Beurteilung Passform erster Anzug

Ein guter Anzug ist eines der bequemsten Kleidungsstücke, das es überhaupt gibt.

Das ist ein gerne und mit grosser Begeisterung wiederholter Stilforen-Unsinn, der meiner Betrachtung nach aus einem falsch angegangenen Rechtfertigungsbeduerfnis entspringt. Wem "bequem" im Sinne von zwanglos das Mass aller Dinge ist, der ist mit einem Jogginganzug oder Pyjama definitiv besser aufgehoben. Wem Aesthetik und/oder Formalitaet ebensoviel oder mehr bedeuten als Bequemlichkeit (oder waere das hier korrekt Bequemheit?), der wird sich haeufiger fuer Anzug und Krawatte entscheiden.
 
Sehe ich anders, meine Anzüge sind alle bequem in der Form: hoher Tragekomfort, kuschelig, zwicken nicht, ich fühle mich wohl darin. Wenn man den Anzug natürlich trägt, wie man ihn gemeinhin trägt, "so für gut und wenn mal was ist", wird sich diese Bequemlichkeit selten einstellen.
Früher gab es die sgn. gute Hose, in der man sich nicht bewegen durfte, die nicht dreckig werden durfte und sowieso nur angezogen wurde, wenn die bucklige Verwandtschaft einfiel oder man die Oma besuchte. Aus dieser Zeit dürfte bei vielen die Distanz zum Anzug rühren.

Ich würde meine Anzüge nicht tragen, wenn sie nicht bequem wären.

Mal zurück zum Thema. Hier suchen ein, zwei Novizen einfach einen Anzug. Die gesamte Forumskompetenz ballert aus allen Rohren und überfordert die Jungs offensichtlich total. Man nehme Bluesmans Anmerkungen, bessere daran nach und nehme sich die Zeit, genauso lange zu experimentieren, zu probieren wie die alten Hasen hier. Was bitte soll ein aktuell 20jähriger, der ansonsten Cargohosen trägt und sich beiläufig mit Mode auseinandersetzt mit einem Bespoke 400g Schätzchen von Huntsman aus den 60ern? Die Beurteilung wird wesentlich schlimmer ausfallen.
 
Das ist ein gerne und mit grosser Begeisterung wiederholter Stilforen-Unsinn, der meiner Betrachtung nach aus einem falsch angegangenen Rechtfertigungsbeduerfnis entspringt. Wem "bequem" im Sinne von zwanglos das Mass aller Dinge ist, der ist mit einem Jogginganzug oder Pyjama definitiv besser aufgehoben.
Puh, hier hat jemand konkret nach dem Bequemlichkeitsaspekt gefragt und ich habe meine Meinung kundgetan, nichts weiter.

Nackt sein ist auch bequem, das zählt also nicht, ein Anzug ist eine typische Bekleidung außerhalb der eigenen vier Wände. Ich musste letztendlich feststellen, dass das, was man landläufig als Freizeitkleidung für diesen Zweck bekommt, nicht in einer Passform und mit Materialien für mich erhältlich ist, die ich als bequem einschätzen würde, wenn man das mit dem Tragegefühl vergleicht, das ich bei meinen Anzügen habe. Ob Du selber in sartorialer Kleidung formell aussehen willst und Dich dabei in bewusster Unbequemlichkeit selbst kasteist, ist völlig Dir überlassen, mein Ding ist das halt nicht.

Ich trage den Kram natürlich auch, weil ich das ästhetisch interessant finde, das ist schon richtig. Aber das reicht allein nicht als Antriebsmoment aus, um einen Anzug oder eine Kombination täglich außer Haus zu tragen, wenn man sich darin nicht auch physisch wohlfühlen würde.
 
Bequem heisst aber doch nicht nur ausschliesslich, man kann lungern. Es soll auch Behaglichkeit bieten. Ohne jetzt tiefenphilosophisch zu werden, das ist ja bekanntermassen Sobels Spielwiese, heisst bequem für mich, angenehmes Empfinden. Dazu gehört natürlich eine gewisse Aussenwirkung ( Man kommt "gut" an, die Leute sind freundlich usw. ), aber auch Zufriedenheit mit mir selbst, ich fühle mich gut. Das hat nicht nur mit dem Kuschelfaktor der Kleidung zu tun, sondern sicherlich auch mit dem Gefühl, das sie mir gibt.
Also viel Raum für persönliche Ansichten, die bei jedem unterschiedlich sein dürften.

Dennoch ist es so, das große Teile der (männlichen) Bevölkerung von vorne herein kategorisch ausschliessen, Anzüge könnten bequem sein, wird er doch immer eher als Verkleidung oder Uniform empfunden. Das ist schade, dem ist eben nicht so. Wenn man einen Anzug so selbstverständlich trägt wie Pulli und Jeans, gibt es meiner Meinung nach keinen Unterschied.
Aber das führt sicherlich wieder zu weit.
 
