Kann/Muss man Stil lernen?

Stillos? Nein. Langweilig? Ja.

Stell Dir doch mal vor: alle machen einen auf "so Italian" Look: Blauer Suit, blaues Hemd, blaue Krawatte, braune (huch) Schuhe.
Ist ja schön und gut, trage ich auch gern. Aber wenn das jeder, und vor allem permanent macht, wird es eben öde.
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ich würde mal behaupten ein gutsitzender Anzug in augenscheinlich guter Verarbeitungsqualität ist per se nie langweilig und "auf der Strasse" immer die Ausnahme (gleiches gilt für Schuhe, Hemden, etc.)

unter Gleichgesinnten, braucht es, wie Du richtig sagst, schon etwas mehr Originalität um aufzufallen ....
 
Jetzt ist mir aufgefallen, das ich viele Kombinationen, die ich im "Was tragt ihr heute" Sammelthread gesehen habe, von meinem subjektiven Empfinden her, als nicht schön empfinde, weil mir zuviele Farben und Muster gemischt sind, selbst bei den Outfits die allgemein grossen Anklang finden. Auch empfinde ich es als nicht schön, auffällige Sockenfarben zu tragen, die nicht die Farbe der Hose haben. Das was ich als schön empfinde würde hier wohl (zurecht?) als stillos betrachtet.
Ich glaube, man sollte den "Was tragt ihr heute" Thread nicht als stilbildend missverstehen. Die grellen und gewagten Farb- und Musterkombinationen ergeben sich bei Kleidungsinteressierten aus der Sucht nach Abwechslung und immer Neuem. Das bedeutet nicht, dass schlichtere, gut kombinierte Outfits stillos wären. Sie sind nicht mal langweiliger. My fun socks are plain dark navy blue. :)

Die Originalität sollte sich aus der Person heraus ergeben und nicht aus der Farbenpracht seiner Kleidung.
 
Und hier gebe ich meinem Vorredner recht. Stil kann man erlernen wenn man ihn nicht als Talent in die Wiege gelegt bekommt.

Und diese Entscheidungen bewust zu trefen und ein Gefuehl fuer farben, Muster stoffe und Schnitte zu bekommen ist genauso erlernbar wie Fahrrad fahren. Auch das ist erstmal ne Gefuehlssache.

CheChe

Ich würde das wie folgt einschränken:

Stil kann man (wie alles andere) lernen, bleibt aber dann besser bei den Konventionen.
Konventionsbrüche, wenn sie "stilvoll" sein sollen, sind eine Frage des Talents, welches man eben hat oder nicht.
Gilt übrigens ebenso in allen Künsten: ohne Talent kannst Du keinen neuen Musik-, Malerei oder sonstigen Stil "erfinden" ....
 
daran das er sich darueber Gedanken macht und ganz bewust eine Kombination waehlt mit der er sich indentifizieren kann.

Und diese Entscheidungen bewust zu trefen und ein Gefuehl fuer farben, Muster stoffe und Schnitte zu bekommen ist genauso erlernbar wie Fahrrad fahren.
CheChe

Gut ausgedrückt. So sehe ich das auch. Es kommt auf den bewussten Entscheidungsakt an, der den Stil ausmacht. Und wenn etwas dabei rauskommt was dem einen oder anderen nicht gefällt - so what. Wichtig, ist dass man sich in dem was man entschieden hat zu tragen, wohl fühlt und weiß WARUM man sich entschieden hat, es zu tragen. Der Rest ist eher nebensächlich finde ich.

Und dass Stil nicht nur etwas mit Kleidung zu tun hat, sondern mit einer gewissen Grundhaltung, die sich auch in Umgangsformen ausdrückt, sehe ich auch so.
 
Da ergibt sich für mich aber dann irgendwie der Wiederspruch dazu Konventionen (wie Kombimanschetten nicht mit Manschettenknöpfen, keine Ansteckhosenträger, schwarze Kleidung nur in Trauerkontexten bzw. formeller Abendkleidung, Smoking nie mit Krawatte usw.) einhalten zu müssen, aber andere Konventionen bewusst zu brechen. Wo ist hier die Grenze? Was geht, was geht besser nicht? Sind die Konventionen, die aufrechterhalten sollen besonders schützenswert? Oder ist es einfach der Geschmack der vorherscht? Und würde man dann nicht die Langeweile durchbrechen wenn man sich gegen diesen Geschmack kleiden würde?

