch die letzten persönlichen Lebensumstände der Antragsteller ausgeleuchtet werden

Richtig.
Unter dem Vorwand, "Mißbrauch" verhindern oder bekämpfen zu wollen, werden sämtliche "Transferleistungs-Empfänger" unter Generalverdacht gestellt. Die Beweislast wird umgekehrt: der Noteidende muß nachweisen, tatsächlich "bedürftig" zu sein. Dabei werden allerdings Daten erhoben und ausgespäht, die NICHTS mit einer Gewährung oder Verweigerung der "Hilfe zum Lebensunterhalt" zu tun haben (dürften).

Wer sich weigert, den in der Tat extrem entwürdigenden "Sozial-Striptease" hinzulegen, dem werden sämtliche Zahlungen vorenthalten.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar ..."
Wo hab ich das nur gelesen ...?

Übrigens: das Ausfüllen des 16-seitigen, beidseitig bedruckten Fragebogens "vom Amt" ist HALBJÄHRLICH zu wiederholen, denn "Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß SGB II" (landläufig Hartz IV) wird prinzipiell nur für ein halbes Jahr gewährt und muß dann ganz neu beantragt werden - jedes halbe Jahr.

Interessant vielleicht für jene, die nicht betroffen sind: der Eheparner wird voll in die Pflicht genommen. Sollte eine evtl. vorhandene Gattin also auch nur EINEN Euro über einer recht niedrigen und sehr willkürlich bemessenen Einkommengrenze liegen, geht ihr arbeitsloser Mann leer aus - dann muß sie ihn ernähren und nicht das Amt.

Um das festzustellen, muß natürlich auch die (NICHT arbeitslose) Gattin einen entsprechenden, sehr umfangreichen Fragebogen ausfüllen - als Mitglied der "Bedarfsgemeinschaft".
Tut sie das nicht, weil sie nicht einsieht, dem Amt derart tiefe Einblicke in ihr Leben zu gestatten, erhält ihr Gatte keine "Hilfe zum Lebensunterhalt".

Übrigens - die Anstalt für Arbeit hat mehrfach erkennen lassen (bspw. in Interviews ihrer Obermacker), daß der Fragebogen selbst den Leuten in den Chefetagen "zu weit" geht.
"Das hat sich wohl ein wenig verselbständigt" hieß es.
Geändert wurde allerdings nichts ...

Noch etwas: wer nach nur 12 Monaten Arbeitslosigkeit den Segnungen des Hartz-IV-Gesetzes anheimfällt, muß laut Gesetz (und das wird auch durchgesetzt!) zunächst sämtliche eigenen Ersparnisse bis auf einen Sockelbetrag von etwa 7000,- Euro "aufbrauchen" (davon ausgenommen sind bestimmte, nicht eben große Summen, die FEST angelegt sind und NUR der eigenen "Altersversorgung" dienen dürfen).

Lebensversicherungen bspw. sind aufzulösen, das Geld ist zu verbrauchen.

Ich wollte das nur erwähnen, falls sich noch immer jmand hier der Illusion hingeben sollte, "so schlimm" könne es schon nicht sein mit Hartz IV.

Es kann jeden treffen!

Interessant vieleicht auch, daß der Regelsatz von Hartz IV dem Bedürftigen ganze 4, 50 Euro fürs Essen zugesteht - pro Tag.

Und noch etwas: jene, die von Hartz IV leben müssen, rekrutieren sich nur zu einem verschwindend geringen Bruchteil aus dem sogenannten "Sozialhilfe-Adel" der x-ten Generation.
Die absolut überwiegende Mehrheit HAT zuvor jahrelang gearbeitet und HAT zuvor jahrelang in die Sozialkassen eingezahlt.
Es ist perfide, aber durchaus im Sinne des "divide et impera", genau dieser Mehrheit immer und immer wieder zu unterstellen, sie lasse sich "auf Kosten der Allgemeinheit" und "vom Steuerzahler" nun "durchfüttern".

Freundliche Grüße
Bertie Wooster
 
Zuletzt bearbeitet:
Kleiner Nachtrag:

Schon der Begriff "Transferleistungs-Empfänger" ist ein absichtlich erniedrigendes Wortungetüm.
Es soll ein davon ablenken, daß diese Menschen ein gesetzlich verbrieftes Recht auf "Hilfe zum Lebensunterhalt" gem. SGB II haben - und daß sie sich diese Unterstützung zuvor jahrelang im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet haben.

Jedem wurden/werden doch erhebliche Beiträge zur "Arbeitslosen- und Rentenversicherung" vom Lohn abgezogen, nicht wahr?
Nun erfuhren wir vor wenigen Jahren von dem Spezialdemokraten W. Clement, daß "Arbeitslosenversicherung" nur so ein Begriff und keinesfalls wörtlich zu nehmen sei.
Es sei mehr eine Art "Steuer" ...

Es geht darum, den Sozialstaat zu demontieren.
Es geht darum, gesetzlich verankerte Leistungen umzudeuten in hochherrschaftlich gnädig gewährte "Kann-Leistungen", in "Fürsorge-Leistungen", die nach Gutdünken zu gewähren oder zu versagen sind und die vor allem nicht (mehr) einklagbar sein sollen.

Nun haben Bundessozialgericht und Verfassungsgericht (wenn ich nicht irre) das Hartz-IV-Gesetz für verfassungswidrig erklärt.
Der Regelsatz sei absolut zu niedrig und entspreche nicht den tatsächlichen Lebenshaltungskosten, hieß es in der Urteilsbegründung.

Trotzdem wird es KEINE Nachzahlungen geben. Für niemanden.
Ja, es war grob rechtswidrig, was seit Einführung von Hartz IV mit den Menschen gemacht wurde.
Es war Enteignung per Gesetz.
Nein, ein Recht auf Wiedergutmachung, Nachzahlung leitet sich daraus nicht ab. Sagt das Verfassungsgericht.
Und für eine "Anpassung" des Regelsatzes und eine Änderung des Gesetzes hat die Bundesregierung jetzt erstmal ... so ungefähr 10 Jahre Zeit.

Wenn das kein Hohn ist ...:mad:

FG
Rambat
 
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