Ein Fehlschluss, der typisch ist für die heutige Zeit. Solche merkwürdigen künstlichen Dresscodes wie Smart Casual, die man nicht mal vernünftig ins Deutsche übersetzen kann, drücken vor allem ein Dilemma des Brautpaares aus: Man möchte zum eigenen Feiertag aus gutem Grund einen Mindeststandard für die Kleidung unter den Gästen setzen, ohne damit Eingeladene zu vergraulen, die mangels kultureller Prägung vielleicht gar nicht mehr die Möglichkeit haben, dem in der eigentlich angemessenen Form zu entsprechen. Ich sag‘ mal, ich habe an einer ganzen Reihe von Hochzeiten in unterschiedlichsten Umfeldern teilgenommen und
sah dabei immer sehr ähnlich aus. Und niemanden hat das irgendwie irritiert, ich war immer herzlich willkommen. Warum auch nicht.
Es scheint - zumindest in der deutschen Mittelschicht, das drückt sich letzten Endes ja auch hier im Forum aus - zunehmend schwierig zu werden, sich selbst konsistent mit Kleidung auszudrücken. Stattdessen verkleidet man sich akribisch verkrampft für Rollen, von denen man glaubt, dass andere sie von einem erwarten. Daraus ergeben sich dann auch diese künstlichen Overdressed-Diskussionen bei allen möglichen Gelegenheiten, die sich in früheren Zeiten maximal bei Gesellschaftskleidung ergeben haben, die heute ohnehin, zumal in der Mittelschicht, keine wirkliche Rolle mehr spielt.