Was also ist guter Stil?

Ich erhebe meine Erfahrungen ganz un-kantisch nicht zur Maxime für jeden. Aber meiner Überzeugung nach (nicht zuletzt seit ich Kinder habe) ist ein grundehrliches, lügenfreies Leben sozial nicht möglich und ist auch vermutlich nicht erstrebenswert. Und es gibt auch keine "Inseln der Wahrhaftigkeit". Wie gesagt, ymmv, und das freut mich dann für Dich.

Diese Überzeugung teile Ich durchaus mit dir. Aber Ich habe gegen diese Ansicht hier ja auch nicht gesprochen und habe mich da meiner Meinung nach klar und deutlich ausgedrückt, um was es bei mir ging: Liebesbeziehungen.
Dies ist nur ein Teil des ganzen Lebens. Daher bin Ich der Meinung, dass unsere Ansichten dahingehend gar nicht so widersprüchlich sind.

In einem Punkt bin Ich dann vielleicht einfach bisschen radikaler, im Bezug auf die Wahrheit, wenn man so möchte. ;)
 
Der heutige Gebrauch von "Gutmensch" kommt ebenso aus der ultrarechten Ecke wie "imperialistischer Kapitalist" aus der ultralinken. Insofern sehe ich das mehr als Selbstklassifikation des Absenders

Ja, das sehe ich auch so.

Das muss man doch auch mal ohne Denkverbot sagen dürfen!

Tut man ja auch – zur Genüge. Ich befürworte ja auch weder ein Denk- noch ein ein Redeverbot. Es geht mir einfach nur gewaltig auf die Nüsse.

Kompromissvorschlag: Wenn politisch korrekter Gutmensch ok ist, dann ist es asozialer Brandstifter auch. :D
 
Tut man ja auch – zur Genüge. Ich befürworte ja auch weder ein Denk- noch ein ein Redeverbot. Es geht mir einfach nur gewaltig auf die Nüsse.

Das war etwas anders verwendet: "keine Denkverbote" und "das muss man doch mal sagen dürfen" kommt aus ähnlicher Ecke. Ebenso wie diese Klagen über die linke Meinungsführungspresse oder so - bis dahin komme ich i.a. schon nicht mehr beim lesen...
 
Nun, ich habe den Begriff "Gutmensch" auf der ersten Seite dieser Unterhaltung nicht gedankenlos gebraucht, sondern in satirischem Kontext.

Das war mir bewusst und darauf zielte ich auch nicht ab. Ich habe nur den Thread und das Schlagwort zum Anlass genommen, um einen Umstand zu erwähnen, der im weitesten Sinne zum Kontext gehört und... na ja, der mich nervt. ;) Der eigentliche Stein des Anstoßes stammt für mich aus einem anderen Thread. Entschuldige, wenn ein falscher Eindruck entstanden ist.

"Gutmensch" als "ultrarechts" zu klassifizieren, zaubert mir indes nur ein Schmunzeln ins Gesicht, weil ich das für eine Verklärung der Lebenswirklichkeit halte.

Das allerdings sehe ich anders.

Vielleicht sollte die Debatte auch nicht zu "politisch" werden.

Stimmt. Man kann das Thema sicher auch von vielen anderen Perspektiven aus beleuchten. Und es gibt keinen effizienteren Weg, als einen schönen Tag zu versauen, als mit einer politischen Diskussion. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Und es gibt keinen effizienteren Weg, als einen schönen Tag zu versauen, als mit einer politischen Diskussion. :)

Komplette Zustimmung. Dann lieber schon einen kleinen Dreh der Diskussion in Richtung "wo/wann im Alltag sind guter Stil und Anstand am meisten gefordert" bzw. wo/wann werft ihr ganz bewußt Anstand, taktvolle Diplomatie und Empathie - mit welcher Intention - in die Waagschale?
Oder was glaubt ihr, welche Wirkung kann unser Bemühen um Stil und Anstand in unserem unmittelbaren/mittelbaren Umfeld tatsächlich auslösen?
Auch interessant, wie gerade die jüngeren Stilaffinen, die noch Bäume pflanzen/Häuser bauen/Kinder zeugen wollen den hierzu erforderlichen Berufserfolg im beinharten globalen Wettbewerb mit Stil/Anstand in Einklang bringen. Bewegen wir - eine Handvoll "wackerer" Stilfreunde - ein kleines bißchen was in der Breite gegen die Kohorten von Ruck- und Plastiksackträgern im Straßenbild, tragen wir ein wenig zum Erhalt gesellschaftlicher Bindekräfte ("Bürgersinn") und dem Minimum an gesellschaftlichen Umgangsformen bei?
Schlußendlich: Wollen wir das überhaupt oder geht's uns hier hauptsächlich um "Hütchen, Täschchen, Schühchen" und unseren höchst eigenen Spieltrieb?

