Brexit

Harte Worte die nach meiner Meinung in ein Forum mit Stil nicht passen.
Pöbel ist natürlich proteus-typisch hartgespült :), aber was er vermutlich meint und womit er richtig liegt, ist, dass hier über ein komplexes und facettenreiches Thema öffentlich abgestimmt wurde, das die meisten Abstimmenden in der Tiefe intellektuell und von ihrem Erfahrungshorizont her weit überfordert hat. Diesen Leuten kamen dann - wie auch in anderen Ländern nicht unbekannt - die Demagogen "zu Hilfe", indem sie durch dumpfe Parolen zwischen unzulässiger Vereinfachung und dreister Lüge das Wahlvieh in die Richtung drängten, das ihren eigenen Karriereplänen in die Karten spielt.

Wenn man sich anschaut, dass ein Boris Johnson erst im letzten August plötzlich zum Turbo-Brexiter mutierte, als er merkte, dass das ein Thema war, mit dem er Cameron zum eigenen Vorteil absägen konnte, dann ist ja ziemlich klar, dass hier ein paar Oxbridger ein zynisches Debattierclub-Spielchen mit der Dummheit und der Senilität der einfachen Leute getrieben haben ohne Rücksicht auf die Interessen ihres Landes.
 
Am Ende wird es wohl auf EFTA oder das Schweizer Modell hinauslaufen. Am großen Kladderadatsch kann ja keiner Interesse haben.
Das hängt von den Bedingungen ab, die die EU daran knüpft. Wenn GB jetzt eine Quasi-Mitgliedschaft ohne jegliche Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft aushandeln sollte (was sicher die Hoffnung ist), wäre das für die EU-Mitglieder ein fatales Signal. Das werden die großen EU-Länder auch nicht zulassen, dafür ist schon die historisch gewachsene Verärgerung gegenüber den britischen Politikern zu groß.
 
Ich bin der Überzeugung, dass die eigentliche Debatte in GB erst jetzt einsetzen wird.

Schaut man sich die Reaktionen nach der Entscheidung an, dann scheinen (zu)viele erst jetzt zu bemerken, welche Konsequenzen diese Entscheidung hat. Neben dem Klärungsbedarf mit der EU halte ich jedoch die drohende Auflösung Großbritanniens für bedeutend schwerwiegender.

Die Unterschiede im Wahlverhalten der einzelnen Volksgruppen ist beträchtlich und ein Austritt Schottlands und Nordirlands würde die Situation für England massiv verschärfen. GB steht vor der Spaltung.

Zudem hat bereits eine Vielzahl von Parlamentariern angekündigt, nicht für die Aufnahme von Austrittsverhandlungen zu stimmen und die Brexit-Befürworter rudern bei zentralen Wahlversprechen bereits merksam zurück.

Bis dahin wird das Pfund noch einige Federn lassen und Einkäufe in UK werden tatsächlich endlich einmal wieder günstiger. Ich freue mich schon auf den nächsten Sale bei Cheaney, etc.

Ich glaube, dass sich am Ende nichts ändern wird. es wird Neuwahlen geben, bei denen sich nicht die LEAVE Befürworter durchsetzen werden, sondern im Gegenteil diejenigen, die für einen Verbleib in der EU eintreten.

Leider werden es bis dahin sehr unruhige Zeiten sein, vor allem für GB, aber auch für Europa. Putin und die Amerikaner dürfte es freuen, dass sich die Europäer mal wieder selbst bekriegen ...
 
Pöbel ist natürlich proteus-typisch hartgespült :), aber was er vermutlich meint und womit er richtig liegt, ist, dass hier über ein komplexes und facettenreiches Thema öffentlich abgestimmt wurde, das die meisten Abstimmenden in der Tiefe intellektuell und von ihrem Erfahrungshorizont her weit überfordert hat.

Intellektuell sicherlich, aber beim Thema Erfahrungshorizont wäre ich mir nicht so sicher. Die Brexit-Befürworter scheinen vor allem derjenigen Generation anzugehören, die GB noch vor der EU-Mitgliedschaft erlebt hat. Für so unerfahren halte ich diese Gruppe nicht. Eher für naiv im Hinblick auf die realistischen Konsequenzen der jeweiligen Optionen. Denken diese 52% denn tatsächlich, dass GB zu seiner alten Größe und Stärke zurückfindet, wenn man die Bündnisse auf den Stand von vor 1973 zurückdreht?
 
