Stil und Armut

Druckreif von Sandro71 auf den Punkt gebracht.

Aber auch die Charakterisierung Beckenbauers find ich gut...

Franz Beckenbauer ist eine Lichtgestalt, das wäre er auch in Kleidung von KIK, da er IMMER und zu jedem freundlich und nett ist und niemals jemanden nicht begrüssen würde, nur weil der Kellner ist...

Ach ja, der Kaiser. Das ist wirklich das Paradebeispiel für jemanden, der über Jahrzehnte hinweg in verschiedenen Bereichen maximal erfolgreich war, ein wahrer Weltmensch und Grandseigneur ist und trotzdem (oder gerade deshalb) niemals seine bescheidene Herkunft leugnet oder überspielt.

Sein einsamer Gang über das Spielfeld nach dem WM-Sieg 1990 hat sich bei mir unauslöschlich in die Birne eingebrannt... Ein Gigant.
 
Danke, Sandro!!!!
:)

Es ist so: alles, was man sich in einer solchen Lage "außer der Reihe" leisten kann, ist besonders wertvoll.
Ebenso das, was man aus "besseren Zeiten" bewahren konnte.

Man schätzt diese Dinge sehr, und damit meine ich eben nicht (nur) Kleidung, sondern auch ... Freundschaften, die sich als echt erweisen ... gute Erinnerungen ... und all die kleinen Dinge, denen die meisten vorher wenig bis keine Aufmerksamkeit schenken: etwa, daß man einen stillen Sonnenaufgang an einem Aprilmorgen erleben darf.
Daß man an einem Strand stehen und zum endlos weit entfernten Horizont schauen darf. Daß man das salzige Wasser riechen und die Brandung hören darf.

Daß man an einem stillen, warmen Juniabend die Nachtigall hören darf.
An einem Regenmorgen die Amsel ...

Daß man sich darüber freuen kann, wenn es Freunden gutgeht.
Daß man sich die Befriedigung gönnt, die Wohnung sauber zu halten.
Daß man mit Genuß gute Musik hören kann ...

Es gibt so vieles, worüber man sich freuen kann.

Manches ist im Leben sehr, sehr bitter und sehr traurig, und nicht alles kann man ausgleichen.
Manches wünscht man sich sehr und weiß doch, daß man es nie bekommen wird ... (bei mir war das immer eine Familie, eine Mama, ein Papa ...).
Aber man darf einfach nicht vergessen, daß es vieles gibt, was gut ist - zum Beispiel, wenn man gut zu anderen ist.

Und ich denke, daß das vielleicht auch so etwas wie "Stil" sein könnte.

:)

Freundliche Grüße
Berie Wooster
 
Was? Im Arbeiterparadies Kuba sind die Menschen arm? Dort wohin der Sozialistische Studentenbund und die Linkspartei Solidaritätsreisen unternimmt? Kann nicht sein....der Sozialismus überwindet doch die Armut....ok, er sollte es nach 50 Jahren auf Kuba langsam geschafft haben :confused::confused::confused:.
 
Ich sage: die Möglichkeiten sind als Armer in Deutschland sehr beschränkt.

Ich sage: Nicht, wenn man es auf Verhaltensweisen ein- und beschränkt. Da muss ich allen Vorrednern zustimmen: Stil hat doch wirklich nichts mit Armut zu tun. Ich habe, bedingt, dass ich im Pott aufgewachsen bin (und durch meine Mum), viele Menschen kennengelernt, die man wohl als arm bezeichnen konnte. Aber trotzdem sind sie, wenn man ihnen ebenfalls freundlich, zuvorkommend und höflich. Das finde ich, ist Stil. Da ist es doch sch... egal, ob die Klamotten vom KIK oder von Gieves&Hawkes kommen!

Meine Mutter hat mal einer Gruppe türkischer Frauen Deutsch als Fremdsprache beigebracht (sehr nette Damen übrigens). Von ihrer Pilgerfahrt hatten sie Wasser aus Mekka mitgebracht. Sie hatten ohnehin schon nicht viel und trotzdem baten sie meine Mutter, etwas von diesem Wasser zu trinken, obwohl es für sie etwas sehr wichtiges war (oder noch ist) und obwohl meine Mutter Christin ist. Das hatte Stil. Bemerkenswert: Trotz der Tatsache, dass das Wasser nicht grad das saubereste war: Sie war seit dem nicht mehr krank.
 