Das ist genau der Knackpunkt - sich stilvoll kleiden bedeutet IMO, dass man sich mit größter Gelasseheit und Eleganz im Spannungsfeld zwischen Regeln und Regelbrüchen, Konvention und Idiosynkrasie bewegt - wobei die Regeln, um die es hier geht gesellschaftlich kaum noch bekannt sind, sondern inzwischen lediglich den sozialen Code einer (allerdings stetig wachsenden) Minderheit von Sartorialisten darstellen.
 
Ich stelle mir diese Frage, da ich nach einigen Tagen lesen in diesem Forum festgestellt habe, dass zwischen dem, was ich für gutaussehend gehalten habe, und dem was hier größtenteils für stilvoll empfunden wird, doch einige Diskrepanzen bestehen. Ich lese hier alles von "Erlaubt ist was gefällt" bis "So kann man ja nicht rumlaufen".

Die Bandbreite der hier vorgestellten Kleidungsstile ist groß. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemandem alle Geschmäcker gefallen. Jeder bildet sich seine Meinung - und wie schon gesagt wurde, führt die Höflichkeit dazu, dass Zustimmung stärker geäußert wird als Ablehnung. Dennoch wirst Du nicht alleine sein mit der Meinung, dass man in einigen Fällen "so nicht rumlaufen kann".

Jetzt ist mir aufgefallen, das ich viele Kombinationen, die ich im "Was tragt ihr heute" Sammelthread gesehen habe, von meinem subjektiven Empfinden her, als nicht schön empfinde, weil mir zuviele Farben und Muster gemischt sind, selbst bei den Outfits die allgemein grossen Anklang finden.

Gut so - Du hast Deine Meinung und filterst "schön" von "unschön". Was will man mehr?

Deswegen stellt sich mir die einleitende Frage: Kann oder Muss man Stil erst lernen?

Ich würde sagen: Man findet Stil. Es gab in meinem Leben eine Zeit, in der ich kurzärmelige Hemden gut fand. Weil praktisch. Und meine Schuhe kosteten auch selten mehr als 50 DM. War das Stil? Nun, es war mein Stil, und ich erkenne mich noch heute wieder, wenn ich Fotos von damals sehe. Trotzdem habe ich diesen Stil abgelegt, weil meine Vorstellungen von Ästhetik sich weiterentwickelt haben. In eine Richtung, die nicht jeder mitträgt. Da muss man drüberstehen. Wenn ich im Sommer mit langärmeligen Hemden und Manschettenknöpfen herumlaufe, gibt es Menschen, die das seltsam finden.

Dass man trotzdem einen eigenen Stil gefunden hat, merkt man vor allem an der Reaktion anderer Menschen. Wenn Du jeden Tag in einem Nadelstreifenanzug zur Arbeit kommst, ist das noch lange nicht Dein Stil. Wenn man Dir hingegen nachsagt, dass Du jeden Tag im Nadelstreifennzug zur Arbeit kommst und dass Du dir in dieser Frage absolut treu bist, dann ist das plötzlich Dein Stil. Eine Gratwanderung.

Das gesellschaftliche Umfeld wird Deinen Stil allerdings erst dann bemerken, wenn er mit besonders hoher Sorgfalt verbunden ist. Jeden Tag ins Büro zu kommen und wortlos an seinen Platz zu gehen, ist kein Stil. Jeden Tag ins Büro zu kommen und jede anwesende Person mit Handschlag zu begrüßen, kann Dein Stil werden - wenn Du es wirklich jeden Tag machst und wenn es dem Selbstzweck dient und nicht der Erfüllung einer Konvention.

Wenn Du Deinen eigenen Stil finden willst, dann suche Dir etwas, auf das Du besonders großen Wert legst - und setze dir hohe Ansprüche. Es kann Kleidung sein, aber auch Musik, Benehmen, Sprache oder Kunst. Mit dem hohen Anspruch kommt automatisch ein Infragestellen des mehrheitlich akzeptierten Mindeststandards hin zum Besseren - was irgendwann auch das Umfeld positiv bemerkt und als Dein Stil registriert.

