Einstecktuch und Manschettenknöpfe beim Einstellungsgespräch?

Vielleicht weil man mit dem Einstecktuch den Eindruck vermittelt, sich allzu sehr um sein Äußeres zu bemühen, was dann gleich zu der Schlussfolgerung führt, andere Dinge eben nicht so wichtig zu nehmen. Das Einstecktuch wird heute in der breiten Bevölkerungsschicht als aufgesetzt und affektiert wahrgenommen; diese Eigenschaften werden sofort auf den Träger projiziert.

Hinzu kommt, dass viele Menschen wohl vermuten, dass man mit einem gepflegten Äußeren entweder einen abweichenden Lebensstil dokumentiert oder von anderen Dingen ablenken möchte. Warum sieht man wohl keinen Politiker mit Einstecktuch (jedenfalls nicht im Tagesgeschäft)? Weil es bei den Wählern einfach nicht ankommt. Zu gut gekleidete Politiker kommen gleich in den Verdacht der Kompetenzlosigkeit (was in unserer Bundesregierung stimmen mag) und erwecken den Eindruck, sich vom gemeinen Wählervolk abheben zu wollen. Das goutiert am allerwenigsten der BILD-Leser, wird aber auch in anderen Kreisen nicht gern gesehen. Wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass der ein oder andere Politiker sich bewusst "downdressed", um eben diesen Eindruck zu vermeiden und keine Angriffsfläche allein wegen seines Äußeren zu bieten. Der sprichwörtliche "Anzug von der Stange" wird halt immer noch gleichgesetzt mit preußischer Gründlichkeit und Effizienz. In dieser Welt ist kein Platz für Schnickschnack wie (auffällige) Manschettenknöpfe oder ein Einstecktuch.

Beim Schreiben dieses Beitrages habe ich parallel mal nach dem Wort "Einstecktuchträger" gegoogelt. Mach das mal nach: auf der ersten Google-Ergebnisseite wird dieser Begriff bei fast allen Suchergebnissen (außer Stilmagazin, natürlich!) fast schon als Schimpfwort verstanden und taucht immer in Zusammenhang mit negativ gemeinten Attributen auf.

Ich verteidige diese Haltung nicht (bei der mündlichen Prüfung zum 2. Jura-Examen lief ich damals selbstverständlich auch im weißen Hemd mit Doppelmanschetten und Einstecktuch auf :D), sie ist aber meiner Wahrnehmung nach die Realität, der sich die meisten stellen müssen.

Zum Glück bin ich Freiberufler!

Carsten
 
Zu gut gekleidete Politiker kommen gleich in den Verdacht der Kompetenzlosigkeit (was in unserer Bundesregierung stimmen mag) und erwecken den Eindruck, sich vom gemeinen Wählervolk abheben zu wollen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich zu lange schon im Ausland lebe, aber ich habe nicht den Eindruck, dass in Deutschland die Gefahr besteht, "zu gut gekleidete" Politiker zu haben.
 
Zum Glück bin ich Freiberufler!

Carsten

auch ich hatte gestern eine "Premiere". Bei einem Vorstellungsgespäch als freiberuflicher CAD-Konstrukteur trug ich einen anthrazit-farbenen Anzug, ein hellblaues Hemd mit Umschlagmanchette.

Ich habe sicher nichts verkehrt gemacht - das Gespräch war recht positiv. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!

Gruß Excalibur
 
:eek:
also wenn ich irgendwann einmal meine Kleidung davon abhängig mache was irgendein Schauspieler im TV trägt,
gehe ich nur noch nackt durch die Welt :D

und das du diesen Herren
https://stilmagazin.de/outfit-der-woche/
(fast) allesamt den Charackter von Crane zuspricht dürfte interessant werden....
Nein, aber die Kleidung der Rolle im TV ist so gewählt, dass sie die Konzeption der Figur für die breite Masse der Bevölkerung unterstützt. Oder warum ist Denny der einzige in der Sendung mit Einstecktuch? Oder Paul der einzige mit Paisley Krawatten? Weil es ihre Wirkung unterstreicht. Das ist kein Zufall.

Ich spreche nicht diesen Herren den Charakter von Denny zu, aber ich denke, dass es ihnen in den Augen der Masse genau so einen Touch gibt. Man sollte sich durchaus bewusst sein, dass dieses Forum, inkl. der Umgebung der einzelnen Mitglieder, vielleicht nicht wirklich repräsentativ ist.
 
Dem habe ich ja schon zugestimmt!
Weiter geht jetzt allerdings darum,
wieso eine Art die so gedacht ist, von vielen Stilvorbilder hier im Forum gehändelt wird und in feiner Umgebung ganz normal scheint,
in Firmen die auf gute Kleidung wert legen nicht gewünscht wird....

Vorweg ist mal zu sagen, dass die Anzahl der Leute, die sich in Stilforen bewegen, gemessen an der Gesamtbevölkerung verschwindend gering ist.

