In den Grafiken sieht man, dass zu den reinen Lohnkosten noch Kosten der Fabrik oben drauf geschlagen werden.
Entsprechend wollte ich in dem Beispiel nur zeigen, dass das Argument der zu teuren Arbeitskräfte in Westeuropa mMn. Vorgeschoben ist
Dem will ich gar nicht widersprechen. Im Gegenteil sprechen viele Gründe dafür, auch wenn die Geschichte bewiesen hat, dass auch in Hochlohnländern absoluter Murks hergestellt wurde, mithin also mit einer solchen Rückverlagerung nicht automatisch die Qualität besser wird.
Die Sollbruchstelle Deiner Argumentation liegt darin, dass sie auf die eine oder andere Weise immer davon ausgeht, dass an mindestens einer Stelle des Prozesses Menschen auf ihren persönlichen Vorteil verzichten müssen, damit es nachhaltig funktioniert. Das kann in Einzelfällen klappen, ist aber in der Makrosicht, die wir dafür betrachten müssen, unrealistisch. Deswegen enden solche Threads auch immer in einer kollektiven Jammerei, wie schlecht die Welt doch ist, wonach man sich im Weltschmerz noch ein Tässchen Jacobs-Kaffee für 5,- pro Pfund im Angebot gönnt, für den der Kaffeebauer für Centbruchteile geschuftet hat.
Bei einer makroökonomischen Sicht ist in Kenntnis der menschlichen Natur eine ethische Betrachtung hin und wieder nützlich. Sie befördert aber keine Prozesse, sondern kann nur zur Linderung von Auswüchsen anregen. Der Mensch in der großen Gruppe bleibt immer an seinem persönlichen Vorteil interessiert, das ist Teil seiner evolutionären Prägung. Und das ist - im Gegensatz zum Vertrauen auf das Gute im Menschen - eine zuverlässige Gesetzmäßigkeit, über die man wirtschaftliche Entwicklung in Regionen, in denen vorher Armut und Hunger durch Mangel an bezahlten Tätigkeiten und Handel herrschte, vielfach nachgewiesen auslösen kann.
Im Zeitraffer unseres Themas: Wir bekommen Billgstkleidung, die Herstellerländer bekommen ein wenig Geld, mit dem investiert wird. Wir bekommen hochwertigere Kleidung durch mehr Ausbildung und Infrastruktur in den Herstellerländern, die Herstellerländer bekommen mehr Geld, das sie wieder investieren usw. Alle profitieren und im Zeitablauf profitieren alle immer weniger ungleich. Die Geduld für diesen Zeitablauf, in dem Arbitrageeffekte auf Arbeitsleistungsebene ausgenutzt werden, müssen wir nur alle aufbringen.
Natürlich könnten wir den Rest der Welt von den Privilegien der entwickelten Länder bewusst für immer ausschließen, indem wir alle Produkte unseres Eigenbedarfs auch zu Hochlohnkosten selber herstellen und nur Rohstoffe importieren. Das war, kombiniert mit ein bisschen Raub und Ausbeutung der Grundgedanke der kolonialen Welt. Nur darauf zu schauen, dass es heutzutage Menschen gibt, die für Produkte, die wir kaufen, nach unserer Lebenshaltungsvorstellung extrem gering entlohnt werden, reicht nicht, wenn man nicht auch die Folgen der Alternative für die Menschen in diesen Regionen betrachtet.