Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie

Ok, sehen wir das Ganze mal etwas anders.

Wertschöpfungskette, sehr grob vereinfacht:

Urproduktion
Produktion
Transport
Marke (= Vermarktung, Ideen, Koordination....)
Distri / Importeur / Großhandel
Handel

Und dann gehen wir mal entspannt auf Kleidungsstücke ab der unteren Mittelklasse aufwärts. Transport ist vernachlässigbar. Produktion macht bei einem späteren Handelsaufschlag von 100% und mehr eigentlich auch nicht so viel aus. In der Urproduktion wird oft ebenfalls nicht so viel ausgegeben..... dies und das.

Was kommt raus? Oft zu viele Handelsschritte. Jeder hält das Händchen auf und die armen Schweine in Vietnam werden um Centbeträge gedrückt.

Lösung: Preis ein wenig erhöhen und die ganzen Zwischenverdiener rauskicken, direkt zum Einzelhändler und Kunden. Siehe Trigema. Aber der Handel heult ja schon, wenn er keine 250 Prozent aufs Edelsakko draufhauen kann, dann haben wir Wirtschaftskrise.

Gerade in der Modebranche (sorry für den Begriff) gibts Emotion, juchuuu, Marke, toll, Trend, neu oder billig um jeden Preis. Der Markt ist mE total krank. Immer mehr Material wird in immer kürzeren Abständen mit immer mehr Vermarktungsaufwand in den Markt gedrückt. Guckt Euch doch nur die Panik bei dem Marktsegment an, wo sich Esprit, Strenesse, Tom Tailor und was auch immer herum prügeln. Gut gehts denen alle nicht, trotz Riesen-Buhei. Oder Boss, Steilmann, Weber. Schnell und hektisch reich werden funktioniert halt nicht mehr so toll.

Ich würd ja disruptiv denken.........

Haben die Jungs von Gustin offenbar gemacht und scheint auch zu funktionieren. Nur der Handel heult betroffen......
 
Hier findet man die Zahlen. :)

http://www.fastfashion-dieausstellung.de/de/oekonomie

Ist extrem interessant, dass der Gewinn & Handel zwischen 40 und ca. 50 % liegt bzw. der Preisaufschlag des Handels ungefähr 100 % beträgt. Das deckt sich mit den Aussagen von Freunden von mir die in der Modeindustrie arbeiten

Ich habe mal einen Überschlag gemacht:

Die Grafik besagt für Fast Fashion, was vermutlich ein mit der größte Anteil des Weltmarkts ist:

Handel&Gewinn: 2,10€
Marketing: 0,65€
Steuern: 0,79€
Gewinn Fabrik: 0,82€
Material: 0,40€
Transport: 0,06€
Lohnanteil: 0,13€
Gesamt:4,99€

Annahme ist, dass die Betriebskosten der Fabrik unter "Gewinn Fabrik" fallen, da sie sonst nirgendwo auftauchen und der Gewinn der Fabrik absurd hochwäre.
(1)Typischerweise ist der Gewinn einer Fabrik ungefähr 30%.

0,13€+0,82€=0,95€
=>[mit (1)]
0,95€*0,3=0,285€

Produktionskosten: 0,95€-0,285€=0,665€

Verhältnis von Lohn zu sonstigen Produktionskosten ~1/5
Anscheinend werden ungefähr 10 Jeans pro Arbeiter pro Stunde produziert.

Nehmen wir mal optimistisch die gleiche Produktivität in D an.
Lohnkosten pro Jeans bei Mindestlohn mit 30% Lohnnebenkosten: (8,50€*1,3)/10=1,1€

Gesamtproduktionskosten in D mit der Annahme, das in Deutschland der Lohnanteil 1/4 statt 1/5 der Kosten ist: 1,1€*4=4,4€
inkl. Gewinn der Fabrik.4,4€*1,3=5,72€

Transportkosten entfallen und Marketing auch, weil das Produkt so toll ist.
=>Material + Produktionskosten=0,4€+5,72€=6,12€
Der Investor will natürlich genauso viel zurück haben aus seiner Investion wie zuvor
=>Handel und Gewinn sind 237%
=>6,12€*2,37=14,5€
Steuern
=>14,5*1,19=17,26€

Damit ist der Preis 3,46 mal so hoch.

Das ist ungefähr das Verhältnis, was man auch sieht, wenn man Susu Full Canvas Preise mit europäischen Full Canvas außerhalb von Sales vergleicht.