Ich glaube hier wird das Ratio zwischen Tragekomfort und Formalitätsgrad mit der reinen Empfindung des Träger verwechselt bzw. gleichgesetzt.
[...]
Ebenfalls sehe ich bei vielen das Problem,dass sie nicht zugeben wollen, dass man Kleidung auch trägt um ein gewisse Außenwirkung zu erreichen und weil es einem gefällt und deswegen auch anderweitig Abstriche in Kauf nimmt.
Ich habe das doch schon ausgeführt: Wir reden hier über Kleidung, die man meist außer Haus trägt. Da empfinde ich übliche Freizeitkleidung (Jacken, Jeans etc.) gegenüber der weichen, kaum spürbaren Präsenz der feinen Stoffe eines Anzugs als unbequem. Und es passt mir bei Freizeitkleidung nichts (Leibhöhe zu niedrig, rutschende Hose, Jacken entweder viel zu eng oder zu breite Schulter, zu lange Arme), was es noch unbequemer macht. Was kann ich noch mehr dazu sagen? Ja, im Bett bevorzuge ich Pyjamas :), das ist schon richtig, aber man muss ja auch den Ort miteinbeziehen, in der man überhaupt Anzüge trägt, nämlich den öffentlichen Raum.

Ich gewinne langsam den Eindruck, dass die Anwesenden hier entweder ihre sartoriale Kleidung nur auf WTIH-Fotos oder unter situationsbedingtem Zwang tragen oder das hier als Selbsthilfegruppe sehen, in der man ästhetisch und formell würdevoll gemeinsam in seinen Anzügen und Krawatten leidet. :D ;)
 
In der Grundaussage stimme ich Dir vollständig zu. Hier allerdings sehe ich eine kleine Einschränkung an dieser Stelle:

kategorisch ausschliessen, Anzüge könnten bequem sein, wird er doch immer eher als Verkleidung oder Uniform empfunden. Das ist schade, dem ist eben nicht so. Wenn man einen Anzug so selbstverständlich trägt wie Pulli und Jeans, gibt es meiner Meinung nach keinen Unterschied.

Stichwort "Funktionskleidung". Sobald ich spezialisierte Kleidung brauchen kann wird diese besser, bequemer sein (wobei, so eine Turn-WM im Dreiteiler hätte sicher was :D). Ebenso ist es praktischer wenn die Kleidung dreckig wird.

Je mehr ich drüber nachdenke (anhand meiner eigenen Aktivitäten), abseits extremerer körperlicher Betätigung sind Jeans und Pulli oft genug praktischer (Reinigung, und ich ruiniere lieber einen Pulli für 20 € als einen Anzug für 500 €, but that's just me), aber nicht unbedingt bequemer.
 
Ich gewinne langsam den Eindruck, dass die Anwesenden hier entweder ihre sartoriale Kleidung nur auf WTIH-Fotos tragen

Also, ich ziehe diese schlimmen Sachen immer sofort nach dem Foto aus und schlüpfe in was bequemes. Ballonseide oder so, die ich dann leger in die Kniekehlen rutschen lasse. :cool:
Machst Du das etwa anders?? :eek: :eek:
 
Zuletzt bearbeitet:
Na ja, es gibt auch Tweedanzüge für grobe Arbeit, Knickerbocker, Norfolk Jacken - das war, zu seiner Zeit - auch Funktionskleidung, bis hin zu den berüchtigten Fahrradanzügen, den Velocity Suits.
Du hast natürlich recht, das ein Anzug nicht immer die passende Kleidung ist, aber darüber sind sich wohl alle einig. Dennoch, und das scheint heutzutage das große Problem, kann man sich auch praktisch kleiden, ohne auszusehen wie ein Sumpfoger.
Was nun Verschmutzung und Reinigung betrifft, Kleidung ist ein Gebrauchsgegenstand, je öfter man ihn braucht, desto mehr Risiken ist sie ausgesetzt. Nennt man Patina:)
 
Na ja, es gibt auch Tweedanzüge für grobe Arbeit, Knickerbocker, Norfolk Jacken

Leider schwer zu kriegen. Ich halte unterschwellig immer die Augen offen nach einem "Tweed-Arbeitsanzug" - Jacke und Hose, möglichst hohes Gewicht bei möglichst wenig Fütterung, und, damit das Herz nicht blutet, für völlig unrealistisch wenig Geld (das ist der Teil mit "schwer zu kriegen"). Und den dann richtig hart rannehmen, querfeldein durch die Brombeeren am Waldrand, durch die Tannenschonung, Gartenarbeit, Fußball mit den Kindern... Paisley hatte glaube ich mal ein Foto von drei alten Männern gezeigt die solche Anzüge offenbar zur Volljährigkeit bekommen und seitdem genutzt hatten. Traumhaft!

Bei mir sitzt das Geld halt nicht so locker dass ich mir für den Zweck was für 2k€ bespoken lassen könnte. :)
 
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