Ich finde diese komplizierten "Wie sehr darf ich mich denn wann aufbrezeln?"-Erwägungen langweilig. Maskulines Selbstverständnis lebt von der Vereinfachung und souveränem Handeln. Und in erster Linie kommt es in der freizeitlichen Abwesenheit jeglicher Dresscodes darauf an, was man tragen möchte, und nicht wie das auf andere wirken könnte. Tagsüber darf man keinen dunkelblauen Nadelstreifenanzug in der Stadt tragen? Dann darf ich also nicht mittags zu Tisch gehen, weil mich draußen einer sehen könnte?
Nein, es ist völlig akzeptabel, in jedem öffentlichen urbanen Umfeld einen Anzug zu tragen. In einer offensichtlichen Freizeitsituation darf das auch uni-dunkelblau oder -grau sein, wieso denn nicht? Natürlich wirken auch dedizierte Casual Suits gut, also mehr oder weniger wilde Checks und Tweeds und Leinen und kräftigere Farben undundund. Außerhalb unserer Szene nimmt das aber jeder (mangels Wissen von der bloßen Existenz von Freizeitanzügen
) als Anzug mit allen damit verbundenen Konnotationen wahr, da sollte man sich nichts vormachen.
Wenn man also mehrheitlich Anzug und allgemein sartoriale Kleidung tragen will, soll man's einfach probieren und nicht ausgedehnt darüber reden, was andere tun und wie man das dann ganz fein dosieren muss, damit auch jeder Unbekannte auf der Straße ganz doll lieb zu einem bleibt.
Die Erfahrung, ob man das mag, muss man selber machen, die kann einem keiner abnehmen. Ich finde es klasse, rein aus Spaß an der Freud', auch wenn ich es natürlich auch als Nebeneffekt im beruflichen Kontext einsetze. Mein Gefühl ist überdies auch, dass eine nach außen wirkende Unnatürlichkeit von Anzugträgern neben schlechter Qualität und Passform einfach vom seltenen und/oder unfreiwilligen Tragen sartorialer Kleidung kommt. Das damit verbundene unterbewusste Unsicherheitsgefühl spürt man halt.