Lockerer Stil im Büro

Ich habe mich aufgrund meines Berufseinstieges die letzten Monate wirklich intensiv mit meinem Kleidungsstil und meiner Garderobe auseinandergesetzt und würde mich mitlerweile als relativ "gut informiert" bezeichnen was die Alrounder betrifft, die beispielsweise in Hr. Küblbeck's Buch "Was Mann trägt" genannt werden (Buch habe ich ebenfalls gelesen). Verarbeitung, Qualitätsmerkmale, Passform und so weiter. Bei meinem Berufseinstieg handelt es sich um einen großen Konzern und Ingenieurtätigkeit (Kraftwerksbereich) in Berlin.

Ich habe während der ganzen Woche vielleicht drei Krawattenträger gesehen, an einem Standort mit 2500 Mitarbeitern. Die meisten laufen dort rum wie ich zu Schulzeiten. T-Shirt, Jeans, Sneaker, Billig-Rucksack. Gleich an meinem ersten Tag war ich vergleichsweise overdressed im blauen Anzug mit Krawatte und schwarzen Schuhen. Andere Neueinsteiger hatten ein Hemd mit Pullover drüber, sehr informelle Schuhe und Jacken, gepflegt, aber vergleichsweise absolut leger und informell.

Ich wurde vom Chef darauf hingewiesen, dass mein Dresscode ungeeignet ist! Ich meinte daraufhin "Ja, schon gesehen, ich passe das an.". Nun komme ich "nur" noch mit Hemd + Pullover, aber mit Mantel und Leder-Aktentasche, und fühle mich immer noch overdressed. Einmal konnte ich sehen, wie ein erfahrener Kollege mich ansah, seinen Kumpel anstieß und grinste, als ich reinkam und gerade den Mantel auszog. Nach dem Motto "Soso, neu hier, keine Ahnung von nichts, aber sich besser anziehen als der Chef.". Ich hatte daraufhin augenblicklich starke negative Gefühle gegenüber dieser Person und habe aus diesem Grund kein Wort mit ihr gewechselt.

Das Schlimme ist, dass man sich nicht als besserer Mensch fühlen will, weil man sich besser kleidet als der Durchschnitt. Aber man wird einfach von manchen in diese Schublade gesteckt, und dann - wenn man nicht sehr aufpasst - akzeptiert man diese Schublade vielleicht als Abwehrreaktion, aus Trotz, oder aus Ärger. Stattdessen habe ich mir dann gesagt, ich habe zu negative Gedanken und werde der entsprechenden Person zeigen, dass ich kein abgehobener Schösel bin, aber ohne wieder Jeans und T-Shirt zu tragen, damit ich wieder zu den "coolen Rebellen" gehöre (überspitzt formuliert). Und ich tue es als Einzelfall ab, nach dem Motto "Haters gotta hate".

Lustigerweise hängen dort beim Betreten der Räumlichkeiten alte schwarz/weiß-Bilder an den Wänden. Darauf: Ingenieure der "alten Schule" an ihren Zeichenbrettern. JEDER hat auf dem Foto einen Anzug plus Krawatte plus schwarze Schuhe, wirklich jeder. Der heutige, völlig normale und akzeptierte und zum Teil sogar eingeforderte Stil (siehe Aussage meines Chefs): T-Shirt, schlabbrige Jeans, dreckige Schuhe, billiger Rucksack, irgendeine Jacke.

Wenn ich nun einfach weiter stur in Anzug und Krawatte kommen würde, würde ich dort 100%ig zum Außenseiter werden, darauf könnte ich fast wetten. Selbst ein Zweiteiler mit Tweetsakko, Chino und braunen Shoepassion-Derbys ist dort noch auffällig wie ein Kanarienvogel. Da verwundert es nicht, wenn sich Leute irgendwann sagen "Ich habe keine Lust mehr, mich für meine gute Kleidung ständig rechtfertigen zu müssen; außerdem ist T-Shirt und Jeans billiger sowie leichter zu waschen und zu pflegen.". Ich bin also relativ pessimistisch, was die Entwicklung des Kleidungsstils angeht; es wird eher schlimmer als besser, denke ich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der heutige, völlig normale und akzeptierte und zum Teil sogar eingeforderte Stil (siehe Aussage meines Chefs): T-Shirt, schlabbrige Jeans, dreckige Schuhe, billiger Rucksack, irgendeine Jacke.

Wenn ich nun einfach weiter stur in Anzug und Krawatte kommen würde, würde ich dort 100%ig zum Außenseiter werden, darauf könnte ich fast wetten. Selbst ein Zweiteiler mit Tweetsakko, Chino und braunen Shoepassion-Derbys ist dort noch auffällig wie ein Kanarienvogel.

