Gianni Lovadina - ein reisender Schneider

Dann mal in Langform

Sakkostoff ist folgender:
https://www.batemanogden.co.uk/Product/AA1
Sehr sehr weich, würde man gar nicht erwarten, aber dennoch robust, schwer und widerstandsfähig
Hosenstoffe sind high twists von Standeven, charcoal grey und dark chocolate:
Sind in Echt ein wenig dunkler als auf der Website
https://www.standevenfabrics.co.uk/bunches/explorer/
Hemdenstoffe sind von SIC Tess und Monti
Alle natürlich von @camez_

Erstmal zum Sakko:
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Passform ist Spitze, gefällt mir sehr gut. Auch in der Verarbeitung keine Beschwerden. Ich habe ungefüttert bestellt und Gianni ein Beispiel gezeigt. (Ich trage gerne ungefüttert, ob Winter oder Sommer.) Er hat dann für mich ein gemustertes Innenfutter ausgesucht. Das Teil gefällt mir von allen Sachen am besten. Er hat mir auch noch erklärt, wie das Canvassing beim Ungefütterten verläuft.

Dann zu den Hosen:
Die Stoffe gefallen mir gut. Passform ist gut, aber kann man bestimmt noch ein bisschen verbessern, vor allem am Fuß. Verarbeitet ist die Hose ordentlich. Schönes Detail ist der Knopf an den Umschlägen, damit man diese besser bügeln kann. Vor allem obenrum, wo ich öfters mal Probleme habe mit Hosen, weil die Oberschenkel zu dick sind, passt alles gut. Ich habe ihn gebeten, den Bund "molto alto" zu machen, ich würde ihn aber eher als mittelhoch bezeichnen. Da geht auf jeden Fall noch ein bisschen was. Die Stoffe sind ordentlich, würde ich auch jederzeit wieder nehmen.
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Dann zu den Hemden:
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Sehr schöne Verarbeitung. Er kopiert ein passendes Hemd, was ich ihm mitgegeben hatte. Dazu habe ich ihm gesagt, er soll ein bisschen mehr Platz bei den Armen hinzugeben. Das hat alles bestens geklappt und die Handarbeit inklusive Knopflöcher und Knöpfe mit Steg ist sehr schön ausgeführt. Ich hatte einmal button down und einmal einen semi spread (ungefähr) bestellt, leider wurden die beiden Stoffe genau vertauscht. Ist aber nicht weiter schlimm. Die Manschetten sind deutlich weiter geworden, als beim Hemd, was ich ihm mitgegeben hatte. (Lasse ich einfach hier von der Änderungsschneiderin ändern, dass die Knöpfe ein bisschen eingerückt werden, nicht perfekt, aber passt.) Das, habe ich ihm aber gesagt, soll er beim nächsten mal enger machen. Die Stoffe sind sehr schön. Die kann ich nur weiterempfehlen.

Alles in allem eine sehr schöne Erfahrung. Man bekommt hier viel geboten für sein Geld. Gestaltungsmöglichkeiten überlegt man sich am besten schon vorher, Gianni fragt nämlich nicht alles nach, sondern macht lieber. Ich werde auf jeden Fall dabei bleiben und die nächsten Projekte sind schon in Überlegung, auch wenn die Umsetzung leider noch warten muss. Zum nächsten Winter hin soll noch ein Mantel dazu kommen und zwischendurch ein bis zwei Anzüge und oder Sakkos, vielleicht auch noch die ein oder andere Hose. Je nachdem, was der Geldbeutel zulässt. Hemden kommen nach Bedarf hinzu, aber die hole ich auch gerne mit Angebotsstoffen bei Munro, was preislich dann nur halb so viel kostet. Sollte @camez_ aber wieder Shirtings anbieten und ich nicht widerstehen kann, ihm welche abzunehmen, kommen bestimmt auch noch Hemden dazu.

Als Abschluss auch noch ein riesiges Dankeschön an @camez_ ohne den dieser Kontakt nicht zu Stande gekommen wäre. Und als letztes Bild lasse ich euch noch den Panettone da, den Ricky(der Übersetzer) und Gianni mir dagelassen haben, damit auch der Beweis, dass es italani veri sind. :p
Ganz toller Bericht und sehr gelungenes Ergebnis. Der Hinweis, dass man sich über die Gestaltung vorher klar werden sollte, ist sehr wichtig auch in Anbetracht der Tatsache, dass gute Schneider ihre eigenen stilistischen Vorlieben bei der Fertigung haben. Ein eher „mailändisch“ arbeitender Schneider wird z.B. gerne zu mehr Struktur im Innenleben tendieren (zu einem relativ schweren Hopsack wie hier ist das sicher auch nicht verkehrt) und dagegen sollte man auch nur sehr behutsam ankämpfen. Das gute Ergebnis spricht ja auch für sich.

