Der Jammer-Faden

O tempora - o mores :confused:

Euch erwischt diese Seuche auch noch, uns hat sie bereits erwischt. Ich halte mich nur nicht dran :)

Diese No-Dresscode-Idee schwappt wohl von irgendwelchen strunzdummen Pr-Agenturen in die Industrie, die gute Kleidung für die Wurzel allen Übels halten. Aus Rache sollten wir Meetings mit Agenturen grundsätzlich ungeduscht und mit Badeschlappen wahrnehmen. Finden die wahrscheinlich großartig.

@Möfter

Mein Beileid. Aber da steht ja nichts von "kein Sakko, kein Einstecktuch, kein Krawattenschal, keine Hosenträger". Also mach was draus!

Wenn Du einen Tagesanzug mit Rollkragenpullover trägst, merkt das sowieso keiner. "Ich dachte, Anzug wäre immer mit Krawatte" kannst Du dann sagen.
 
Organisationen zeichnen sich immer auch durch eine Form von Kodex aus. Wenn zu diesem eine veränderte Kleidungsnorm auf Führungsebene gehört, hilft es auf lange Sicht, wenig sich aussen vor zu halten. In der Konsequenz also entweder getreu dem Motto love it, change it, leave it, raus da oder mitspielen und eigene Interpretationen einbringen.
Stil ist ja nicht nur Anzug, Krawatte und EST. Stil ist auch und vor allen in meinen Augen eine Frage von Passform, Farb- und Formensprache und Qualität. Da bieten sich dann auch neben dem Anzug hinreichend Optionen den eigenen Stil zum Ausdruck zu bringen.

Da stimme ich Dir voll zu - solange die bei uns nicht wissen, was "Tweed" ist, können sie es auch nicht verbieten.
 
der veränderte Dresscode ist weniger eine Erfindung von PR Agenturen. er entstammt der zunehmenden Panik deutscher Unternehmensfuhrer den intellektuellen Anschluss an die boomende Internet- und Digitalisierung Industrie zu verlieren. Aus dem Verlangen schneller, flexibler, dynamischer agieren zu können, wird dann abgeleitet, dass es anderer Umgangs- und Bekleidungsformen bedarf.

Vielleicht sollte man denen mal mitteilen dass die meisten in Silicon Valley zwischen Kausalität und Korrelation unterscheiden können.
 
der veränderte Dresscode ist weniger eine Erfindung von PR Agenturen. er entstammt der zunehmenden Panik deutscher Unternehmensfuhrer den intellektuellen Anschluss an die boomende Internet- und Digitalisierung Industrie zu verlieren. Aus dem Verlangen schneller, flexibler, dynamischer agieren zu können, wird dann abgeleitet, dass es anderer Umgangs- und Bekleidungsformen bedarf. Hier wird das Silicon Valley nicht nur als Vorreiter der Digitalisierung verstanden, sondern liefert auch gleich den Blueprint in Bekleidungsfragen mit. Getrieben aus der Vorstellung, dass eine Krawatte die Blutzufuhr zum Gehirn und damit das Denken einengt und ein Anzug als Synonym für Enge und a Starre verstanden wird. Dahinter steckt der Wunsch, dass mit der aeusserlichen Veränderung auch eine Veränderung des Denkens und Handelns erreicht wird: Mit ziemlicher Sicherheit ein Trugschluss, ein Polo Hemd macht aus einem Vorstand keinen anderen Menschen, aus einem Sachbearbeiter im Uebrigen auch nicht!
Stimme in vollem Umfang zu.

Stil ist ja nicht nur Anzug, Krawatte und EST. Stil ist auch und vor allen in meinen Augen eine Frage von Passform, Farb- und Formensprache und Qualität. Da bieten sich dann auch neben dem Anzug hinreichend Optionen den eigenen Stil zum Ausdruck zu bringen.
Die Anzahl der Tragetage fùr Krawatten reduziert sich jedoch in einem solchen Szenario zunehmend, leider ...
Ich sag' mal jein. Das Problem in einem solchen Umfeld ist, dass zwischen einem ideenreichen Ausweich-Business-Casual-Outfit mit Tweed-Sakko/EST/OCBD/Shell Cordovan Schuhe/wasauchimmer und einem Anzugträger mit Krawatte am Ende gar kein Unterschied mehr gemacht wird, weil die Differenzierungsfähigkeit dafür gar nicht mehr vorhanden ist. Sobald die Sitten verrohen, befindet man sich halt in einer nach unten offenen Abwärtsspirale, in der jeder, der sich sichtbar davon distanziert (z.B. im Sommer lange Hosen trägt :D), erst mal verdächtig wird.

In einem solchen Umfeld zufrieden zu überleben funktioniert IMHO nur mit klarem Kante-Zeigen, weil die Anstrengung des öffentlichen Erklärungsbedarfs für "ein bisschen sartorial" und "the full monty" annähernd gleich sind. Dann ist man irgendwann der Typ, der halt so aussieht, wie er aussehen will. Im besten Falle wird man als Führungsmitarbeiter (potenziell oder tatsächlich, je nach persönlicher Jobrolle) wahrgenommen und im schlimmsten Fall als spleeniger Paradiesvogel.

Wenn man dafür zu schüchtern ist, bleibt nur das Mitschwimmen auf dem kleinsten gemeinsamen Büronenner. Ein zufriedenes Alltagsleben ist dann aber für einen echten Kleidungsinteressierten schwierig, schon die häufiger in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Tarnversuche à la "ich darf zwar keinen Anzug tragen, aber dafür trag' ich jetzt ganz stealthmäßig meine John Lobb zur Limited-Edition-Japanese-Raw-Denim-Jeans und Sea-Island-Cotton-T-Shirt, das merken die gar nicht, hihi" sind IMHO eine besonders traurige Manifestation der selbst auferlegten sartorialen Impotenz, wenn das nur eine stromlinienförmige Ersatzfunktion für ein typisches WTIH-Outfit haben soll, das man im eigenen Umfeld nicht zu tragen wagt.

Man kann resigniert den Nacken beugen und das alles in Kauf nehmen, "muss halt Geld verdienen", aber man sollte sich schon klar machen, dass man dann für die Hälfte seiner wachen Lebenszeit ohne echte Not einen Teil seiner Identität verleugnet (Träger von vorgeschriebener Arbeitskleidung natürlich wie immer ausgenommen, da geht's halt aus praktischen Gründen nicht anders). So etwas hinterlässt Spuren im Unterbewusstsein, beeinflusst die Körpersprache und hat somit am Ende Folgen für die ganze berufliche Außenwahrnehmung.
 
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