Wenn man den Handel überspringt und direkt übers Internet verkauft, kann man natürlich massiv Kosten drücken.
 
War hier bereits verlinkt, meiner Ansicht nach weiterhin lesenswert ist der beispielhafte Artikel:
Das Welthemd -
Der Modekonzern H&M tritt gegen Ausbeutung ein. Und doch verkauft er Kleidung für ein paar Euro. Wie kann das sein? Eine Suche nach dem Geheimnis des billigen T-Shirts.



Meine ganz persönliche Einkaufshaltung besteht darin, dass ich seit vielen Jahren keinen dieser Klamotten-Filialisten besuche, die sich in den quasi-identischen Fußgängerzonen der Großstädte befinden und eigentlich gar kein Interesse erwecken, ausgenommen von wenigen traditionelleren Herrenausstattern/Abteilungen.

Was soll ich da auch ?
Tatsächlich sind sozusagen von Kopf bis Fuß die mMn wesentlich besseren Erfahrungen und somit bevorzugte oder mittelfristig "angestrebte/gewünschte" Hersteller/Marken nun mal nicht in China, Bangladesh, Myanmar usw. zu machen bzw. zu finden, daher sind solche im wesentlichen Billigpreis-Generika aus diesen Ländern für mich nicht akzeptabel -
so einfach können Entscheidungen sein oder eben "stilistische Heuristiken"... ;)
 
Wenn man den Handel überspringt und direkt übers Internet verkauft, kann man natürlich massiv Kosten drücken.

Oder man nimmt eine ganz andere Denkschiene. Wenn der Gewinn nicht mehr prozentual, sondern fix eingeplant wird.

Geh mal von konstanten Kosten bei der Warenpräsentation (Laden), dem Marketing und was auch noch aus.

Dann wäre das europäische Produkt gar nicht so viel teurer, wenn man noch obendrein den Umweltfaktor, Wertschöpfung und Steueraufkommen hier einrechnet. Oder, wenn man vernünftig in Asien produziert.

Da hätteste auch nur ne kleine Delle in der Preis/Absatzfunktion, weil unheimlich viel über Emotion und nicht nur Preis verkauft wird.

Aber nein, es müssen immer die soundsoviel Prozent sein anstelle 1,65 netto bei nem T-Shirt VK von 4 oder 4,55 Euronen. Bei 10 - 15 EUR könnte man Vierfuffig ansetzen. Neee, schnell und hektisch reich werden. Große Show. Kampf um die goldene Ananas mit 20 Kollektionen pro Jahr, sauteurem Marketing, wilden Abverkäufen (welcher Händler zuckt beim Kollektionswechsel zuerst, Paaaaanik, große Oper),.........

Wohin der Wahnsinn auch führt: In Holland hats ne ganze Handelskette erwischt, die zugegeben auch nicht spitzenmäßig geführt wurde. V&D hatte wie bekloppt Textilien für den letzten Winter gebunkert. Und der kam nicht so schnell, wie nötig. Bumm. Weg. Was meinste, was Kaufhauf und Krawallstadt bei 15 Grad im Dezember gezittert haben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist ungefähr das Verhältnis, was man auch sieht, wenn man Susu Full Canvas Preise mit europäischen Full Canvas außerhalb von Sales vergleicht.

Wenn man den Handel überspringt und direkt übers Internet verkauft, kann man natürlich massiv Kosten drücken.

SuSu und Co drücken die Kosten aber nicht nur über die Filialmieten/Handel, sondern auch über die Lohnkosten. Bei italienischer statt chinesischer Produktion wären die immer noch billiger als die üblichen Marken. Warum machen die das nicht, die Erklärung steht in dem einen Artikel erläutert: Das T-Shirt darf eben nur 4,95 kosten, sonst ist es nicht mehr billig. Und billig, oder gutes PLV wie es hier dann heißt, ist entscheidend für den Käufer. Der Anzug darf eben nicht mehr als 300 Euro kosten. Dazu dann noch die Fixierung auf Masse, weil es ja so ein tolles PLV hat, da kann man ruhig mal 3 T-Shirts für 15 Euro kaufen. Da die Hersteller durch die Bank auch noch ihr immenses soziales Engagement in den Produktionsländern betonen, gibt es auch keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Wäre mal einen Versuch wert, ob Warnhinweise auf den Einkaufstüten ähnlich wie bei Zigarettenschalteln etwas helfen könnten. Oder ob die Verblendung hinsichtlich Qualität und Stil dann immer noch halten würde.
 