Ich hätte übrigens grundsätzlich ein volles Futter genommen, erst mal für den gleichmäßig guten Sitz in Bewegung, aber auch damit man z.B. einen gemusterten Futterstoff in voller Pracht sieht. ;)
 
Ich hätte übrigens grundsätzlich ein volles Futter genommen, erst mal für den gleichmäßig guten Sitz in Bewegung, aber auch damit man z.B. einen gemusterten Futterstoff in voller Pracht sieht. ;)
Ich mag gemusterte Futter sehr gerne, aber bei vollem Futter erschlägt es mich dann selbst manchmal ein wenig, wenn es komplett gefüttert ist. Außerdem kann ich so besser die Arbeit des Schneiders begutachten, was gerade in diesem Fall sehr interessant ist. :D
 
Der Hinweis, dass man sich über die Gestaltung vorher klar werden sollte, ist sehr wichtig auch in Anbetracht der Tatsache, dass gute Schneider ihre eigenen stilistischen Vorlieben bei der Fertigung haben. Ein eher „mailändisch“ arbeitender Schneider wird z.B. gerne zu mehr Struktur im Innenleben tendieren (zu einem relativ schweren Hopsack wie hier ist das sicher auch nicht verkehrt) und dagegen sollte man auch nur sehr behutsam ankämpfen. Das gute Ergebnis spricht ja auch für sich.
Um hier auch nochmal anzuknüpfen, da die Frage mir gestellt wurde, wie viel Einfluss man auf Giannis Arbeit nehmen kann oder er zulässt:
Sicherlich mehr, wenn man gut Italienisch spricht. Und es ist sicherlich immer noch deutlich begrenzter als beim deutschen Maßschneider.
Mein Italienisch ist sehr begrenzt, da ich es mir nur fix in diesem Jahr selbst beigebracht habe. Details besprechen geht da nur so rudimentär, small talk geht aber.

Ich kann es Mal von mir berichten, ich habe mir vorher die entsprechenden Begriffe rausgesucht, und ihm das dann gesagt. Er hat beim Revers zum Beispiel nur zwischen "largo" und "piccolo" unterschieden, genaue Maßangaben habe ich ihm nicht gegeben. (Das hier gezeigte ist largo, weit also) und sonst habe ihm ihm nur gesagt Taschen aufgesetzt und fallendes Revers, 3 Roll 2 und besagte weiche Schulter. Bei der ersten Anprobe hat er dann noch ein bisschen gefragt, ob die Länge an einigen Stellen passt. Nach der Knopfanzahl an den Ärmeln hat er bspw. nicht gefragt, hätte ich ihm aber nennen können. Das Futter habe ich auch erst noch nachträglich so bestellt, weil ich nicht dran gedacht hatte. War kein Problem, sollte einem aber lieber nicht zu spät einfallen.

Genauso bei der Hose, alle Begrifflichkeiten schon rausgesucht. Schräge Taschen vorne, keine hinten, Knöpfe anstatt Reißverschluss, Seitenversteller, hoher Bund, zwei Bundfalten nach außen, Umschlag (Höhe davon hat er noch gefragt).

Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, meinte er, er freut sich, dass ich genau weiß, was ich möchte, weil es sonst immer schwieriger für ihn ist. Bilder können bestimmt helfen, ich hatte noch das Bild aus dem Faden hier vom grünen Sakko vorliegen.

Ich würde empfehlen, ihn einmal machen zu lassen mit ungefähren Vorgaben und dann bei weiteren Bestellungen ihn zu fragen, ob er noch weiter in andere Richtungen anpassen kann. So werde ich es zumindest machen. Vielleicht kann ja noch jemand berichten, der nur über den Übersetzer bei ihm bestellt.
 
Ich würde empfehlen, ihn einmal machen zu lassen mit ungefähren Vorgaben und dann bei weiteren Bestellungen ihn zu fragen, ob er noch weiter in andere Richtungen anpassen kann.
Ich glaube, das sollte man deutlich rausstellen: im Zweifelsfall machen lassen. Trotz Forenwissen, Erfahrung etc. stehen die Chancen n:1 dass er der kompetentere Fachmann ist. Und ganz schlimm, v.a. bei ersten Projekten, "hier habe ich alle Optionen, also hau ich mal so richtig auf die Kacke".

