Kann/Muss man Stil lernen?

Ferner muß man auch bereit sein, zu leiden:
* Sport treiben, um die Figur zu halten
* sich beim Essen einschränken
* enge, unbequeme Kleidung tragen
* auch bei Hitze zu Krawatte und Langarm greifen
* auf Körperhaltung achten und diese halten
* sich mit Liebe aufwendigen, unsinnigen Details widmen
* auf Alkohol verzichten
* umfangreichste Körperpflege und Kosmethik betreiben
* mehr zuhören, als selbst reden


Grüße
Günter

Also bei einigen Sachen muss ich dir wiedersprechen. Ich finde Figur hat nichts mit Stil zu tun. Auch ein Mann mit Bauch kann Stil haben. Ich finde es im übrigen stilvoller vernünftig mit Alkohol als Genussmittel umgehen zu können, als darauf komplett zu verzichten. Körperpflege ja, Kosmetik sollte in meinen Augen den Frauen vorbehalten sein, Männer brauchen sicher keine Farbe im Gesicht.
 
Grundsätzlich stimme ich dem Ansatz von Guenter zu, der dann aber doch ein wenig zu formelhaft und calvinistisch ist. Stil ist auch immer Genuß. Disziplin ohne Genuß verschafft höchstens Korrektheit, kaum aber Stil.
Ich weiß gar nicht, ob ich den Thesen von Guenter zu mehr als der Hälfte zustimme. Dem, was Sie hier schreiben, stimme ich dagegen zu 100% zu. :)

Es gibt sehr viele Menschen, die glauben, es habe schon Stil (in der allgemeinen, umfassenden Begriffsprägung synonym zum umgangssprachlichen "das hat Klasse"), wenn Sie sich konservativen Regelwerken zu Verhalten und Aussehen strikt unterwerfen und das mit ein wenig Leiden für die Eitelkeit (Gewicht halten, nix essen, nix trinken :)) und dem, was sie unter nobler Zurückhaltung verstehen, garnieren.

Natürlich kann diese Verhaltensweise in der Wahrnehmung durch andere durchaus im diesem allgemeinen Sinne als "das hat Stil" durchgehen, aber es sind erst mal nur äußerliche Symptome einer inneren Haltung. Es hat definitiv keine Klasse, diese Symptome getreu den Buchstaben eines Regelwerks oberflächlich zu simulieren, um z.B. eine vorgebliche oder tatsächliche Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu demonstrieren. Solcher "Stil" kommt nur als Nebeneffekt aus der Verbindung mit einem individuellen ästhetischen und qualitativen Anspruch an sein Lebensumfeld zustande, der sich nicht auf Äußerlichkeiten reduziert und schon gar nicht den Spaß- und Genussfaktor im eigenen Leben zugunsten einer besseren Vermittlung dieser Äußerlichkeiten gegenüber anderen einschränkt.

Ich bin mir ehrlich gesagt keineswegs sicher, ob ich selbst schon die menschliche Reife mitbringe, um nach dieser Sichtweise "Stil zu haben". Aber es ist für mich eine gute ganzheitliche Zielvorstellung, für die ich keinen Regelkatalog brauche.
 
Ich weiß gar nicht, ob ich den Thesen von Guenter zu mehr als der Hälfte zustimme. Dem, was Sie hier schreiben, stimme ich dagegen zu 100% zu. :)

Es gibt sehr viele Menschen, die glauben, es habe schon Stil (in der allgemeinen, umfassenden Begriffsprägung synonym zum umgangssprachlichen "das hat Klasse"), wenn Sie sich konservativen Regelwerken zu Verhalten und Aussehen strikt unterwerfen und das mit ein wenig Leiden für die Eitelkeit (Gewicht halten, nix essen, nix trinken :)) und dem, was sie unter nobler Zurückhaltung verstehen, garnieren.

Natürlich kann diese Verhaltensweise in der Wahrnehmung durch andere durchaus im diesem allgemeinen Sinne als "das hat Stil" durchgehen, aber es sind erst mal nur äußerliche Symptome einer inneren Haltung. Es hat definitiv keine Klasse, diese Symptome getreu den Buchstaben eines Regelwerks oberflächlich zu simulieren, um z.B. eine vorgebliche oder tatsächliche Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu demonstrieren. Solcher "Stil" kommt nur als Nebeneffekt aus der Verbindung mit einem individuellen ästhetischen und qualitativen Anspruch an sein Lebensumfeld zustande, der sich nicht auf Äußerlichkeiten reduziert und schon gar nicht den Spaß- und Genussfaktor im eigenen Leben zugunsten einer besseren Vermittlung dieser Äußerlichkeiten gegenüber anderen einschränkt.