Genau das trifft den Punkt. Wie Bluesman und einige andere richtig bemerkten, haben die meisten gar nicht gewusst, WAS sie überhaupt mit Ihrer Wahl beschliessen. Zentrales Thema war eine diffuse "Einwandererdebatte", wobei es sich zum Großteil um Hilfsarbeiter aus Polen, Rumänien usw. handelt, die genau jene Arbeit machen, die - wie in Deutschland auch - von den Einheimischen nicht gemacht werden will.

Natürlich spielte eine gehörige Portion "Empire" und "Zurück zu alter Größe" eine Rolle, die EU war für die Briten immer schon ein Haufen regelwütiger Beamter.
Der Mob, der sich am vehementesten für den Ausstieg einsetzte - ehemalige Bergarbeiter, Rentner der Stahlindustrie, linke Gewerkschaftler, überproletarisierte Dumpfbacken - waren dieselben, die das Land schon in den 70ern fast wieder in die Steinzeit gestreikt hatten. Und natürlich die Landbevölkerung, die London City sowieso hasst. Also mit anderen Worten, die gleiche Klientel, die hier auf der Strasse gegen Ausländer demonstrieren, obwohl in Ihren sächsischen Miniaturdörfern gar keine wohnen, die aber genügend Zeit haben, weil Ihnen Harz4 ein sorgenfreies Leben ermöglicht.

Cameron hat gezockt, hat sich verzockt und Johnson, der eigentlich nur Flurschaden anrichten wollte, hat erschreckt festgestellt, das er gewonnen hat.
Der als Premier, dagegen ist Trump ein intellektuelles Highlight.

Zudem handelte es sich um ein Referendum, nicht um eine Volksabstimmung. Wie eine Regierung so dämlich sein kann, unfassbar. Gestern bereits wurden die ersten 2000 Jobs in der City gestrichen.

Was die anderen Gründe betrifft. Die Einkommensteuer, das Wetter, die Anbindung, Ruhe und soziales Umfeld. Hier wohnen im Übrigen keine Russen, deren Quote ist auf gefühlte 1% begrenzt, die dürfen nichts kaufen, nur mieten.
 
Wohin bist du denn diesmal ausgewandert, proteus? ;)

Ich kann Dir im Übrigen zustimmen. Wenn man sich etwa die jüngste Google-Statistik anschaut, ist der tatsächliche Informationsstand wohl bei den "leave"-Befürwortern sehr gering bis nicht existent gewesen. Das wiederum spiegelt auf Referenda bzw Plebiszite im Allgemeinen...
 
Ich denke (und hoffe), dass der Brexit für alle Seiten glimpflich verlaufen wird. Welche Vorteile sollte denn eine der Parteien haben, jetzt wieder Einfuhrsteuern einzuführen und die EU-Bürger bzw. die Briten hinauszuwerfen? Ich würde es zwar leider vielen Politikern (gerade deutschen) zutrauen, aber rational wäre das nicht.

Ich glaube auch nicht, dass die meisten Brexit-Befürworter ein Problem mit der EU an sich hatten, aber diese hat sich doch seit dem britischen Eintritt stark verändert, insbesondere was die Regulierungswut anbelangt.
 
Der mE einzig interessante Punkt an der Angelegenheit ist, dass Cameron mit etwas Glück als der Premier in die Geschichtsbucher eingehen wird, der nicht nur aus reinem Eigennutz die EU-Mitgliedschaft vergambelt hat, sondern auch noch fur das Auseinanderbrechen des UK gesorgt hat. Das würde ich ihm von Herzen gönnen.
 
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Mir fiel gestern noch jemand ein, der sich dieses Mal kolossal verzockt hat:
Die Queen.
Sie hält sich wohl offiziell aus allen politischen Belangen heraus, hielt sich auch dieses Mal daran,
aber es kann wohl kaum in ihrem ureigensten Interesse sein, dass ihr United Kingdom auseinanderbricht
und zu guter Letzt wohl nur noch aus England und Wales besteht.
Es dürfte noch spannend werden mit Gibraltar, Nordirland und Schottland wenn die Briten nicht doch noch die Kurve kriegen.

Viele haben schon kalte Füße bekommen:
http://www.independent.co.uk/news/u...test-poll-government-parliament-a7103061.html

Zu hoffen bliebe, dass es ausgeht wie das Hornberger Schießen, und alles bleibt beim Alten!
Auf Boris Island http://www.independent.co.uk/

Zum Schluss der New Yorker - the Ministry of Silly Walks

BRITISH LOSE RIGHT TO CLAIM THAT AMERICANS ARE DUMBER

http://www.newyorker.com/humor/borowitz-report/british-lose-right-to-claim-that-americans-are-dumber
 
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