Hemd, Anzug, keine Krawatte

Hast Du mit-Praktikanten oder Buerokollegen, die Du vielleicht inspirieren kannst, auch mal Krawatte zu tragen? Analog zum Casual Friday den Tie Tuesday? Dann sieht es nicht so bescheuert aus, wenn Du der einzige weit und breit bist, der nen Kulturstrick am Hals hat. Wie schon mehrmals angedeutet, muss man sich das Standing in die eine oder andere Richtung modisch-stilistisch (oder mit Statussymbolen) abzuweichen (meist) erst erarbeiten.
 

Mich erstaunt (und erfreut) die Abneigung gegen Anzug ohne Krawatte. Hab mir selber gerade erst Hemden fuer diesen Zweck bestellt (d.h. Kragen etwas weiter nach vorne, damit es etwas besser ausschaut). Eine Kombination graue Hose oder dunkle Jeans, weisses Hemd und blauer Blazer ist auch ein guter Kandidat um, vielleicht mit Einstecktuch, das sartoriale downsizing hinzubekommen. :)
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gibts immer wieder gute Anregung, wie ein Outfit ohne Krawatte aussehen kann.


beim schnellen durchscrollen fiel mir kein Anzug ohne Krawatte auf
 
Also meine anthropologischen Studien bestätigen ebenfalls eindeutig: Je süddeutscher und je maschinenbauer, desto krawattenloser der Anzug. Über die Gründe gibt es verschiedene Spekulationen. Weitere noch nicht begründete These: Der krawattenlose Anzug ist für die Kleidung ähnlich wie der Vokuhila für die Frisur, im Sinne business upfront and party in the back. Denke bei weiterer Klarheit über den Zusammenhang Süddeutsch/Maschinenbau und Krawattenschwund wird sich auch mehr Evidenz für die Vokuhila-These finden.

Ansonsten bitte weiter im Text mit guten Ratschlägen zum satorialen Surival des Praktikums.
 
Ich bin seit vielen Jahren in dem von Dir genannten Umfeld beruflich tätig - was man trägt, hängt stark vom einzelnen Unternehmen und von den Abteilungen ab. Schreib mir doch bitte mal per PN, wo genau Du anfängst und vor allem in welchem Bereich. Vielleicht werden wir sogar Kollegen.

Es geht um ein Praxissemester während des Studiums.
Gedanken über die Kleidung mache ich mir schon - alleine wegen des ersten Eindrucks, den ich für wichtig halte.

Es ist richtig, sich über die Kleidung prinzipiell Gedanken zu machen. Kleidung im Beruf sollte nicht nur gut aussehen und einen gewissen Zweck erfüllen, sondern sendet auch ein Statement. Ob man will oder nicht.

Das von Butch Cassidy gezeigte Anzug-aber-ohne-Binder-Outfit steht ihm gut und ist sozusagen sein Markenzeichen - das hat aber überhaupt nicht den kaufmännisch-lässigen Look, den sich viele Finanzer und Strategen in der Industrie geben wollen, indem sie dunkle (formale) Anzüge ohne Krawatte tragen. Mit diesem Outfit siehst Du aus wie ein gut gelaunter und in sich ruhender Butch Cassidy in Lindau, aber nicht wie ein Praktikant in der Industrie. Das gesendete Statement ist nicht das, was Du senden willst.

Auch wenn ich jetzt studiere habe ich vorher bereits im Büroalltag gearbeitet und in der Zeit hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass die Kleidung auch (und vielleicht gerade) bei Praktikanten sehr wohl eine Rolle spielt.

Natürlich. Und sie ist eine Chance, sich an die später ohnehin übliche und erforderliche Berufstracht zu gewöhnen. Falls Du in einem kaufmännischen Umfeld arbeitest, ist das nun mal in vielen Fällen ein Hemd-Sakko-Krawatte-Umfeld, wie formal oder informal man das auch immer auslegen und gestalten will. Kleider machen Leuten und zum Glück ist das so, viele von uns sähen ohne anständige Kleidung viel schlimmer aus (mich selbst eingeschlossen).

Zum Beispiel gab es dort wo ich früher gearbeitet habe einen Praktikanten, der ohne dass es jemand erwartet hat im Anzug gekommen und dabei geblieben ist. Auch wenn der Rest in Jeans und Pulli kam. Damit hat er sich dann ins Aus geschossen.