Ich bin mir ehrlich gesagt keineswegs sicher, ob ich selbst schon die menschliche Reife mitbringe, um nach dieser Sichtweise "Stil zu haben". Aber es ist für mich eine gute ganzheitliche Zielvorstellung, für die ich keinen Regelkatalog brauche.

Ich würde das für mich auch so definieren, was aber die Diskussion betrifft werden denke ich immer wieder auf die Grundproblematik zurückgeworfen, die sich seit frühester Zeit durch den ganzen Stil- Courtier- und Gentlemandiskurs zieht, nämlich ob es eine Korrespondenz zwischen innerer Haltung / Ethos und äußerem Erscheinungsbild gibt oder ob letzteres eben gerade nur Äußerlichkeit, gar eine Maske, Tarnung bzw. Legitimationsstrategie ist (Chesterfield).

Zur Frage der Relativität würde ich noch hinzufügen, dass Stil im Kontext dieses Forums sich bei aller Varianz doch grundsätzlich auf die klassischen seit Brummell entstandenen sartorialen und ettikettebezogenen Ideale bezieht. Darauf bezog sich auch meine Bemerkung zum eleganten Spiel mit Regeln.
 
Ich würde das für mich auch so definieren, was aber die Diskussion betrifft werden denke ich immer wieder auf die Grundproblematik zurückgeworfen, die sich seit frühester Zeit durch den ganzen Stil- Courtier- und Gentlemandiskurs zieht, nämlich ob es eine Korrespondenz zwischen innerer Haltung / Ethos und äußerem Erscheinungsbild gibt oder ob letzteres eben gerade nur Äußerlichkeit, gar eine Maske, Tarnung bzw. Legitimationsstrategie ist (Chesterfield).
Sobald man Stil nur als Kombination von vorgeschriebenen Äußerlichkeiten betrachtet, die man gelöst von einer tieferen Motivation quasi als Maske kopieren könnte, gerät eine Diskussion über Stil immer in Gefahr, sich nur auf dafür geeignete, ggfs. lebensfremde Regelkataloge zurückzuziehen. Das führt dann zu den in Foren gerne gesehenen Auswüchsen, dass spezielle formale Details innerhalb des sartorialen Gestaltungskanons von manchen Protagonisten als zwingend stilistisch korrekt proklamiert werden (z.B. No brown in town, the pocket square is not optional etc.pp. und ggfs. auch jeweils das genaue Gegenteil :)), ohne differenzierter zu betrachten, welche Relevanz solche regionalen Regeln einer früheren Epoche unter den heutigen urbanen Gegebenheiten haben. Man redet dann nicht mehr über Qualität, Ästhetik, Situationsbezogenheit oder Typkompatibilität jeweils unter heutigen Rahmenbedingungen, sondern über auswändig gelernte "Gesetze" - entweder aus Kleidungs- und Benimmhandbüchern längst vergangener Zeiten oder anders herum aus iGent-Blog"wissen" zusammengeklaubt -, die man als "Stil" unreflektiert verinnerlicht hat. Und ich würde aus Gründen des größeren Amusements lieber über ersteres reden als über die Gültigkeit solcher beliebig zusammengestellter Regelkataloge, auch wenn letzteres im Sinne des Threadtitels für Kleidungsdesinteressierte leichter passiv - eben zur einfacheren Maskierung - konsumierbar wäre. :)
 
Sehr erfreulich zu lesen, wie stark das Niveau steigt. Und ich muss sagen, immer wenn der Herr bluesman seine Ansicht äußert, ist es doch stets für mich eine Bereicherung.

Um es mal mit eigenen Worten zusammenzufassen:

Stil hat wohl zwei Seiten, eine äußere und eine innere. Das äußere kann zwar durch Kopieren erlenen, doch wird man im Zweifel dennoch keinen "Stil" entwickeln, dieser entwickelt sich durch die innere Haltung zu den Äußerlichkeiten, nämlich durch die individuelle Handschrift.

Deshalb kann man sagen, dass es ein sartoriales Regelrahmens gibt, in dem sich derjenige mit Stil bewegt. Dieses Rahmenwerk kann durch seine eigene Persönlichkeite sogar erweitert oder verengt werden.

Aber wenn wir zurück zu der Ausgangsfrage kehren: Ist Stil, also die innere HAltung denn erlernbar?