Ich sage: die Möglichkeiten sind als Armer in Deutschland sehr beschränkt.

Das stimmt! Wo sind sie das nicht? Mit Ausnahme der skandinavischen Länder (vielleicht) gibt es kein Gemeinwesen auf der Welt, in dem es mehr Wohlstand für Arme gibt, als bei uns. Das fängt schon bei der relativen Armutsdiskussion an. Ich sage das aus der bescheidenen Anschauung von Geschäftsreisen in ca. 25 Länder verschiedenster Systeme. Das sind selbstverständlich keine validen Studien aber ich habe Armut gesehen und kann das dementsprechend vergleichen.
 
Einige statitische Informationen (BRD):

Der Bundeshaushalt der 2009 war 290 Milliarden groß,
die Ausgaben für "Arbeit und Soziales" machten ca 42% aus, also etwa 123 Milliarden.

Die Schwarzarbeit soll nach Schätzungen der Regierung 15% der Wirtschaftsleistung ausmachen und einen Schaden in Höhe von 70 Milliarden
verursachen.

25% der Steuerpflichtigen zahlen 80% der Einkommensteuer.
 
25% der Steuerpflichtigen zahlen 80% der Einkommensteuer.


Wer keinen Job hat, der kann auch keine Einkommensteuer bezahlen ...


Ich erlaube mir übrigens, darauf hinzuweisen, daß ich selbst von einem recht hoch in der Hierarchie der Verwaltung der "Bundesanstalt für Arbeit" angesiedelten Beamten zu hören bekam: "Der Regelsatz für die Leistungen nach Hartz IV ist völlig ausreichend, WEIL die doch alle sowieso noch nebenbei schwarz arbeiten und dadurch dieselbe Summe noch einmal hereinholen!"

Von einigen Politikern haben wir zu hören bekommen, daß eine Erhöhung des Regelsatzes lediglich den "Alkohol-Konsum" erhöhe würde.

:mad:

Vielleicht darf ich auch noch zitieren, was Ulla Schmidt (ja, die mit der nasalen Stimme) unmittelbar nach Einführung der Hartz-IV-Gesetzgebung von sich gab (und das ist belegt!):

"Ich weiß nicht, was Sie wollen, von 354 Euro PRO WOCHE kann man doch prima leben!"

Ich glaube, man muß das nicht noch kommentieren ...

Ich möchte nun um eines bitten: es wäre schön, wenn jene, die nicht von Hartz IV-Regelsätzenleben müssen, sich mit Urteilen darüber, ob und wie gut man davon leben könne, hier im Forum ein wenig zurückhielten.
Auch finde ich es ein wenig verfehlt, wenn einige so überdeutlich auf die Armut in anderen Ländern hinweisen - wir leben weder in Kuba noch in Bangladesh, sondern hier in Deutschland, und daher kann man das nicht miteinander vergleichen, denke ich.
Zumal solche Vergleiche meiner Meinung nach stets von (zumindest unterschwelligen) Appellen begleitet sind: "Sieh mal, soooo schlecht geht's dir doch gar nicht, also halt die Klappe und füge dich in dein Schicksal! Anderen geht es noch viel schlechter als dir!"

Honni soit qui mal y pense ...

Ja, man kann von Hartz IV existieren.
Sehr viel mehr allerdings nicht (auch wenn man mit dem Regelsatz in einem anderen Land möglicherweise fürstlich leben könnte - wir leben nun mal hier).
Mit etwas Solidarität und Hilfe von Freunden, mit etwas Findigkeit läßt sich das Ganze ein wenig aufbessern, und das Leben wird so ein wenig lebenswerter. :)
Auch wenn das viel Kraft kostet - und ich denke, das ist vergleichbar mit der Kraft, die jemand in seinen Job investiert, auch wenn's komisch klingt.


Mein Fazit: Stil hat nur sehr bedingt etwas mit Geld zu tun.
Aber das sagten hier ja bereits etliche andere User vor mir ...
;)

Freundliche Grüße
Bertie Wooster
 
Werter bertie wooster!

Meine Ausführungen mit den statitischen Angaben sind nicht als Angriff auf Ihre Person zu sehen. Da haben Sie mich falsch verstanden.

Vielmehr belegen die Zahlen, daß unser System auf Dauer so nicht funktionieren kann, zumal der Etat stark fremdfinanziert ist.
Eine Volkswirtschaft kann mit immer stärker steigenden Transferleistungen nicht prosperieren.
 
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