Ist Kunst nicht produktiver, je aussichtsloser etwas erscheint?
Ich glaube, das ist ein ebenso romantischer wie dekadenter Gedanke aus der Perspektive des Satten.
Wenn man mal die alten Meister in den Museen sieht, war da wenig möglich ohne den Reichtum der jeweiligen Mäzene.
Von daher hänge ich schon der These an, dass das Zufriedene, Fette in einer Gesellschaft erst die Grundlage dafür legt, dass es so etwas wie hauptberufliche Kunst als größeres gesellschaftliches Phänomen abseits einiger interessierter Einzelpersonen geben kann. Aber ich glaube, das führt uns vom Ursprungsthema schon etwas weg.
Oder britische Subkulturen mit ihren heute noch vorhandenen Einflüssen, gerade punk, entstand in tristen Arbeitersiedlungen durch perspektivlose Kids, ebenso wie ein paar Jahre früher in New York. Die schrille reiche Tante war damals nur ein Katalysator.
Ja, aber war das kreativ oder nur ein zufällig gesellschaftlich wahrgenommenes (und damit cooles
) Mittel, um mit der tristen Gegenwart irgendwie zu leben, ohne durchzudrehen? In tristen Siedlungen mit perspektivlosen Kids im Rest der Welt entsteht meist eher Kriminalität und Drogensucht. Wenn man in solchen Umgebungen eine besondere Quelle von Kreativität sieht, ist das nicht unmöglich, geht aber nur mit sehr selektiver Wahrnehmung.
Eine angenehme Atmosphäre, vielleicht auch optisch hervorragend, kann Inspiration sein, ablenken und herausfordern. Das Gegenteil aber auch.
Ich glaube, letzteres inspiriert nur die, die immer inspiriert sind, die die Dinge bewusst aufnehmen, das sind dann die Subkulturen. Ersteres ist für jeden auch auf unterbewusster Ebene erfassbar.
Wie gesagt, ich sehe den öffentlichen Raum nicht als mögliche Brutstätte für Kunst. Das ist wieder so eine bedeutungsschwere Anforderung, die ich nicht mit dem Wunsch nach einer ästhetisch ansprechenden Umgebung verbinden möchte. Das ist für mich ein viel kleineres und universelleres Alltagselement, das jeden in seinem jeweiligen Handeln unterstützen kann. Wird man in einem Zen-Meditationsgarten zwangsläufig zum Kunstschaffenden? Vermutlich genauso viel oder wenig wie auf einer Mülldeponie.
Aber das negiert ja nicht seine Wirkung auf das Gemüt seiner Besucher, auch wenn man daraus nicht in typisch deutscher Weise zwingend einen in Stückzahlen messbaren Output ableiten kann.