Brexit

Die Rolle der Briten in der EU habe ich nie verstanden. Seit Jahren haben Sie eine Politik gegen die EU gemacht und für Ausnahmen und Sonderrechte gekämpft. Die Entscheidung der Bürger ist nur die konsequente Folge diese Politik.
 
"Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit dem durchschnittlichen Wähler."
"Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“
Beides schließt sich ja nicht gegensaitig aus, es zeigt halt, dass man die Ermittlung des Volkswillens in einer Demokratie geeignet balancieren und stabilisieren muss und die bewährte Form dafür ist nun mal die parlamentarische Demokratie.

Auch wenn diese Ansicht nachvollziehbar ist, befürchte ich, dass sie auf Dauer nicht funktioniert.

Wir haben meines Erachtens derzeit keine Krise der Demokratie, sondern eine Vertrauenskrise des Parlamentarismus. Ein zunehmender Teil des Volkes glaubt den gewählten Vertretern nicht mehr, dass diese mehrheitlich in ihrem Sinne handeln und sucht nach Alternativen, die vom Establishment als ungerechtfertigt dargestellt werden. Beispiele dafür gibt es mittlerweile mehr als genügend: Pegida, Trump, jetzt Brexit um nur einige zu nennen.
Das sehe ich wie Du. Für mich ist das aber auch eine weitere Ausdrucksform von modernem Infantilismus im Sinne kindlicher Trotzphasen.

Es gab turbulente demokratische Zeiten in der Vergangenheit, wo zurecht mit Herzblut gestritten wurde, weil es tatsächlich um die Verbesserung der Verhältnisse in Richtung einer menschenwürdigen Lebensführung für die Mehrheit der Bevölkerung ging, die ihr von einer kleinen Minderheit, die den Rahm abschöpfte, verweigert wurde.

Heutzutage haben wir im Vergleich dazu weitgehend gesicherte Verhältnisse, aber dafür ein undurchschaubares Dickicht verschiedenster Partikularinteressen, die lautstark auf Kosten der Allgemeinheit durchgesetzt werden sollen. Und wenn das nicht funktioniert, kommt sofort die generelle Verweigerungshaltung mit Fußaufstampfen. Menno, wieso kann ich meine Fischgründe nicht überfischen, wie ich es will, Menno, warum dürfen hier irgendwelche Fremden mir die Jobs wegnehmen, die ich eh' nie machen würde, verdammte Politiker, korruptes Pack, die machen alle einfach nicht, was ich will. :rolleyes:

Vor allem ist die Konsumhaltung auffällig. Da es keine lebensbedrohende Not gibt, existiert auch kein engagiertes Eigenbemühen um Information, die Meinungsbildung soll möglichst vorgefertigt frei Haus geliefert werden, damit man nicht dabei gestört wird, in der Glotze mit Deutschland (setze hier jedes beliebige Land ein) den Superstar zu suchen. Sinkende Wahlbeteiligung, wenig Interesse und Wissen um gesellschaftliche Vorgänge gelegentlich unterbrochen von quasi-religiösen Missionierungsattacken von selbsterklärten moralisch Überlegenen (Umwelt, Ernährung), klar weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten sind vollzeitberufstätig und damit an den Funktionsmechanismen der Wirtschaft nachhaltig interessiert, eigentlich ist es keine Krise des Parlamentarismus, sondern eine der demokratischen Meinungsbildung. Dafür gibt es ja nicht mal eine App. ;)

Die Lehre muss heißen, dass auch der Wissende, seine Argumente eben volkstauglich präsentieren muss. Wir tun uns als Land der Dichter und Denker mit dieser Sichtweise und unserer Historie heute sehr schwer, aber es kommt eben auch auf die Verpackung an. Wem das besser gelingt, der wird die einfachen Leute besser erreichen.
Unbeschränktes Nachgeben gegenüber dem Populismus als Lösung? :)

Ich glaube, dass es nach wie vor besser ist, die Vernunft und die Argumentation ins Zentrum der politischen Meinungsbildung zu stellen statt den simplen Parolen den Ritterschlag der Diskussionswürdigkeit zu erteilen. Das darf man dann auch mit der nötigen Schärfe öffentlich darstellen. Aber mit Trump/AfD/Johnson/... in einen Schlammschlachtwettstreit einzutreten ist nicht nur würdelos, sondern macht den Kampf auch zum Heimspiel für die Demagogen. Ich glaube, dass das in der britischen Brexit-Debatte auch schon so versucht wurde und eben auch gnadenlos daneben ging.
 
Oben