Zu wenig Klassik im Forum? (verschoben aus Wtih-Sammelthread)

Werter Amanpuri,

ich möchte Sie doch ernstlich auffordern, mich in Zukunft mit Ihren dümmlichen Frechheiten zu verschonen, so wie Sie es mir eigentlich schon zugesagt hatten. Wenn Sie nichts Sinnvolles beizutragen haben, ersparen Sie uns wenigstens Ihre frechen Kommentare.

Mit bestem Dank
Tobias
 
Werter Tobias,

wenn ich hier schon zur Ehre einer namentlichen Erwähnung komme, soll mein Senf auch euer Diskussions-Würstchen würzen...hopp, und los geht die Fahrt :D (kommt ja an späterer Stelle noch mal...)

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Der Kern des Problems ist das unterschiedliche Verständnis von Begriffen wie "klassisch" oder "stilvoll".

Absolut treffend, daran beißen sich die Philosophen seit 2000 Jahren die Zähne aus. Oder zumindest diejenigen, die nicht nackt in der Tonne sitzen wollten...

Während einige unter Stil den "eigenen Stil" im Sinne von eigenem Geschmack verstehen, orientieren sich andere an objektiveren, abstrahierten Maßstäben.

Maßstäbe, die durch jahrelangen Gebrauch entstanden sind, sich aber nichtsdestotrotz im Laufe der Zeit gewandelt haben. Manch einer nennt das dann "Regeln"...

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"Stil", so wie ich den Begriff verstehe, ist eine an objektiven Werten wie Tradition, Proportion, Qualität und Handwerkskunst orientierte Denkweise. Stil ist dabei keine reine Rückwärtsgewandtheit, sondern kann durchaus eine Weiterentwicklung betreiben, die aber zwingend auf dem Überkommenen und sich als gut Erwiesenen aufbaut. Grundlage von Stil ist also stilistische Bildung, nicht zufälliger Geschmack.

Stil ist dezent und drängt sich nicht reißerisch auf, Stil ist seriös, nicht clownesk, Stil weiß um Qualität und Historie jedes Kleidungsstücks, Stil schert sich nicht um die Anerkennung durch andere, sondern genügt sich selbst.


D´accord und genau hier liegt der Fehler in deiner Denke. Mal drastisch formuliert: nur weil etwas seit 100 Jahren Bestand hat, muss das nicht besser oder schlechter sein als etwas, das erst seit 3 Jahren existiert. Ich für meinen Teil glaube nicht, dass mein Geschmack gleichbedeutend mit Stil ist. Jeder definiert doch Stil unterschiedlich: der eine klassisch im Sinne von konservativ (Obey the rules!), der andere im Sinne von "Hemd, Krawatte, Jackett, jetzt ist es klassisch". Das das auch mit rotem Hemd, grünem Jackett und gelber Krawatte (also clownesk) daherkommen kann, liegt im Auge des Erfinders.

Und darüber hinaus gilt, und ich spreche nur für mich: wie ich mich kleide, so bin ich auch als Person. Ich verstecke mich nicht, steh zu meinen Eigenheiten und beziehe klare Positionen. Wer damit klarkommt, prima, wer andere, nicht der eigenen Meinung entsprechende Positionen ablehnt, auch primal, der kommt halt nicht mit mir auf einen Nenner. Muss ja auch nicht sein...mir geht es nie um Provokation der Masse, sondern das zu machen, was mir gefällt. Ob das stillos oder nicht ist, soll jeder für sich beurteilen, ich mach´s eh, wie´s mir passt.

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Wenn also - wie bei den OdW häufiger geschehen - jemand in schlecht sitzenden lila und rot-orangenen Anzügen oder anderen schreienden Farbkombinationen, mit kneifenden Hemden und Hosen, mit dicken silbernen Knöpfen in Form von Totenköpfen mit roten Augen usf. auftritt und dann noch sich als über die "normale" Männerwelt erhabener Adonis wähnend vom erotisierenden Zuzwinkern bereits vergebener Damen schwärmt, ist er von Stil denkbar weit entfernt. Dann noch Toleranz einzufordern, ist eine gewagte These, begeht man doch durch die schrill sich jedem unausweichlich aufzwingende Zurschaustellung seiner Individualität eine grobe Frechheit.

Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Zurschaustellung von Individualität einen Mangel an Toleranz erkennen lassen sollte. Eher ist es doch andersrum: wieso sagen die Klassiker, dass ihr Auge durch einen solchen Auftritt beleidigt wird? Ist das nicht intolerant, alle anderen Herangehensweisen an das Thema "Herrenmode", die nicht der eigenen konservativen ähnlich sind, nicht zuzulassen?
Mir sind Leute, die sich individuell zeigen und dabei großartig danebenlangen, allemal lieber als das Heer der uniformierten, gesichtslosen, "wir machen alles richtig, haben aber 1.000 Doppelgänger" Anzugträger, die offensichtlich nicht den Mumm haben, aus der breiten Maße auszuscheren. Und halt, bevor wieder einer schreit: natürlich gibt es viele, die gar keine Lust haben, sich offensiv zu zeigen: komischerweise sind das die, die sich nicht über andere Geschmäcker aufregen, sondern sagen: "Würd ich selbst nicht so machen, aber coole Idee"...

