Beethoven
Well-Known Member
Was mich an Deinem Beitrag irritiert hat, ist die auch in Deiner Antwort wieder implizite Gleichsetzung von stilloser Kleidung und Mangel an eigenständigem Denken.
Betriebe, die ihre Mitarbeiter uniformieren, wollen damit Gleichförmigkeit, Regeltreue, Geschlossenheit, Zuverlässigkeit und Austauschbarkeit ausdrücken. Der Polizist trägt Uniform, damit ich ihn in erster Linie als zuverlässigen Polizist wahrnehme, der sich an die Regeln hält, und erst in zweiter Linie als meinen alten Freund Herbert, der mir das eine oder andere Vergehen durchgehen lassen wird. Ich impliziere damit nicht, dass uniformiert arbeitende Menschen nicht eigenständig denken können oder wollen, sondern dass sie es laut Vorschrift ihres Arbeitgebers während der Dienstzeit nicht sollen.
Die Tatsache, daß sich jemand mit seiner Schuhfarbe oder der Textur seiner Krawatte auseinandersetzt, deutet darauf hin, daß dieser Mensch Interesse an seinem Äußeren hat, im Zweifelsfall gewisse Stilregeln kennt und den sichtbaren Ausdruck seiner Beschäftigung mit diesen Themen über andere Erwägungen stellt, darunter vielleicht auch seine Karriere.
Das musst Du mir bitte mal erklären. Jemandem, der seine Kleidung farblich passend zusammenstellt, ist diese farblich passende Zusammenstellung wichtiger als seine Karriere? Und jemandem, der langweilige Kleidung trägt, ist seine Karriere wichtiger? Verstehe ich nicht. Was ist, wenn mir beides wichtig ist? Oder geht nur eines von beidem, ansprechende Bekleidung oder Karriere?
Wenn dann noch der Umkehrschluß gezogen wird, daß also der uninspiriert gekleidete Berater auch der angepasst denkende Söldner sei, dann ist mir das deutlich zu viel Stilmagaziner-Selbstgefälligkeit.
Diese Selbstgefälligkeit gestehe ich mir zu. Der Berater wird von seinem Brötchengeber als Projektarbeiter zu einem Kunden gesendet ("gestafft", ich hasse diese Wortschöpfung). Dort zählen seine Zuverlässigkeit, Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit. Er soll beim Kunden nicht als Individuum erkennbar sein, denn dann entdeckt der mündige Kunde womöglich, dass ihm ein 26jähriger Berater mit zwei Jahren Berufserfahrung eigentlich gar nichts Neues beibringen kann. Oder der eine Berater gefällt ihm besser als der andere und er fordert konkret bestimmte Berater an. Oder - schlimmer noch! - der Berater denkt derart frei, dass er das Konzept des ihm vorgesetzten Projektleiters womöglich nicht mitträgt.
Also erscheint er uniformiert. Für mich ist das eine stimmige Argumentationskette. Hinter einer Uniform kann man sich sehr gut verstecken, wenn man das, was man tut, eigentlich gar nicht richtig findet. Als Individuum erkennbar, übernimmt man wesentlich mehr persönliche Verantwortung für das, was man tut und sagt.
Das war aber auch der einzige nicht polemische Teil Deines Beitrags.
Dann beschreibe mir doch bitte nochmal aus Deiner Sicht den Grund dafür, dass der Berater sich beim Bewerbungsgespräch nicht auffällig kleiden sollte, auch wenn es farblich, qualitativ und geschmacklich ein hohes Niveau hat.