Das genau macht den Konsens über Recht und Unrecht aus, jeder weiß sehr genau, wenn er selbst unrechtmäßig in Nachteil gesetzt wird. Das schließt nicht aus, dass man selber gerne Täter wird, wenn man glaubt, nicht erwischt zu werden. Auch dann weiß man, dass man Unrecht tut, genießt aber den Vorteil zu sehr, als dass man sich darüber Gedanken machen würde. Wenn man ein mieser Charakter ist, und darauf will ich ja hinaus.
Es ist Dir unbenommen das zu glauben. Schön, dass die Welt für Nichtjuristen so einfach ist, leider hört sie auf das zu sein, wenn man sich mit Rechtsphilosophie und Kriminologie beschäftigt. So einfach ist es nicht, manchmal ist das zwar sicher auch so, es gibt aber jede Menge Menschen, die ein normativ strafbares Verhalten vor Gericht mit allen möglichen Erklärungen rechtfertigen und die würden in der Position der Normgeber auch etwas ganz anderes regeln. Mancher, der Geld in die Schweiz gekarrt hat, weil er 50% Steuerlast auf Zinseinkünfte ungerecht fand, hätte im Zweifel ein Steuersystem mitgetragen, bei dem seine Zinseinkünfte mit 10% besteuert worden wären und der Staatshaushalt durch höhere Steuern oder Einsparungen an anderer Stelle aufgebessert worden wäre. (Während andere sagen werden, dass er noch froh sein sollte, dass Zinsen nicht mit 90% besteuert werden) Seine Steuern stattdessen knurrend zu zahlen, hat eben nichts mit Konsens zu tun, sondern mit Akzeptanz einer gesellschaftlichen Entscheidung. Derjenige, der das Steuersystem gut findet, hat keinen Bedarf zu tricksen, demjenigen, der inhaltliche Kritik hat, bieten sich eine Vielzahl von Rechtfertigungsansätzen für die Legitimität seines Verhaltens.
Falsch. Das sind nur Ausreden, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Mit Ethik hat das überhaupt nichts zu tun. Jeder weiß, dass man seine Mitmenschen betrügt, wenn man seine Steuern nicht zahlt oder bei den Spesenabrechnungen seinen Arbeitgeber bestiehlt.
Falsch! Es hat jede Menge mit Ethik zu tun. Jeder weiß zwar, dass er etwas Verbotenes tut, aber es ist ja nicht alles ethisch falsch, was rechtlich verboten ist, genausowenig wie umgekehrt. Soviel Rechtspositivismus Recht und Gerechtigkeit gleichzusetzen ist so rührend naiv wie der Glaube an den Weihnachtsmann. Genau damit geht es jetzt aber los: Die meisten Menschen tun verbotene Dinge genau deswegen, weil sie den Sinn des Verbots nicht einsehen oder es für falsch halten. Die schönsten Beispiele sind dafür eben Ordnungsvorschriften. Ich behaupte sofort eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Ergänzung der StVO zu bekommen, nach der erwachsene Fußgänger auch bei rot eine Straße überqueren dürfen. Ebenso werde ich wahrscheinlich breite Unterstützung für einen massenhaften Austausch von Stoppschildern gegen "Vorfahrt gewähren" finden. Armeen von Menschen werden mir für die Legalisierung dessen danken, was sie eh schon immer als gesellschaftlichen Konsens gesehen haben - und damit übrigens genauso falsch liegen, da es immer einige geben wird, die lieber vorsichtiger sind. Klar, mancher mag einfach auch nur Egoist sein, aber das sind weniger als man glaubt, das Motiv sich über als materiell ungerecht empfundenes normatives Recht zu setzen, um diese materielle Gerechtigkeit wieder herzustellen, ist weit häufiger als Du glauben wirst.
Falsch. Man macht es, weil man einen klar definierten Vorteil bei gefühlt geringem Risiko der Bestrafung hat. Auch das hat keinen ethischen Hintergrund.
Deine in dieser Allgemeinheit falsche Aussage wird durch das "Falsch" am Anfang leider nicht richtiger.
Das Problem dieser Unterdiskussion ist, dass
jeder der Diskutanten eine andere Definition von Konsens hat. Was ein Grund zum Jammern ist, um on-topic zu bleiben.
Tja, ich bin überzeugt, dass jeder der Diskutanten Zugang zu einem Wörterbuch hat, die meisten haben m.E. sogar Lateinkenntnisse. Das Wort "Konsens" hat eine ziemlich klare Bedeutung. Dass was Du meinst ist der gesellschaftliche Kompromiss, der sich im normativen Recht ausdrückt und den anzuerkennen von jedem gefordert werden kann - insbesondere wenn er Ergebnis eines demokratischen Prozesses ist. Und deswegen ist auch für Gegner des aktuellen Steuersystems dies keine juristisch valide Rechtfertigung bei ihrer Veranlagung "eigene Prinzipien anzuwenden oder für Leute, die am Stoppschild nicht halten keine, dass die Kreuzung auch rollend gut einsehbar war. Diesen Kompromiss sollte man aber nicht leichtfertig als "Konsens" titulieren, denn das ist er faktisch nie, da sich in einer großen Gruppe immer jemand finden wird, der was anderes besser fände - auch wenn Medien das Wort Konsens gerne falsch verwenden.