bluesman528
Ruhrpotthanseat
Was wieder beweist, dass Du in modischen Kategorien denkst und nicht in ästhetischen.Den Gedanken finde ich etwas "von gestern"....
Es geht hier nicht um's Befolgen von Regeln, die irgendwelche namenlosen Stilgurus in der sartorialen Antike in den Sand gemalt haben, sondern um in 100 Jahren Anwendung entstandenen Best Practices als Gruppenerkenntnis hunderttausender. Natürlich kann man solche "Regeln" getrost ignorieren, aber was man dann bekommt, ist keine neue Best Practice, sondern nur eine vorgebliche Bohemien-Protesthaltung, die in den 60ern/70ern eine gesellschaftliche Relevanz hatte, aber heute nur noch eine hohle Pose gegen das Abziehbild des eingebildeten Konservativen ist. Einfach nur sozial akzeptierter Dilettantismus.
Kurz: Das Weglassen der Krawatte zu einem Geschäftsanzug hat nichts mit Kleidung zu tun oder mit Gut-Aussehen-Wollen, sondern nur mit der schwachen Demonstration, nicht zu einer "uncoolen" Gruppe gehören zu wollen. Oder schlimmer, man hat sich gerade das gegriffen, was auf dem Kleiderberg oben lag und da war halt keine Krawatte dabei. Das ist kein revolutionärer Geist des Aufbruchs, es ist nur feige bis langweilig.
"Die da oben" ist ja auch nur eine kleinbürgerliche Vorstellung, die es in der Realität so gar nicht gibt. Die Kleinbürgerlichkeit in den Köpfen ist ein allgemein menschliches Phänomen und hat nichts mit sozialen Schichten zu tun. Deswegen ja, die Kleinbürger da oben sind auch nicht besser als die Kleinbürger da unten.Gerade sartoriale Kleidung wird von "denen da oben" schon lange nicht mehr hoch gehalten. Denn die da oben sind jene die Krawatte als erstes fallen lassen.
Genau. Ich hätte es lieber anders, flächendeckender, aber ich beschwere mich nicht. Jeder setzt im Leben andere Akzente.Den vollen und ständigen Umfang der Kultur feiner Herrenbekleidung sieht man doch nur noch in kleinen elitären Kreisen, und einer gewissen Second Hand Liebhaber Gruppe.
Dann tue es doch einfach, wovor hast Du Angst? Nicht mehr zeitgemäß? Auch das ist nur eine modische Betrachtung und keine ästhetische. Selbst wenn man den Begriff Mode ernst nimmt: Die Mode ist doch allgemein schon seit einigen Jahren tot, sie hat keine Relevanz mehr, weil sie alles umfasst. Jeder kann heute das meiste, was in den letzten 50 Jahren geschaffen wurde, tragen, ohne dass man ihm vorwerfen könnte, unmodern zu sein, egal, was er/sie trägt, für alles gibt es eine kleine geschlossene Untergruppe, in der man automatisch aufgeht. Der Begriff der Modernität weist lediglich all diesen Untergruppen immer wieder wechselnde Größenordnungen von Coolness in der zeitlichen Abfolge zu wie Scheinwerfer, die immer wieder andere im Rampenlicht stehen lassen. Vermutlich ist es mittlerweile so profitabler für die Textilindustrie.als sich an einem nicht mehr zeitgemäßen Accesoir aufzuhängen....und das sage ich als jemand der sehr gerne Krawatte trägt und auch gern mal Krawatte tragen würde wenn ich es beruflich nicht müsste....
Selbst wenn man den modischen Aspekt als wichtig betrachtet, eigentlich geht es auch in diesem Kontext nicht mehr darum, modern zu sein, sondern seine Untergruppe zu finden und authentisch darzustellen. Von gestern zu sein kann auch Avantgarde bedeuten und umgekehrt, es hat keine Bedeutung mehr.
Das versteht sich von selbst, aber der ästhetische Sinn einer Krawatte liegt doch klar auf der Hand und ist hier und anderswo schon hunderttausend Mal besprochen worden. Dass das nicht alle mitbekommen haben, ist ja nicht meine Schuld. Und immer wieder Grundlagen in aller Breite zu besprechen, wenn wieder mal ein Anfänger die gleiche Frage stellt, mündet nun mal häufig in einer Verkürzung, die dann ohne diesen Hintergrund wie ein nicht zu hinterfragendes Axiom klingt. Das liegt in der Natur von Foren."Das macht man nicht" ist keine gute Antwort.
Wenn jemand wirklich wissen will, wie ein (Freizeit-)Anzug ohne Krawatte getragen wird, braucht er auch keine Foren. Er muss sich einfach nur Jep Gambardella anschauen. Wirklich freizeitliche Kleidung benötigt halt auch Freizeit, um authentisch zu wirken. Im Board-Meeting ist es daher immer etwas fremd.