Mag sein, aber er hat sein Ding durchgezogen. Es gibt viele Negativbeispiele, die negativer sind als dieses. Im Beruf lieber overdressed als underdressed, wenngleich natürlich am liebsten welldressed. Runter kannst Du immer noch gehen, rauf ist oft schwieriger.

Mein Vorschlag ist, dass Du in den ersten Tagen Deinen Anzug vollständig trägst (mit Krawatte) und dich nach ein paar Tagen den Gepflogenheiten anpasst. Sollten die Gepflogenheiten tatsächlich ein dunkler Anzug ohne Krawatte sein, so kannst Du diesen Gepflogenheiten durch eine Kombination aus Blazer, Tuchhose und gemustertem Hemd immer noch vollkommen entsprechen, ohne Deine eigenen Ansprüche an geschmackvolle Kleidung abzulegen. Übrigens tragen in diesen Abteilungen viele Männer auch nur deswegen diese dümmliche Zusammenstellung, weil ihnen nichts Besseres einfällt und weil dort Frauen nichts zu sagen haben. Sobald Frauen an der Macht sind, kleiden sich viele Männer auch plötzlich etwas besser.

Diejenigen Praktikanten, die in Berufskleidung deppert aussehen, sehen vor allem deswegen deppert aus, weil das Ding nicht passt und viel zu groß oder vollkommen geschmacklos kombiniert oder ungepflegt ist. Wenn Dein Anzug den hier im Forum angelegten Maßstäben genügt, dann wird er vernünftig aussehen und kann in Kombination mit einem hellblauen Hemd und einer gut gewählten Krawatte auch so formlos aussehen, dass Du keineswegs als "was Besseres" dastehen wirst als Deine Vorgesetzen, Betreuer und Kollegen.
 
Meines Erachtens ist es wenig Gedanken wert, ob mit oder ohne Krawatte am ersten Tag. Kleide Dich so wie Du Dich wohl fühlst. Wichtiger als die Krawatte ist eine gepflegte Erscheinung. Das schließt gut sitzende und saubere Kleidung ein, aber auch ein ansonsten gepflegtes Äußeres , sprich Haare, Gesicht / Bart, Fingernägel.

Wenn man sich ohnehin schon die Haare kämmt und das Gesicht wäscht, dann tut eine Krawatte auch nicht mehr weh. Wer sich mit Krawatte generell unwohl fühlt, hat ein ganz anderes Problem und sollte die Chance eines Praktikums nutzen, um diese Phobie abzutrainieren. Spätestens beim Berufseinstieg könnte das vonnöten sein.

Ein Praktikant, der schon am ersten Tag in nicht vollständiger Geschäftsbekleidung am Arbeitsplatz erscheint, könnte von mir die folgenden beiden Fragen gestellt bekommen:

1. Wo ist die Krawatte, die Sie auf dem Bewerbungsfoto und im Vorstellungsgespräch trugen, und können Sie sich daran erinnern, dass ich ebenfalls eine trug, und können Sie mir sagen, weshalb ich eine trug?
2. Kennen Sie die Geschichte von des Kaisers neuen (unsichtbaren) Kleidern?

Das Risiko, am ersten Tag Herrn Beethoven zu begegnen und sich diese Fragen anhören zu müssen, würde ich anstelle des Threaderstellers nicht eingehen.
 
1. Wo ist die Krawatte, die Sie auf dem Bewerbungsfoto und im Vorstellungsgespräch trugen, und können Sie sich daran erinnern, dass ich ebenfalls eine trug, und können Sie mir sagen, weshalb ich eine trug?
2. Kennen Sie die Geschichte von des Kaisers neuen (unsichtbaren) Kleidern?

True story. Lange her. Alter Arbeitgeber von mir, Garagenfirma, Softwareentwicklerbude.
Kandidat erscheint, wie sich das gehört, in Anzug(ähnlichem) und Krawatte zum Vorstellungsgespräch. Es läuft gut, es folgt ein Rundgang durch die Firma, die künftigen Kollegen betrachten. Es ist Sommer, die sitzen also alle in alten T-Shirts und kurzen Hosen und so rum - normal halt. An seinem ersten Arbeitstag nun kommt der junge Mann - normal halt - in T-Shirt und kurzer Hose. Die Belegschaft hatte sich aber abgesprochen, und so saßen alle 15 Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen in Anzug(ähnlichem) und Krawatte...
Leider geschehen bevor ich dort anfing, ich hätte da zu gerne das Gesicht des Kollegen gesehen. :D
 
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