Vorstellungsgespräch UB - Dunkelblauer Anzug und dunkelbraune Schuhe?

Was mich an Deinem Beitrag irritiert hat, ist die auch in Deiner Antwort wieder implizite Gleichsetzung von stilloser Kleidung und Mangel an eigenständigem Denken.

Betriebe, die ihre Mitarbeiter uniformieren, wollen damit Gleichförmigkeit, Regeltreue, Geschlossenheit, Zuverlässigkeit und Austauschbarkeit ausdrücken. Der Polizist trägt Uniform, damit ich ihn in erster Linie als zuverlässigen Polizist wahrnehme, der sich an die Regeln hält, und erst in zweiter Linie als meinen alten Freund Herbert, der mir das eine oder andere Vergehen durchgehen lassen wird. Ich impliziere damit nicht, dass uniformiert arbeitende Menschen nicht eigenständig denken können oder wollen, sondern dass sie es laut Vorschrift ihres Arbeitgebers während der Dienstzeit nicht sollen.

Die Tatsache, daß sich jemand mit seiner Schuhfarbe oder der Textur seiner Krawatte auseinandersetzt, deutet darauf hin, daß dieser Mensch Interesse an seinem Äußeren hat, im Zweifelsfall gewisse Stilregeln kennt und den sichtbaren Ausdruck seiner Beschäftigung mit diesen Themen über andere Erwägungen stellt, darunter vielleicht auch seine Karriere.

Das musst Du mir bitte mal erklären. Jemandem, der seine Kleidung farblich passend zusammenstellt, ist diese farblich passende Zusammenstellung wichtiger als seine Karriere? Und jemandem, der langweilige Kleidung trägt, ist seine Karriere wichtiger? Verstehe ich nicht. Was ist, wenn mir beides wichtig ist? Oder geht nur eines von beidem, ansprechende Bekleidung oder Karriere?

Wenn dann noch der Umkehrschluß gezogen wird, daß also der uninspiriert gekleidete Berater auch der angepasst denkende Söldner sei, dann ist mir das deutlich zu viel Stilmagaziner-Selbstgefälligkeit.

Diese Selbstgefälligkeit gestehe ich mir zu. Der Berater wird von seinem Brötchengeber als Projektarbeiter zu einem Kunden gesendet ("gestafft", ich hasse diese Wortschöpfung). Dort zählen seine Zuverlässigkeit, Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit. Er soll beim Kunden nicht als Individuum erkennbar sein, denn dann entdeckt der mündige Kunde womöglich, dass ihm ein 26jähriger Berater mit zwei Jahren Berufserfahrung eigentlich gar nichts Neues beibringen kann. Oder der eine Berater gefällt ihm besser als der andere und er fordert konkret bestimmte Berater an. Oder - schlimmer noch! - der Berater denkt derart frei, dass er das Konzept des ihm vorgesetzten Projektleiters womöglich nicht mitträgt.

Also erscheint er uniformiert. Für mich ist das eine stimmige Argumentationskette. Hinter einer Uniform kann man sich sehr gut verstecken, wenn man das, was man tut, eigentlich gar nicht richtig findet. Als Individuum erkennbar, übernimmt man wesentlich mehr persönliche Verantwortung für das, was man tut und sagt.

Das war aber auch der einzige nicht polemische Teil Deines Beitrags.

Dann beschreibe mir doch bitte nochmal aus Deiner Sicht den Grund dafür, dass der Berater sich beim Bewerbungsgespräch nicht auffällig kleiden sollte, auch wenn es farblich, qualitativ und geschmacklich ein hohes Niveau hat.
 
Also...

Berater sind Söldner. Immer schon gewesen. Und das ist auch gut so.
Natürlich versucht jedes Unternehmen, seine Leute austauschbar zu halten, weil gerade in der Branche die Fluktuation hoch ist. Ausserdem will er vermeiden, das sein Mitarbeiter Kunden mitzieht, sollte er mal wechseln.

