Ich glaube ähnlich wie DGL, dass Stil eine Mischung aus beidem ist. Der Vergleich mit einer Sprache ist sicher nicht so falsch: Man kann eine "fremde" Sprache erlernen bis zur Perfektion, es ist nur schwerer und unwahrscheinlicher, als wenn man schlicht die eigene spricht. Zugleich gibt es Naturbegabungen, die das spielend schaffen und solche, die sich sehr schwer tun. Also mE eine Mischung aus Genen und eigenem Dazutun.
Bezüglich des "Oberschichten"-Habitus möchte ich eine Beobachtung teilen. Ich bin in einem Bezirk zur Schule gegangen, den man wohl auf Englisch als "the right side of the railroad tracks" bezeichnen würde. Meiner Erfahrung nach haben die Kinder der Oberschicht nur wenig mehr Stilempfinden oder "Stil" oder "Benehmen" oder "Gentlemanhaftigkeit" als die der Mittelklasse. Was sie ausmacht, ist die Kleidung, an der sie sich erkennen (PRL, TH, Timbis), die Clubs, in die sie gehen (und die gemeinsame Fähigkeit, dort flaschenweise Wodka zu kaufen), das gemeinsame Fahren in die Skiferien nach St. Moritz, die gemeinsamen Stunden beim Hockey, die gemeinsame Vorliebe für tolle Autos (und die Möglichkeit, dieser Vorliebe zu frönen). Ganz wie andere soziale Kreise eben auch hat man einen gemeinsamen Erfahrungsschatz und einige soziale Erkennungsmerkmale. Die sind natürlich "irgendwie upper-class", aber haben eben gerade nicht viel mit Stil zu tun, sondern eher mit der Fähigkeit, bestimmte, mitunter stilvolle, mitunter weniger stilvolle, Dinge gemeinsam zu tun. So erkennt man sich auch später wieder. Nicht zuletzt bringen die Kinder ein ganz großes Selbstbewusstsein mit und einen Sinn dafür, dass ihnen ein guter Platz im Leben gebührt. Solche Dinge sind es wohl eher, an denen "man" sich erkennt, später im Berufsleben. "Stil" würde ich da jetzt nicht unbedingt nennen, auch wenn natürlich eine gewisse Vorliebe für klassische Mode erkennbar ist: Für mich sind weder Pferdchenpolos noch Bootsschuhe per se stilvoll. In diesem Kontext bilden sie vielmehr "einen" Stil, oder besser einen Style ab, den man nämlich früher "Popper" genannt hat.