Wissenschaft ist der Prozess von ante zu post zu gelangen. Und ja, hinterher ist man immer schlauer, damit ist der aktuell beste Stand aber immer noch der aktuell beste Stand den man hat, und es gibt keinen vernünftigen Grund sich nicht nach dem zu richten.
Nein. Man hat sich (anfangs) nach den besten verfügbaren Informationen gerichtet und solides Risikomanagement betrieben. Ich sehe keine Alternative zu dem Vorgehen, alles andere ist erstmal Wunschdenken („Ich wünsche mir dass der aktuelle Stand falsch ist“). Und das sollte nicht Grundlage von Entscheidungen sein.
Die Informationen müssen aus der Wissenschaft kommen. Und zwar von der größten übereinstimmenden Gruppe. Ein Laie kann da nichts beurteilen was den Experten entgeht. Denn die führen den Disput bestmöglich und sollten sich mehrheitlich hinter der besten (nicht: einzig möglichen) Version versammeln. Also: Drosten, nicht Streek. Mit mehr Daten kann sich die Version ändern. Mit diesen Informationen müssen die Politiker dann, unter Einbeziehung aller möglichen anderen Aspekte, Entscheidungen treffen und auf die Erkenntnislage reagieren.
Ich sehe keinen alternativen Prozess der sinnvoll wäre.
N.H.
Natürlich wird im Nebel gestochert wenn der beste Stand Nebel ist. Aber dann stochert man lieber im bestmöglichen Nebel. Und betreibt Risikomanagement (das Risiko nämlich dass man falsch liegt. Daher lieber Hilfslazarette vorbereiten die man paar Wochen später wieder abrüstet).Tja, dann haben wir wohl unterschiedliche Realitätswahrnehmungen. Dass man teilweise im Nebel gestochert hat räumen ja die Akteure einschließlich des Gesundheitsministers selbst ein. Ist aber ohnehin eine müßige Diskussion.
Das gilt für genau 100% der Wissenschaft. Bis auf Mathematik.Ja ja, wir befinden uns auf dem neuesten Stand des Irrtums
Du bist eben hoffnungslos altmodisch und (als Informatiker!) pre-Internet.Dieses „Ich habe mit Mühe die Volksschule geschafft, bin aber sicher die weltweiten Spitzenfachleute irren. Lass mir meine Meinung, die ist genauso berechtigt!“ ist einfach unfassbar.
Es gibt anerkannte Methoden zur Risikobeurteilung, insbesondere für Schadstoffe. Ist Teil meines Jobs.Verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich beobachte aktuell eine (rapide) zunehmende Tendenz Wissenschaft als "Glaubenssache" zu deklarieren. Das ist nicht nur völliger Unsinn, sondern geradezu gefährlich, und im positiven Fall auf fehlendes Wissen was Wissenschaft ist oder fehlende intellektuelle Möglichkeiten der entsprechenden Personen zurückzuführen. Oft genug unterstelle ich Bösartigkeit, aber das bin sicher nur ich.
Natürlich ist Risikomanagement keine Glaubensfrage, es tendiert stark in Richtung Wissenschaft. Darüber, wie Wissenschaft, wie Erkenntnisgewinn funktioniert, gibt es recht fundierte Theorien und Mechanismen, in einem funktionierenden Wissenschaftssystem ist eigentlich nichts beliebiges, und übrigens auch sehr wenig korrumpierbares.
Dass natürlich Menschen, und auch Wissenschaftler in ihrem Bereich, nicht so rational faktenbasiert sind wie es ideal wäre ist eine Binse. Auch die Quantentheorie hat sich durchgesetzt weil die Vertreter der Alten Lehre ausgestorben sind und nicht weil sie sich haben überzeugen lassen, aber nicht unwichtig: sie HAT sich durchgesetzt.
Ein wichtiges Element von Wissenschaft ist: Daten und Beweise führen, ändert sich die Datenlage dann ändert sich die Bewertung, und man erhält ein besseres, genaueres Bild der Lage. Das ist selten Heureka-artig sondern ein langwieriger Prozess, in dem die Situation abgeklopft, geschärft und in ihrer Bewertung diskutiert wird. Aber am Ende steht eben entweder eine neue Theorie, oder die alte steht auf wieder etwas festeren Füßen. Wissenschaft ist immer nur der beste gegenwärtige Stand der Dinge, nie die Absolute Wahrheit. Durch neue Erkennt+nisse wird der alte Stand nicht "unwahr", sondern bleibt der zu seiner Zeit gültige, beste, "wahre" Stand.
Und den Stand der Erkenntnis zu verbessern, zu verändern, ist entgegen landläufiger Wahrnehmung auch keine Niederlage, sondern ein Sieg (was ist Drosten nicht vorgeworfen worden dass er seine Bewertungen geändert hat. Was haben Politiker sich nicht schwergetan ihre Bewertungen zu ändern...).
Bogen zurück zum Risikomanagement: es gibt anerkannte Methoden das zu handhaben. Dass das Ergebnis nicht die Absolute Ewig Gültige Wahrheit ist invalidiert das nicht. Und Teil des Risikomanagements ist dass ein kontinuierlicher Prozess ist, der im Laufe eines Projektes fortlaufend die Risiken analysieren und (neu) zu bewerten hat.
N.H.
Ich weiß jetzt nicht ob Du Jura oder Architektur meinst, aber bei 150 Jahren habe ich… Zweifel. Eine der jüngsten ernst zu nehmenden Disziplinen überhaupt wäre Chemie[1], und die hat die 150 Jahre knapp geschafft (Periodensystem 1869: davor war Alchemie, nicht Wissenschaft).Das ist die juristische Bibliothek der Uni Zürich. Du kannst beruhigt davon ausgehen, dass da und anderswo seit 150 Jahren nicht nur Dünnbrettbohrer und Flachzangen zugange sind.
Keine Ahnung, welche Maßstäbe Du an "ernstzunehmende Disziplinen" und "wissenschaftliche Systematik" anlegst, aber selbst das BGB trat nach etwa 25 Jahren Vorbereitungen mit dem 01.01.1900 in Kraft. Also dieser immer noch aktuelle Klassiker kommt allein schon auf 150 Jahre. Es gilt insbesondere auch strukturell als eine der gelungensten, bedeutendsten Arbeiten der (menschlichen) Geistesgeschichte.
Da reden wir noch nichtmal von Kant, Hegel, Hobbes (der übrigens gelernter Mathematiker war), Bentham oder Rousseau.
Die ersten, heute als modern geltenden Verfassungen sind vom Ende der 18. Jahrhunderts und haben nun auch schon deutlich über 200 Jahre auf dem Buckel.
Medizin, Recht und Theologie sind, den menschlichen Urbedürfnissen folgend und dienend, die ältesten Disziplinen überhaupt, natürlich retrospektiv über Jahrtausende mit großteils abenteuerlichen Ausprägungen.
Das war natürlich, bevor der Strom entdeckt wurde und alle brillanten Köpfe in die MINT abgewandert sind ;-)