War das eine Leseempfehlung hier im Forum wo ich von einem Schneider und einem Immobilienmenschen gelesen habe die sich unterhielten woran man einen relativ teuren Anzug und eine relativ teure Immobilie erkennt? Ergebnis: daran dass es bescheiden aussieht. Weil Leute mit vielen Optionen und deutlich mehr Geld als Kompetenz ihre Designvorstellungen umsetzen. Auch das ist eine wichtige Fähigkeit: wissen wann man sich auf Experten verlassen sollte (spoiler: generell viel eher als man selbst glaubt).

Dann beim 8. Anzug, wenn ich die üblichen Verdächtigen abgedeckt habe, kann ich auch mal auf die Kacke hauen, wenn mir danach ist.

N.H.
 
Ich glaube, das sollte man deutlich rausstellen: im Zweifelsfall machen lassen. Trotz Forenwissen, Erfahrung etc. stehen die Chancen n:1 dass er der kompetentere Fachmann ist. Und ganz schlimm, v.a. bei ersten Projekten, "hier habe ich alle Optionen, also hau ich mal so richtig auf die Kacke".

War das eine Leseempfehlung hier im Forum wo ich von einem Schneider und einem Immobilienmenschen gelesen habe die sich unterhielten woran man einen relativ teuren Anzug und eine relativ teure Immobilie erkennt? Ergebnis: daran dass es bescheiden aussieht. Weil Leute mit vielen Optionen und deutlich mehr Geld als Kompetenz ihre Designvorstellungen umsetzen. Auch das ist eine wichtige Fähigkeit: wissen wann man sich auf Experten verlassen sollte (spoiler: generell viel eher als man selbst glaubt).

Dann beim 8. Anzug, wenn ich die üblichen Verdächtigen abgedeckt habe, kann ich auch mal auf die Kacke hauen, wenn mir danach ist.

N.H.
Wenn man klar formulieren kann, was man will, steigt die Chance, dass man bekommt, was man möchte, aber ja, es lohnt nicht, zu sehr ins Detail zu gehen, man sollte nur die Richtung vorgeben. Im Idealfall hat man auch schon ähnliche Arbeiten des Schneiders gesehen, die in die Richtung gehen, in die man selber möchte. Man sollte einen Schneider nie in eine Richtung drängen, die seiner Arbeitsweise fremd ist, und man sollte auf gar keinen Fall auf Zentimeter-Ebene micromanagen. Gerade bei Bespoke gibt es noch reichlich Möglichkeiten zur Diskussion am Objekt während der ersten beiden Anproben.

Als ich das erste Mal zu Sebastian Hoofs ging, habe ich eine Reihe von Bildern mitgebracht, meist Detailaufnahmen von Anzügen von Camps de Luca aus dem Netz, um halt meinen Wunsch für ein prägnantes Fishmouth-Revers in Verbindung mit einer kräftigen Roped Shoulder zu unterstreichen, aber eben auch ein Bild einer Arbeit von ihm, wo er genau das (mit schmalerem Revers, als ich es wollte) selbst gefertigt hatte. Mir war also klar, dass das grundsätzlich in seine Art zu arbeiten passt und auch eine Stilrichtung ist, die ihn selber inspiriert.

Wenn man gar nicht formuliert, was man will, und alles dem Schneider überlässt, bekommt man im Zweifel, was der Schneider immer routinemäßig macht, egal, ob's zu einem passt oder nicht. Nichts gegen Experten, aber das kann auch an den eigenen Vorstellungen (die man immer zumindest in diffuser, unterentwickelter Form hat, auch wenn man sie nicht artikulieren kann) vorbeigehen. Dabei ist auch zu beachten, dass alle Vollmaßschneider gute Handwerker sind, aber nicht alle gute Designer.
 
Vielleicht bin ich da übertrieben rübergekommen. Ich wollte mitnichten sagen man solle zum Häuslebauer gehen und sagen „hier sind 2 Millionen, mach mal“. Grobe Vorstellungen, Bereitschaft sich belehren zu lassen, punktuell auch keine Verhandlungsneigung. Du hast das mit „nicht im Zentimeterbereich micromanagen“ gut ausgedrückt.

N.H.
 
Dabei ist auch zu beachten, dass alle Vollmaßschneider gute Handwerker sind, aber nicht alle gute Designer. => Exakt!
 
Ich hätte auch Lust, evtl. würde Gianni den ICE-„Katzensprung“ nach Berlin ja sogar auf sich nehmen. Ich schaue mal, ob sich hier noch mehr Interessenten finden.
@Articus vielleicht?
 
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