Ich habe ein Jahr in Vietnam gelebt (nicht Modebranche), die Preise für Lohn und Fabrik glaube ich sofort, das entspricht in etwa dem Niveau der Preise auf den etwas versteckten Märkten, auf denen man "Fabrikware" kaufen kann.

Qualität kann man aber auch dort bekommen. Ich traf mal einen Taiwaner, der ein extrem gut sitzendes und sehr gut verarbeitetes weißes Polo-Shirt trug. Darauf angesprochen sagte er mir, er würde eine Bekleidungsfabrik leiten, die für diverse Hersteller produziert. Er trüge deswegen nur maßgeschneiderte Bekleidung, die absolut kein Logo zeigt und nur die Qualität widerspiegele. Nur so könne er sich nacheinander mit Vertretern von Adidas, Puma etc. treffen, ohne sich zigmal umzuziehen.

In Saigon habe ich mir einen bespoke Anzug machen lassen. Ohne Schlupfteil, Maße genommen, besprochen, Stoff ausgesucht, nach 2 Wochen die erste Anprobe, nach 4 Wochen fertig. Kosten (vor 6 Jahren) mit Material mittlerer Qualität: 180 USD. Kein Touristenramsch. Also Lohn wohl wirklich nur um 10-20 Euro für den Anzug. (Tailor Dung).

Cao Minh war bei uns in der Nähe vom Büro, der hatte ein paar echt nette Teile im Schaufenster, leider habe ich mich damals noch nicht wirklich für Kleidung interessiert.

Empfehlungen in Ho-Chi-Minh-City

Ich will wieder nach Asien-Grüße,

Moist von Lipwig
 
Abgesehen davon, dass würde dieser Thread die Quadratur des Kreises lösen können, dann sicher auch die Wirtschaftsprobleme dieser Welt.

Wie sieht es denn mit folgender Frage aus:
Würde Kleidung von einem hier bei uns unbekannten Hersteller aus Asien oder Südamerika gekauft werden
wenn er sie direkt den Kunden anböte?
Welchen Preis könnte er für seine Waren erzielen?

Warum kaufen viele Cashmere (Kaschmir) aus Italien und Großbritannien und kaum jemand Strickwaren und Schals
aus China und der Mongolei, wo die Cashmereziegen weiden oder z.B. aus Royal Baby Alpaca aus Südamerika?
Hält wärmer, da der Haarkanal im Gegensatz zu Cashmere nicht mit Wollfett gefüllt ist, ist genauso weich,
Faserdurchmesser, falls es darauf ankommt, liegt ungefähr im Bereich von Cashmere....
Kuna und Michell sind ein Begriff?
Johnstons of Elgin, Brunello Cucinello, Aida Barni und Loro Piana sind dagegen doch sicher bestens bekannt und
entsprechend hoch begehrt?
Oder geht's nur darum einen Cashmerepullover zum günstigen Kurs zu erwerben damit man auch einen hat?

Warum kaufen so viele Shoes Made in UK zum hohen Preis und kaum jemand billigere Sapatos made in Portugal?
 
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Hier eine andere Kalkulation für ein 4,95 T-Shirt von H&M, ähnliches Ergebnis wie in der von mater1984 gezeigten Darstellung:

4,95 Ladenpreis
-0,79 MwSt
-1,35 Preis ab Fabrik (0,40 Baumwolle + 0,95 Stoffproduktion/Nähen/Gewinn)
-0,06 Fracht nach D
-2,00 ca. Miete, Logistik, Verwaltung, Marketing
=0,75 ca. Gewinn pro T-Shirt für H&M (mal x Millionen)

Das zeigt ja auch recht gut, warum sich Billigproduktion lohnt. Würden sich die 13 Cent Lohnkosten in der Fabrik wie in der von mater1984 verlinkten Übersicht auf 60 Cent pro T-Shirt erhöhen, dann wäre von dem schönen Gewinn von 75 Cent nicht mehr allzu viel übrig.
Meine Frage: müssen dann noch von dem Gewinn die rund 135.000 Mitarbeiter und Miete Dutzende Filialen gezahlt werden?
Oder stecken diese Kosten bereits in den 2€
Gewinn ist ja nicht gleich Gewinn ;)
 
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