Gerechtfertigt wird dieses dann oft mit dem Argument, man müsse die Regeln auch brechen. Müssen muss man nicht, Können kann man schon. Voraussetzung ist aber, dass man die Regeln beherrscht. Was uns aber teilweise an Stilbrüchen geboten wird, besteht nur noch aus "Brüchen", sodass für den "Stil" kein Platz mehr bleibt. Zudem sollte man sich klar machen, dass nicht jeder der Duke of Windsor ist - spoozy vielleicht ausgenommen. ;)
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Hmmm, die Regeln brechen. Nur wer die Regeln kennt, darf sie brechen, sagt man. Da ist schon was wahres dran...nur um des Brechens Willen macht wirklich keinen Sinn. Und man muss auch mal zugeben können, dass man daneben gelangt hat. Die Entwicklung von Stil, bzw. das was man dafür hält, ist doch eh eine lange Entwicklungsgeschichte. Um mich mal als Beispiel zu nehmen: noch vor nem halben Jahr habe ich zweireihige Sakkos für Teufels Werk gehalten...und nun: welch göttliche Kutte für meinen Leib!


Ich darf auf den Anlass zu dieser Diskussion zurückkommen: Ein Forenmitglied trug schwarz-weiße Vans, schwarz-weiße "dog tooth"-Strümpfe, eine "very worn" blue Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit belanglosem, aber zweifelsfrei coolem silbernem Schriftzug, dazu einen roten Shopper und Sonnenbrille. Muss ich wirklich erklären, was daran nicht stilvoll ist? Glauben Sie, ein solches Outfit ist geeignet, bei den Mitmenschen ein Vertrauen in die kulturelle Bildung und Seriostiät des Trägers zu wecken? Kann ein soziales Umfeld, in dem eine solche Kleidung angemessen ist, stilvoll sein?
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Mit Verlaub, das ist eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Jeder kleidet sich doch dem sozialen Millieu, in dem er sich bewegt, entsprechend. Als Student würde ich auch nicht im feinen Zwirn durch die Gegend schüsseln, wenn ich mir dann ständig anhören müsste, ob ich mein Gut nur für die Auswahl neuer Diener verlassen würde...worauf ich hinauswill: es gibt keinen Beweis, den ich nicht zu widerlegen bereit wäre, der allgemeingültig die Formel Kleidungsstil = stilvoller Mensch bestätigt. So einfach ist das einfach nicht...und natürlich gilt obiges für die Mehrzahl der Völker dieser Erde. Aber solange es noch einen gibt, der das Gegenteil beweist, wehre ich mich gegen solche Behauptungen.


Als ich auf dieses Forum stieß, tummelten sich hier Herren, die stilistische Bildung aufweisen konnten: Camlot, Linetti, Cravate Noire, Martin Richter, Sander, ddot, Algernon Worthingon u.a. Einige von ihnen schreiben gar nicht mehr, andere nur noch sehr sporadisch oder in betrunkenem Zustand. ;) Outfits von ihnen bekommt man kaum mehr zu sehen./QUOTE]

Tja, woran mag das liegen? Sicherlich doch nicht an der Tatsache, dass die Herren sich von mir und Meinesgleichen Erscheinung belästigt oder gar angegriffen fühlen? Wenn doch, so sei Ihnen noch mal versichert: ich lebe in meiner eigenen kleinen Stil-/Geschmackswelt und baue auf euer Urteil, mich nicht in eure lassen zu müssen.
Sollte das nicht der Fall sein: warum nur posten sie nicht mehr? Kamera weg? Klamotten mottenzerfressen? Oder liegt es womöglich daran, sich nicht zur Diskussion stellen zu wollen?
Ich kann verstehen, wenn man sich hier nicht zeigen möchte...aber dann sollte man auch mit dem Finger nicht allzulaut auf andere zeigen und "Frevel" beim Anblick gekrempelter Hosen schreien.
Und noch ein Wort zu Sander: nie waren wir einer Meinung, und trotzdem schätze ich seine Beiträge, zeigen Sie doch, dass wir im Grunde die gleiche Leidenschaft haben, wenn sie auch anders ausgeprägt ist...there is common ground.

An ihre Stelle sind immer mehr Forenmitglieder getreten, die leider wenig stilistische Bildung aufweisen können, diese dafür durch "ihren eigenen Stil" ersetzen.

Nun darf zweifelsohne jeder nach seiner Facon selig werden. Mir selbst bringt dieses Forum aber zunehmend weniger an positiven Anregungen.

Ich nehme gerne alle Anregungen klassischer Herrenmode entgegen: man lernt nie aus, und immer dazu. Beste Beispiele hierfür sind Cravate, Grimod, Algernon und wie sie alle heißen. Bei den Jungens kann man sich immer was abschauen, und trotzdem werde ich nicht anfangen, sie zu kopieren, was man mir zugestehen möchte...