Natürlich soll ein Berater vor Ort auch funktionieren, was ist schlimm daran? Man sollte aber unterscheiden zwischen den Jungs, die Ihre Inkompetenz hinter wohlklingenden Anglizismen verstecken, ein paar Slides zeigen und ansonsten weitestgehend sich selbst bewundern und den kompetenten, durchaus lernfähigen Experten. Wie gesagt, der Markt wird dünner und die Zeiten, wo eine schicke Gelfrisur und arrogantes Auftreten reichten, sind lange vorbei.
Wohl keine Berufsgruppe, sieht man mal von Pornodarstellern und Politikern ab, muss sich mit soviel Vorurteilen rumschlagen wie die Consultants.

Ärzte tragen weiss, Pfarrer weissen Kragen, Banker Nadelstreifen, Soldaten Uniform und Strassenwärter orange. Das ist Uniformität, aber auch Schutz, Klischee und Befriedigung einer Erwartungshaltung. Was ist daran falsch?
 
Was mich an Deinem Beitrag irritiert hat, ist die auch in Deiner Antwort wieder implizite Gleichsetzung von stilloser Kleidung und Mangel an eigenständigem Denken.

Ich mag ja schon senil werden, aber diese Gleichsetzung habe ich in der Argumentation nicht gesehen. Hier ging es nur um die Frage "unauffällig" oder "auffällig", wobei die unauffällige Variante nicht als stillos angesehen wird, sondern vielleicht höchstens als langweilig (und das Argument ist schwer von der Hand zu weisen).
 
Berater sind Söldner.

Klingt gut. Muss ich mir merken. Ich habe bisher immer (Nichtberatungsbusiness, aber kundenorientiert) gesagt: "wir sind Huren, für genug Geld machen wir alles". Das gab dann komische Blicke (aber keinen Widerspruch), wenn ich das künftig mit "Söldnern" sage kommt das sicher besser.

Aber same thing, natürlich. :D
 
Ärzte tragen weiss, Pfarrer weissen Kragen, Banker Nadelstreifen, Soldaten Uniform und Strassenwärter orange. Das ist Uniformität, aber auch Schutz, Klischee und Befriedigung einer Erwartungshaltung. Was ist daran falsch?

Nichts. Es ist aber auch eine gewisse Entindividualisierung des Einzelnen (im Berufsalltag). Das hat oft genug Vorteile, ist für den einen oder anderen auch individuell bequem und gut. Muss man halt mögen, und muss nicht jedermanns Sache sein.

Und auf der "Gegenseite" schätze ich die Signalwirkung, ich erkenne einen Polizisten, Arzt oder Straßenkehrer sofort und kann ihn im positiven Sinne ohne Aufwand in die situationsbedingt richtige Schublade stecken. In Zivil muss er erst aufwändig und wiederholt "Stecken Sie das Handy ein und lassen Sie mich durch, verdammt, ich bin Arzt!" brüllen.
 
El-Flanderino, willkommen im Stilmagazin. Hier bekommst Du in unter 24 Stunden 35 Beiträge epischen Ausmaßes und akademischen sprachlichen Niveaus zu der Frage: braun oder schwarz [emoji16]
 
Wie gesagt, der Markt wird dünner und die Zeiten, wo eine schicke Gelfrisur und arrogantes Auftreten reichten, sind lange vorbei.

Vielleicht, weil nach der Boomzeit etwas klarer geworden ist, was eine Söldnertruppe leisten kann und was eben nicht. Da mein Beratungsgeschäft so ziemlich das Gegenteil von Söldnertruppe repräsentiert, darf bzw. muss ich das auch bekleidungstechnisch umsetzen. Für beide Geschäftsmodelle gibt es sicher Bedarf, wobei ich natürlich denke, dass die Söldner über- und die Denker unterschätzt werden.:) Wobei es eh darauf ankommt, ob das beratene Unternehmen söldnermäßig oder individualistisch organisiert ist...

Das nur zum Thema "Wahl des Arbeitgebers" und die Konsequenzen für Arbeitsalltag und Bekleidung.
 
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El Flanderino? ;-)

Danke, aber genau das habe ich mir ja gewünscht, sprich: selbst zu einer Detailfrage viele Meinungen mit entsprechenden Begründungen zu hören.
Insofern ist es ein gutes Willkommen! :)

Zur Entwarnung: das Uhrenarmband ist dunkelbraun (hatte ich falsch in Erinnerung, mea culpa)
 
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