Don "No Style" Simmons hat es ja schön dargelegt, Einstecktuch zu tragen gilt noch im besten Falle "nur" als schnöselig. Und ein Unternehmen, auch eines, das "auf gute Kleidung wert legt", muss auch um seine Aussenwirkung bemüht sein. Und da tut sich wohl kaum ein Unternehmen einen Gefallen, wenn die Mitarbeiter als Schnösel wahrgenommen werden, auch wenn vielleicht der eine oder andere Personalchef es persönlich anders sieht.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, dass es schon recht mutig ist, dass Herr Grupp in seinem Werbespot mit extravagantem Reverstascheneinstecktuch durch seine Produktionshalle stolziert. Fragt sich bloß, ob er das auch bei allen seinen Mitarbeitern akzeptieren würde. Es beschleicht mich beim Betrachten dieser Werbung immer der Verdacht, dass sich Herr G. entgegen aller Ratschläge seiner Werbeagentur damit durchgesetzt hat. Jedenfalls empfinde ich seinen Auftritt in seiner Gesamtheit als höchst geckenhaft.

Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Warum das Tragen von Einstecktüchern nicht mehr mehrheitlich als Selbstverständlichkeit angesehen wird und wie es dazu gekommen ist, weiß ich allerdings auch nicht. Es scheint mir jedoch inzwischen einen gewissen Trend hin zum Einstecktuch zu geben, wie auch schon seit einiger Zeit wieder vermehrt Manschettenknöpfe getragen werden.

Gruss, Kai
 
aber sie tun es, und sind teils nicht sehr alt....
Interessant das sie hier als schnöselig angesehen werden... Ich teile diese Meinung nicht... :-)

Naja, diese Meinung teilt hier wohl kaum jemand. Aber hier wird sich ja auch immer wieder über das Erscheinungsbild der Masse mokiert. Es ist aber natürlich schon überheblich, wenn 99% der Bevölkerung von 1% Forenteilnehmern (wahrscheinlich sogar eher 0,1%) abgewatscht wird.
 
Vielleicht liegt es daran, dass ich zu lange schon im Ausland lebe, aber ich habe nicht den Eindruck, dass in Deutschland die Gefahr besteht, "zu gut gekleidete" Politiker zu haben.
Die Gefahr besteht gewiss nicht, da gebe ich Dir völlig Recht. :D
Aber wie gesagt: da steckt (bei manchen) vielleicht mehr dahinter, als bloß fehlendes Geschmacks- bzw. Stilempfinden. Denn zu schnell wird man als bloßer "Kleiderständer" wahrgenommen und der Inhalt rückt in den Hintergrund.
Vor einigen Jahren habe ich mal irgendwo etwas über eine Untersuchung gelesen, bei der ein Tagesschausprecher die Nachrichten verlas und dabei eine un-, indes noch nicht einmal außergewöhnliche Krawatte trug. Man stellte fest, dass viele Menschen die ersten Sätze der Nachrichten gar nicht wahrgenommen haben, weil sie sich zunächst einmal mit dem nicht gewohnten Erscheinungsbild auseinander gesetzt haben. Bitte nicht nach der Quelle fragen: I can't back that up on paper. :rolleyes: Aber ich halte es für durchaus plausibel.

aber sie tun es, und sind teils nicht sehr alt....
Interessant das sie hier als schnöselig angesehen werden... Ich teile diese Meinung nicht... :-)
Sie werden nicht HIER als schnöselig angesehen, sondern in weiten Teilen unserer Gesellschaft.

Carsten
 
Vielleicht kennt hier ja jemand die Serie Boston Legal... es hat schon seinen Grund, warum hier einzig der Charakter "Denny Crane" Einstecktuch trägt. Wenn man nicht ähnlich wirken möchte, sollte man es vielleicht weglassen beim ersten Bewerbungsgespräch.

Verzeihen sie bitte, aber die einzigen, die noch weniger Stilempfinden in Sachen Kleidung als die Deutschen (man möge mir diese überhebliche Verallgemeinerung bitte verzeihen) haben, sind die Amerikaner! Es gibt nicht viel, was mich noch weniger interessiert, als die Kleidung amerikanischer Serienhelden.

Liebe Grüsse

Sandro
 
Vor einigen Jahren habe ich mal irgendwo etwas über eine Untersuchung gelesen, bei der ein Tagesschausprecher die Nachrichten verlas und dabei eine un-, indes noch nicht einmal außergewöhnliche Krawatte trug. Man stellte fest, dass viele Menschen die ersten Sätze der Nachrichten gar nicht wahrgenommen haben, weil sie sich zunächst einmal mit dem nicht gewohnten Erscheinungsbild auseinander gesetzt haben. Bitte nicht nach der Quelle fragen: I can't back that up on paper. :rolleyes: Aber ich halte es für durchaus plausibel.

Vielleicht lag es ja an der seligen Tante Veigel, hier ganz links im Bild...
 

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Verzeihen sie bitte, aber die einzigen, die noch weniger Stilempfinden in Sachen Kleidung als die Deutschen (man möge mir diese überhebliche Verallgemeinerung bitte verzeihen) haben, sind die Amerikaner! Es gibt nicht viel, was mich noch weniger interessiert, als die Kleidung amerikanischer Serienhelden.

Liebe Grüsse

Sandro

Lieber Sandro,

da muss ich dir widersprechen. Wenigstens die Hauptpersonen von BL sind enorm gut gekleidet. Ich habe eig. eine persönliche Abneigung gegenn 3-Knopf-Einreiher. Bei mir und meist bei anderen auch. Alan Shore kann mE eben diese verdammt gut tragen. Die Anzüge sitzen optimal, die Krawatten passen etc. pp. Für eine Ami-Serie: Top!
 
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