Wie denkt ihr darüber?

Gruß
Armin
 
"Angenommen, ein Unternehmen kündigt einem langjährigen, verdienten Mitarbeiter, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Stellen wir uns zwei Szenarien vor. Im ersten gibt es ein ausführliches Gespräch, man dankt dem Mitarbeiter für die geleistete Arbeit und wünscht ihm alles Gute für die Zukunft. Im zweiten Fall hingegen fordert man den Gekündigten im Befehlston auf, binnen einer Stunde das Büro zu räumen, zugleich werden schon mal Chipkarte und Mobiltelefon gesperrt. Kein Wort des Dankes, nichts.

Im ersten Fall würden wir wohl meinen, das Unternehmen habe sich einigermaßen korrekt verhalten. Die Kündigung bleibt zwar eine Kündigung, aber immerhin hat man eine gewisse Form gewahrt. Der zweite Fall hingegen empört wohl die meisten von uns. Wir würden sagen: Das war ganz schlechter Stil. "

http://www.manager-magazin.de/lifes...omas-vasek-ueber-stil-und-moral-a-973184.html

Demnach wäre Stil das Deckmäntelchen bürgerlichen Anstands, mit dem die unverhohlene Brutalität der Reduktion von Menschen auf ihre beliebig abrufbare Arbeitskraft im Kapitalismus kaschiert wird?
https://www.youtube.com/watch?v=m7QRIlUGGhY

Grüße, André.
 
Bewegen wir - eine Handvoll "wackerer" Stilfreunde - ein kleines bißchen was in der Breite gegen die Kohorten von Ruck- und Plastiksackträgern im Straßenbild, tragen wir ein wenig zum Erhalt gesellschaftlicher Bindekräfte ("Bürgersinn") und dem Minimum an gesellschaftlichen Umgangsformen bei?
Schlußendlich: Wollen wir das überhaupt oder geht's uns hier hauptsächlich um "Hütchen, Täschchen, Schühchen" und unseren höchst eigenen Spieltrieb?
Ich glaube, wir sind hier dabei, einem netten Hobby eine viel zu schwergewichtige Social Message aufzudrücken. Wenn ich mir einen Anzug mit Krawatte anziehe (also quasi immer in einer urbanen Öffentlichkeit), dann tue ich das nicht, weil ich mich moralisch/bürgerlich dazu verpflichtet (und entsprechend auch moralisch überlegen den ungewaschenen Massen gegenüber) fühle, sondern weil mir das Spaß macht und das meinem Sinn für eigene Ästhetik entspricht. Ein Anzug macht noch keine Umgangsform, er kann, wenn er allein auf weiter Flur steht, auch als Protestzeichen des Reaktionären missverstanden werden. Und umgekehrt sind viele öffentliche Anzugträger im politischen und beruflichen Leben nicht gerade ein Beispiel für moralische (oder auch nur ästhetische) Überlegenheit.

Ich würde mir wünschen, dass das sichtbare Sich-Mühe-Geben bei sartorialer Kleidung auch an das Bessere im Menschen beim Träger und beim Betrachter appelliert. Aber das ist für mich eher eine sekundäre Erwägung. Ich denke, dass ein kleidungs- und Architektur bezogen (das halte ich für einen elementaren Zusammenhang) ästhetischeres Stadtbild eine kreativere und positivere Erlebniswelt für alle Beteiligten schaffen würde und das ist doch ein erreichbareres erstrebenswertes Ziel ohne allzu wertebehafteten Ballast. Ein "Gentleman" ist man nicht durch Tragen eines Anzuges und durch Tragen von Jeans und T-Shirt wird man es nicht weniger.
 
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