Sakko für Stresemann

Lord Montagu

New Member
Hallo,

wie sollte dieses aussehen? Schwarz oder anthrazit? Steigendes oder fallendes Revers? Zwei oder drei Knöpfe? Rückenschlitz(e)? Patten?

Wer kennt etwaige Bezugsquellen?

Besten Dank!
 
Ein Stresemann bezeichnet einen informellen Tagesanzug, dazu wird
kein Sakko getragen, sondern ein schwarzer Gehrock zur grauen, meist gestreiften Hose. Anzutreffen war dieser Zwitter immer nur in Deutschland, in anderen Ländern ist er unbekannt. Formal liegt er unter dem Frack, als Alternative zum Smoking ist er auch nicht unbedingt geeignet. Eines der Kleidungsstücke die sich überlebt haben.
Die Frage nach Revers usw. stellt sich also nicht, ein Gehrock ist ein Gehrock.
Dann direkt zum Morning Dress greifen.
 
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Danke für die Ausführungen.

Das verwirrt mich jetzt allerdings. Man betrachte etwa diese Graphik. Das ist tatsächlich ein Gehrock? Auch bei Adenauer und Heuss sieht es eher wie ein schwarzes Sakko aus.

Mir persönlich gefällt der Stresemann sogar besser als der Cut, weil er nicht gar so theatralisch daherkommt. Eine Art morgendlicher Bruder des Smoking vielleicht.
 
Danke für die Ausführungen.

Das verwirrt mich jetzt allerdings. Man betrachte etwa diese Graphik. Das ist tatsächlich ein Gehrock? Auch bei Adenauer und Heuss sieht es eher wie ein schwarzes Sakko aus.

Über die Aussage bin ich auch gestolpert. Ein Gehrock hat mW knielange Schöße, die in einer Taillennaht angesetzt sind (und keine Taschen), so wie etwa hier.

Und z.B. dieses Bild von Dwight D. Eisenhower läßt mich doch an der angeblichen Beschränktheit des "Stresemann" auf Deutschland zweifeln.

Ronald Reagan hat auch noch solch einen Anzug getragen.
 
Der Stresemann wird nicht mit einem Gehrock getragen, da das völlig dem Sinn dieses Kleidungsstücks widersprechen würde. Stresemann hatte damals keine Lust, immer für das Büro vom Cutaway in den Anzug zu wechseln und hat einfach zur Hose des Cutaway eine schwarze Anzugjacke getragen.

Der Stresemann unterscheidet sich schon in Details vom Stroller Suit, der durchaus international bekannt ist und auch bei Apparel Arts früher oft zu sehen war. Diese Details dürften die allerdings dem durchschnittlichen Betrachter kaum auffallen.
Hier gibt es einen schönen Artikel dazu: http://www.gentlemansgazette.com/stresemann/

Die beste Wahl wäre wohl eine schwarze Jacke mit steigendem Revers, zwei Schließknöpfen, Paspeltaschen und keinen Rückenschlitzen.

Für einen richtigen Stresemann fehlt mir persönlich eine schwarze Jacke, die mir auch gefallen würde, aber ich hatte überlegt, vielleicht eine passende Hose anzuschaffen und dann die Jacke von meinem dunkelblauen Zweireiher über die Weihnachtstage als Stroller Suit zu tragen.
 

Im darüber erreichbaren deutschen Artikel Stresemann (Anzug) findet sich diese interessante Aussage:

Theodor Eschenburg gibt einen recht genauen Zeitpunkt für Stresemanns Entscheidung an: "Der Leiter der politischen Abteilung, Redlhammer, der als der bestangezogene Mann im Amt galt, hatte das Kleidungsstück in Amerika entdeckt und seinem Chef vorgeführt. Stresemann und der Reichsfinanzminister Luther entschlossen sich, wegen der Hitze in Locarno statt des Cutaway die Kombination zu tragen." (Theodor Eschenburg: Also hören Sie mal zu: Geschichte und Geschichten. Berliner Taschenbuch Verlags GmbH, Berlin 2001, S. 225).


Ein "lounge coat" ist doch, wenn ich mich nicht irre, ein Anzugssakko?
 
Meins hat einen Knopf, steigendes Revers, ist schwarz, mit paspelierten Taschen und hat aus praktischen Gründen zwei Seitenschlitze. Sowas ist RTW natürlich selten zu finden. Von Caruso hab ich schon mal ein ähnliches gesehen.
 
Ein Stresemann hat weder mit einem Lounge Suit noch dem Stroller nur ansatzweise etwas zu tun. Der sgn. "Bonner Anzug" ist eine rein deutsche Erfindung, der ausschliesslich dort getragen wurde und mit formeller Kleidung nie etwas zu tun hatte. "Erfunden" wurde er aus Bequemlichkeit, um zwischen Reichstag und Büro zu pendeln, ohne sich umkleiden zu müssen. Betrachtet man Bilder aus dieser Zeit, wird einem auffallen, das die dazu getragenen Sakkos wesentlich länger waren als die heute üblichen. Formal entsprachen sie dem Gehrock, dem in den 20ern durchaus üblichen Tagesarsenal von Personen des öffentlichen Lebens. Letzen Endes war der Stresemann die Runterstufung des Fracks als damals übliches offizielles Outfit, das bezog sich aber in erster Linie auf Fliege, Weste und vor allem gestärktes Hemd und den Ersatz des langschössigen Schwalbenschwanzes durch den einflügligen Rock.

In den 50ern, als der Stresemann schon eine aussterbende Gattung war, wurde der Gehrock - weil nicht mehr vorhanden - durch das Sakko ersetzt. Das war aber weder so formell wie Smoking oder Frack noch so informell wie eine Kombination, zumal es seit den 30ern den sgn. Tagesanzug, also eine 2- oder 3- knöpfigen Einreiher, gab. Dieser diente als Bekleidung für semiformelle Anlässe und machte den Stresemann damit völlig obsolet.

Trägt man also ein Sakko heutiger Machart, verwässert man den eigentlich nicht existenten Stresemann noch mehr. Der Stresemann ursprünglicher Art, der auch als Alternative zum englischen Morning Coat diente, besass einen Gehrock, eine graue ( gestreifte ) Hose und, dies unterschied ihn vom Cut ( Tag ) und Frack ( Abend ) sowie dem Stroller, dazu ein Hemd mit Umschlag und Umlegkragen sowie einer Krawatte oder Fliege, aber kein gestärktes Hemd, Cravatte Blanche oder Plastron.

Dennoch, heute ist die Kombination obsolet. Entweder man trägt einen Cut, einen Smoking oder einen Frack - je nach Anlass. Und ausserhalb Deutschlands hat man dieses Machwerk nie getragen, noch weiss man damit etwas anzufangen.
 
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