Da muss man durch. Gute (=mit Bedacht ausgewählte) Kleidung fällt auf und polarisiert, vor allem bei Männern. Na und? Willst Du everybody's darling sein? Trage, was Dir gefällt und was dem Anlass angemessen ist.
 
Trage was dem Umfeld und der Situation entsprechend angemessen ist ohne bei den Kollegen oder Vorgesetzten negativ aufzufallen. Freiheiten kannst Du dir immer noch herausnehmen, wenn Du etablierter bist in der Position und dich nicht mehr jeder alleine auf Grund Deines Auftretens für einen Schaumschläger hält. Die Situation zu ignorieren kann Dich Deinen Job kosten und da musst Du Prioritäten setzen. Leider dulden viele Entscheider weder sartorial noch fachlich jemanden über sich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin auch der Meinung, das der Arbeitsplatz nicht zwingend die Plattform sein muss wo ich mich sartorial auslebe.
Kann man es kombinieren oder es wird akzeptiert gut, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.
Wenn nicht, dann nicht, für ein gebauschtes EST, Shantung und Zweireiher möchte ich keine schlechteStimmung 10h am Tag.
 
Da verwundert es nicht, wenn sich Leute irgendwann sagen "Ich habe keine Lust mehr, mich für meine gute Kleidung ständig rechtfertigen zu müssen; außerdem ist T-Shirt und Jeans billiger sowie leichter zu waschen und zu pflegen.". Ich bin also relativ pessimistisch, was die Entwicklung des Kleidungsstils angeht; es wird eher schlimmer als besser, denke ich.
Du musst in erster Linie so agieren, wie Du Dich wohlfühlst. Das Problem ist, Du fühlst Dich nicht wohl, weil Dir klar ist, dass Dein Umfeld Dir aus niederen Beweggründen etwas so Persönliches diktiert wie die Kleidung. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn Du es nicht änderst.

Im Grunde hat das gar nichts mit Kleidung zu tun, sondern mit Dominanzverhalten. Dein Umfeld möchte Dich mit ganz klaren greifbaren Signalen so zurechtrücken, dass Du als Neuer für niemanden eine Gefahr bist und ihr Status nicht bedroht wird. Deswegen beleidigt oder resigniert zu sein hilft nicht weiter. Entweder Du akzeptierst, dass Du dagegen nicht ankommst, oder Du machst den Leuten locker und mit freundlicher Miene klar, dass Du Dich nicht anziehst, um eine Position auszudrücken, sondern dass das einfach Deine Art der Kleidung ist. Dafür sollte es dann aber auch Deine Art der Kleidung sein und keine Berufsverkleidung, auf die Du erst kürzlich gekommen bist, sonst hat selbst Dein Protest etwas Hohles, Künstliches, was jeder sofort erkennt. Und es sind kommunikative Fähigkeiten und eine einnehmende Persönlichkeit dafür vonnöten. Darauf ist man im Berufsleben aber sowieso häufig angewiesen, da ist Kleidung eher ein Nebenaspekt, an den sich die Leute nach wenigen Wochen gewöhnt haben.
 
Ich habe mich aufgrund meines Berufseinstieges die letzten Monate wirklich intensiv mit meinem Kleidungsstil und meiner Garderobe auseinandergesetzt und würde mich mitlerweile als relativ "gut informiert" bezeichnen was die Alrounder betrifft, die beispielsweise in Hr. Küblbeck's Buch "Was Mann trägt" genannt werden (Buch habe ich ebenfalls gelesen).

Dafür sollte es dann aber auch Deine Art der Kleidung sein und keine Berufsverkleidung, auf die Du erst kürzlich gekommen bist, sonst hat selbst Dein Protest etwas Hohles, Künstliches, was jeder sofort erkennt.

Ich habe den Eindruck, dass Du sowohl "Berufseinsteiger" als auch "kleidungstilistischer Neueinsteiger" bist.

Ich würde den gängigen "Dresscode" akzeptieren und als Herausforderung begreifen -
es ist mir schwer vorstellbar, dass dieser Dresscode aus "T-Shirt, schlabbrige Jeans, dreckige Schuhe, billiger Rucksack, irgendeine Jacke" bestehen sollte. :rolleyes:

Die Kombinationen mit "Hemd und Pullover" wurden angesprochen, es ist offensichtlich, welche außerordentlich vielfältigen Möglichkeiten sich dazu mit Hosen "außer Jeans" ergeben (und wechselnde Sportjacken sind vielleicht auch machbar) -
jenseits der Arbeitszeit können dann selbstverständlich weiterhin "gute Kleidung" sowie "Entwicklung des Kleidungsstils" mit "Anzug und Krawatte" gepflegt werden... ;)
 
Oben