Bunte Socken sind dafür nicht erforderlich.

Das gute Leben hat gesagt.:
Das ist genau der Knackpunkt - sich stilvoll kleiden bedeutet IMO, dass man sich mit größter Gelasseheit und Eleganz im Spannungsfeld zwischen Regeln und Regelbrüchen, Konvention und Idiosynkrasie bewegt - wobei die Regeln, um die es hier geht gesellschaftlich kaum noch bekannt sind, sondern inzwischen lediglich den sozialen Code einer (allerdings stetig wachsenden) Minderheit von Sartorialisten darstellen.

Das Spannungsfeld zwischen Regeln und Regelbrüchen existiert so nicht - weil es ein eigenes Regelwerk wäre, an das man sich wiederum halten kann. Wenn es ein mehrheitlich bekanntes Regelwerk der Kleidung gäbe, dann wäre das im Jahr 2012 der billige Anzug in Kombination mit Kurzarmhemd und geklebten Billigtretern, in den Taschen in iPhone, ums Handgelenk eine Standarduhr, darüber die böse Funktionsjacke. Die Frage nach den Mehrheitsverhältnissen ist irrelevant. Entscheidend ist, ob ich selbst damit in ästhetischer Hinsicht zufrieden bin.

Wer damit nicht zufrieden ist, bedient sich manchmal eines Bilds aus der Vergangenheit. Da werden Kleidungsstile herausgesucht, die man früher mal hatte. Obwohl diese Stile doch damals ebenso fortschrittlich wie umstritten und keineswegs durch die Gesellschaft hindurch akzeptiert waren.

Man sollte die Vergangenheit nicht derart verklären. Die meisten Menschen sind Herdentiere und betrachten Kleidung rein pragmatisch. Waren denn die vielen Menschen, die vor 100 Jahren schlicht regelkonform auf den Straßen herumliefen, stilvoller als heute? Die haben damals nur deshalb Mantel und Zylinder getragen, weil es von ihnen erwartet wurde. Würden dieselben Menschen sich heute nicht völlig mainstream-artig mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen anziehen, eben weil die Mehrheit der Menschen so herumläuft?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zusammenhangslos kommt mir eine der klassischsten Fragen wieder in den Sinn, die - ich meine auch hier in diesem Forum - jemals gestellt wurde.
Nämlich: Ob Sir Hillary auch heute noch den Mount Everest - und jetzt kommt´s - aus stilistischen Gründen (sic!) in einem Tweedjacket erklimmen würde. Die Antwort kann eigentlich nur lauten: Natürlich! In Schönheit zu sterben ist Ideal und Privileg eines jeden Edlen. Heute wie damals.

Ob man daran erkennen kann, daß Stil erlernbar sei oder vielleicht sogar erlernt werden müsse, muß sich jeder selbst überlegen...
 
Hallo,

der Beitrag ist herrlich theoretisch, deshalb möchte ich meinen Senf dazugeben. Auf die Tube und los geht es:

Ich habe erstmal recherchiert, woher der Begriff Stil kommt. Um es mal kurz zu machen, Stil so wie er in der Modewelt von den Forumsteilnehmern verwendet wird, hat wenig mit dem Begriff "Stil" in seinem ursprünglichen udn auch heute noch verwendeten Sinn zu tun.

Stil beschreibt nach meinen Begriffsverständnis in seinem engeren Wortsinn die Eigenart eines Schaffenden (Handwerker, Künstler) etc. Van Gogh hatte einen Stil, Picasso hatte einen Stil und der Schreiner um die Ecke hat auch einen Stil. Manche Stile mögen sich gleichen oder ähneln, andere wiederum nicht. Der Stil soll ein Stück weit die Individualität des Schaffenden in dem von ihm geschaffenen Produkt spiegeln. Stil ist quasi die Handschrift des Schaffenden. Eine solches Verständnis des Begriffs Stil kommt auch der ethymologischen Herkunft des Wortes nahe, denn Stil leitet sich von stulos ab, was auf alt-griechisch so viel wie Griffel (Schreibgerät) bedeutet.