Denn Äußerlichkeiten kann ich kopieren und habe mich dann verkleidet. Wann beginnt die Äußerlichkeit Teil meines Ichs zu werden? Und ist jemand, der lediglich kopiert, denn enttarnbar als jemand, der eigentlich keinen Stil hat? Mir geht es nicht darum, ihn zu enttarnen, nur darum, dass jemand, der Stil erlernen möchte, die richtigen Schritte unternimmt.

Gruss
 
Sehr erfreulich zu lesen, wie stark das Niveau steigt. Und ich muss sagen, immer wenn der Herr bluesman seine Ansicht äußert, ist es doch stets für mich eine Bereicherung.

Um es mal mit eigenen Worten zusammenzufassen:

Stil hat wohl zwei Seiten, eine äußere und eine innere. Das äußere kann zwar durch Kopieren erlenen, doch wird man im Zweifel dennoch keinen "Stil" entwickeln, dieser entwickelt sich durch die innere Haltung zu den Äußerlichkeiten, nämlich durch die individuelle Handschrift.

Deshalb kann man sagen, dass es ein sartoriales Regelrahmens gibt, in dem sich derjenige mit Stil bewegt. Dieses Rahmenwerk kann durch seine eigene Persönlichkeite sogar erweitert oder verengt werden.

Aber wenn wir zurück zu der Ausgangsfrage kehren: Ist Stil, also die innere HAltung denn erlernbar?

Denn Äußerlichkeiten kann ich kopieren und habe mich dann verkleidet. Wann beginnt die Äußerlichkeit Teil meines Ichs zu werden? Und ist jemand, der lediglich kopiert, denn enttarnbar als jemand, der eigentlich keinen Stil hat? Mir geht es nicht darum, ihn zu enttarnen, nur darum, dass jemand, der Stil erlernen möchte, die richtigen Schritte unternimmt.

Gruss

Kurze Frage: Ab wann kopiert man nicht mehr, sondern zeigt "eigenen" Stil?
 
Sehr erfreulich zu lesen, wie stark das Niveau steigt. Und ich muss sagen, immer wenn der Herr bluesman seine Ansicht äußert, ist es doch stets für mich eine Bereicherung.

Um es mal mit eigenen Worten zusammenzufassen:

Stil hat wohl zwei Seiten, eine äußere und eine innere. Das äußere kann zwar durch Kopieren erlenen, doch wird man im Zweifel dennoch keinen "Stil" entwickeln, dieser entwickelt sich durch die innere Haltung zu den Äußerlichkeiten, nämlich durch die individuelle Handschrift.

Deshalb kann man sagen, dass es ein sartoriales Regelrahmens gibt, in dem sich derjenige mit Stil bewegt. Dieses Rahmenwerk kann durch seine eigene Persönlichkeite sogar erweitert oder verengt werden.

Aber wenn wir zurück zu der Ausgangsfrage kehren: Ist Stil, also die innere HAltung denn erlernbar?

Denn Äußerlichkeiten kann ich kopieren und habe mich dann verkleidet. Wann beginnt die Äußerlichkeit Teil meines Ichs zu werden? Und ist jemand, der lediglich kopiert, denn enttarnbar als jemand, der eigentlich keinen Stil hat? Mir geht es nicht darum, ihn zu enttarnen, nur darum, dass jemand, der Stil erlernen möchte, die richtigen Schritte unternimmt.

Gruss

Also mir persönlich ist ein Mensch, der sich äusserlich "verkleidet", tausendmal lieber als einer der sich innerlich "verstellt".

Stil im Bezug auf die Äußerlichkeit kann man sicherlich erlernen das ist ein Prozess den denke ich viele von uns durchlaufen haben. Stil im Bezug auf die inneren Werte m.E. sicherlich nicht. Man hat Stil oder man hat ihn nicht
 
Ich denke schon, dass man Stil erlernen kann, sogar in Bezug auf innere Werte und eine Geisteshaltung, die dann auch endlich mal zu Recht als die eines Gentleman bezeichnet werden kann (wo der Begriff hier schon so inflationär gebraucht wird ;)). Den ensprechenden Prozess nennt man dann Erziehung, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
 
Ich denke schon, dass man Stil erlernen kann, sogar in Bezug auf innere Werte und eine Geisteshaltung, die dann auch endlich mal zu Recht als die eines Gentleman bezeichnet werden kann (wo der Begriff hier schon so inflationär gebraucht wird ;)). Den ensprechenden Prozess nennt man dann Erziehung, oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Schlage "Entwicklung" vor.

Gruß
Armin
 
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