Ein Stresemann hat weder mit einem Lounge Suit noch dem Stroller nur ansatzweise etwas zu tun. Der sgn. "Bonner Anzug" ist eine rein deutsche Erfindung, der ausschliesslich dort getragen wurde und mit formeller Kleidung nie etwas zu tun hatte. "Erfunden" wurde er aus Bequemlichkeit, um zwischen Reichstag und Büro zu pendeln, ohne sich umkleiden zu müssen. Betrachtet man Bilder aus dieser Zeit, wird einem auffallen, das die dazu getragenen Sakkos wesentlich länger waren als die heute üblichen. Formal entsprachen sie dem Gehrock, dem in den 20ern durchaus üblichen Tagesarsenal von Personen des öffentlichen Lebens. Letzen Endes war der Stresemann die Runterstufung des Fracks als damals übliches offizielles Outfit, das bezog sich aber in erster Linie auf Fliege, Weste und vor allem gestärktes Hemd und den Ersatz des langschössigen Schwalbenschwanzes durch den einflügligen Rock.
In den 50ern, als der Stresemann schon eine aussterbende Gattung war, wurde der Gehrock - weil nicht mehr vorhanden - durch das Sakko ersetzt. Das war aber weder so formell wie Smoking oder Frack noch so informell wie eine Kombination, zumal es seit den 30ern den sgn. Tagesanzug, also eine 2- oder 3- knöpfigen Einreiher, gab. Dieser diente als Bekleidung für semiformelle Anlässe und machte den Stresemann damit völlig obsolet.
Trägt man also ein Sakko heutiger Machart, verwässert man den eigentlich nicht existenten Stresemann noch mehr. Der Stresemann ursprünglicher Art, der auch als Alternative zum englischen Morning Coat diente, besass einen Gehrock, eine graue ( gestreifte ) Hose und, dies unterschied ihn vom Cut ( Tag ) und Frack ( Abend ) sowie dem Stroller, dazu ein Hemd mit Umschlag und Umlegkragen sowie einer Krawatte oder Fliege, aber kein gestärktes Hemd, Cravatte Blanche oder Plastron.
Dennoch, heute ist die Kombination obsolet. Entweder man trägt einen Cut, einen Smoking oder einen Frack - je nach Anlass. Und ausserhalb Deutschlands hat man dieses Machwerk nie getragen, noch weiss man damit etwas anzufangen.