So, jetzt muss ich erstmal die Feder zurücklegen, und mir den Schweiß von der Kammerzofe abwischen lassen. Der Zirkusdirektor steht vor der Tür und erwartet meinen Auftritt ;)

In diesem Sinne mit sartorialen Grüßen,
Dennis
 
Lieber Spoozy,

vielen Dank für deine Antwort. In vielen Punkten sind wir durchaus ähnlicher Meinung. Dort, wo wir es nicht sind, ist dies jedenfalls zum Teil auf Missverständnisse zurückzuführen.

Zum einen hast Du völlig Recht: Nur weil etwas erst drei Jahre alt ist, muss es nicht schlecht sein. Ich stelle in meinen Aussagen daher auch bewusst nicht auf das Alter ab. Obgleich mir auch bei starker geistiger Anstrengung spontan kein Kleidungsstück aus den letzten vierzig, fünfzig Jahren einfällt, das ich als stilvoll bezeichnen würde.

Auch meine ich mit stilvoll keinesfalls nur graue Anzüge. Sämtliche meiner Kombinationen sind durchaus farbenfroh. Wenn Du meinen Kleiderschrank durchwühlen würdest, würdest Du dann sogar auf so "neumodische" Kleidungsstücke wie bunt gestreifte Polo- und Rugby-Hemden stoßen - wenngleich auch nur vereinzelt. Und manchmal träume ich sogar davon, mir khaki Shorts zu kaufen und sie mit roten Kniestrümpfen zu tragen... :rolleyes:

Wie schon geschrieben, halte ich Sander für einen stilsicheren Herren, auch wenn ich mich selbst nicht so kleiden würde. Gleiches gilt für dich. Obwohl deine Art, sich zu kleiden, für mich persönlich nicht in Frage kommt, ist bei deinen Kompositionen in der Regel zu erkennen, dass dahinter ein gewisses Verständnis und Können steckt. (Ähnliches gilt auch für die in diesem Thread verlinkten Fotos.) Ein solcher Ausdruck der Persönlichkeit ist überhaupt nicht zu beanstanden.

Etwas völlig anderes sind beispielsweise die erwähnten knalligen Anzüge oder die Totenkopf-Knöpfe. Hier schreit einem die Selbstdarstellung der Träger unverholen in´s Gesicht, ohne dass man sich dem entziehen könnte. Darin liegt für mich eine Selbstüberschätzung, die ich als ungehörig empfinde. Gerade bei Totenköpfen kommt noch hinzu, dass ich damit wenig Stilvolles wie Tod, Satanismus, Piraterie, Provokation und Gesetzlosigeit, vielleicht noch Nekrophilie assoziiere - Dinge, mit der man die Öffentlichkeit nicht ungebeten konfrontierten sollte. Dazu spricht folgendes, sicher bekannte Zitat: "Ein Gentleman fällt nicht auf, aber er bleibt im Gedächtnis." Sicher kann man das alles als überholt oder borniert ablehnen, aber dann bleibt als Rechtfertigung wieder nur das eigene Gutdünken - und das allein wäre für mich nur eine Spielart der Überheblichkeit.

Auch gebe ich dir Recht, dass man sich seinem Milieu angepasst kleiden darf - das ist ja eine Grundregel des Stils. Ein Anwalt darf aussehen wie ein Anwalt, ein Landwirt wie ein Landwirt und ein Student wie ein Student. Jeder dieser drei Anforderungen kann man aber stilvoll oder stillos erfüllen. Die hier in Frage stehende Kombination kenne ich so nur von (Pseudo-)Punks oder Studenten gewisser soziallastiger Fachrichtungen - der Begriff Stil ist mir in keinem der beiden Zusammenhänge je in den Sinn gekommen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Abend.

Was ist mit Studenten die so nicht in die Oper gehen sondern zb in die Schule?
So wie der Grufti und der Punk...

Haben diese, in ihren Augen, keinen Stil? Oder nur einen anderen Stil?

Lieber Shop,

natürlich gelten beim Besuch der Uni andere "Regeln" als beim Besuch der Oper. Der von mir beschriebene Student mit Shorts, T-Shirt und Flip Flops hat aber auch in der Uni vielleicht einen eigenen Geschmack, aber keinen Stil. Nach einem Beitrag von Maximilian aus einem OdW: "(Manchmal) sieht etwas einfach nicht stilvoll und nicht gut aus. Ganz und gar nicht."

Im Anzug zur Vorlesung zu erscheinen, wäre unangemessen. Nehmen Sie als Beispiel aber wieder Sander oder Spoozy. Beide ganz unterschiedlich, beide könnten so nicht als Banker oder Anwalt arbeiten, aber für einen Studenten wären beide ein gutes Vorbild. Auch ein anderes Forenmitglied (war es Brogue?) hatte schon einmal eine gelungene Uni-Kombination gezeigt.
 
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