Den Stil eines Schaffenden kann man selbstverständlich lernen, so lange der Künstler oder einer seiner Schüler lebt oder man das erforderliche Talent hat, sich das selbst beizubringen. Diese Art von Stil ist erlernbar. Doch darum geht es dem TE vermutlich nicht.

Kommen wir also zu der anderen Bedeutung des Wortes "Stil", im Sinne von "jemand hat Stil" bzw. kleidet sich "stilvoll". Angelehnt an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes würde das also bedeuten, dass jemand seine ganz eigene Art entwickelt, sich zu kleiden. Deshalb hat jeder Stil, der sich kleidet, entweder seinen eigenen oder einen nachgeahmten. Beides ist "mit Stil", da Kleidung m.E. stets einen individuellen Charakter hat. Deshalb kann jeder Kleidungsstil durch schlichte Nachahmung erlernt werden. Der Stilbruch führt hingegen zu einem neuen Stil des Stilbrechenden. Der Gedanke der Ästhetik bzw der Anerkennung des Stils durch andere im Wege der Nachahmung ist m.E. nicht Bestandteil des Wortes "Stil". Auch der unbekannte Maler, dessen Bilder nie verkauft wurden, hatte insoweit seinen "Stil". Nichts anderes kann für den Kleidungsstil zunächst gelten.


ABER: Eine solche Auslegung der Phrase "mit Stil" wird der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes nicht gerecht. Wenn wir sagen, jemand kleide sich stilvoll, schwingt in der Regel umgangssprachlich eine ästhetische Anerkennung mit. Stilvoll ist ein Adjektiv, in dem ein Werturteil über die Kleidung des anderen mitschwingt. Man könnte auch schlicht sagen, er kleide sich schön. Stil soll aber im Auge des Betrachters als Ausdruck mehr beschreiben; dies kann sein: die Stimmigkeit der Kleidung, die Erhabenheit, die sich aus der Kleidung für den Träger ergibt, usw.

Geht es aber um ästhetische Belange, so kann man Stil m.E. nicht lernen. Denn man kann genauso wenig Schönheit erlernen wie Gerechtigkeit etc. Denn diese Wertungsurteile setzen einen einheitlichen Wertungsmaßstab voraus. Mann kann lernen sich stilvoll im Sinne der Ansichten der überwiegenden Forumsmitglieder hier zu kleiden. Dann ist man in deren Augen stilvoll gekleidet. Aber so wenig wie es ein absolutes Bild von Schönheit gibt, so wenig gibt es einen absoluten Stil, mit dem jeder sich identifizieren kann. Denn in dem Wort Stil schwingt immer noch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes unterschwellig mit. Jemand der sich kleidet, wie James Bond, hat sicherlich Stil in den Augen derjenigen, die James Bond stilvoll finden. Es wird aber einige geben, für die diese Person nur eine schlichte Kopie ist. Erst wenn der der Stil von James Bond auf seine eigene Persönlichkeit abstimmt, wird ggf. die Menge derjenigen größer, die ihn als stilvoll gekleidet finden. Dennoch ist eine solche Aussage nur für denjenigen von Relevanz, der in den Augen anderer gefallen möchte. Denn stilvoll ist ein Werturteil, dass für denjenigen wichtig ist, der auf das Werturteil anderer Leute wert legt.

Als Conclusio halte ich fest:: Durch schlichte Nachahmung kann jeder "Stil" erlernt werden. Es gibt nicht den "Stil". Jemand, der sich gar nicht nach dem sartorialen Standard -welcher immer das auch sein mag- kleidet, kann dennoch stilvoll gekleidet sein aus der Sicht anderer Personen. "Stilvoll gekleidet" im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs ist jemand nur nach dem Werturteil eines bestimmten, nicht abgrenzbaren Personenkreises. Ein anderer Personenkreis mag zu einem anderen Werturteil im Sinne von "absolut stillos" kommen. Man kann also nicht in einem absolut verstanden Beduetungsrahmen erlenen, "sich stilvoll zu kleiden". Man kann sicherlich erlernen, sich "stilvoll" im Sinne der Forumsmitglieder hier zu kleiden. Insoweit ist Stil abhängig von dem angesprochenen Personenkreis.

Gruss
 
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