Aus der Serie: Mannesduft
Mancherorts hat Parfüm einen schlechten Ruf – er eilt ihm quasi als Giftwolke voraus. Schon die alten Puritaner hatten Probleme mit dem Duft weltlicher Eitelkeit, heute sind es aber eher Koalitionen aus Allergophoben und Regulierungsfanatikern, die das Verbot von Parfüm am Arbeitsplatz und selbst in ganzen Kommunen vorantreiben, wie z.B. schon im Jahre 2000 im kanadischen Halifax. Allerdings muss eingeräumt werden, dass Parfümträger gelegentlich zu diesem negativen Image beitragen. Jeder, der nur einmal durch eine Phalanx spritzwütiger Dufthostessen in einem größeren Kaufhaus spurtete, weiß wie richtig Paracelsus lag, als er feststellte, dass die Dosis das Gift macht. Die haarsträubendste Farbkombination ist noch weniger aufdringlich als ein Übermaß an Parfüm (und die Augen kann man leichter abwenden als die Nase). Der Gentleman legt selbstredend wert auf olfaktorische Zurückhaltung und ein dezenter Auftritt bedarf lediglich der Beachtung einiger weniger Faktoren.
- Das Ziel: Zunächst ist festzuhalten, das Parfüm, wie eine geschmackvolle Garderobe, nicht der Maskierung ihres Trägers dient, sondern der eleganten Akzentuierung seines Charakters. Die Essenz sollte sich idealerweise mit dem Eigenduft des Trägers vermählen und somit eine ganz individuelle Note entfalten. Dem stünde eine Überdosierung nur im Weg.
- Einordnung des Parfüms: Je schwerer der Duft, desto vorsichtiger sollte man ihn dosieren. Leichte hesperidische (d.h. Zitrus-)Düfte (z.B. Villoresi Acqua di Colonia, Geo. F. Trumper’s Limes, oder Arlington Cologne von D.R. Harris) können großzügiger aufgetragen werden, da sie schnell verfliegen. Das gilt auch für Naturparfüms, welche ohne synthetische schwere Artillerie auskommen müssen und daher deutlich schwächer haften. Würzige, süße und moschuslastige Düfte (z.B. Frédéric Malles Musc Ravageur oder Mazzolari Lui) sind sparsam im Gebrauch. Bei letzterem reicht ein Spritzer auf die Brust für den ganzen Tag. Auch die „Sillage“, die Raumprojektion eines Duftes ist von den Inhaltsstoffen abhängig. Weiße Blüten wie Jasmin, Tuberose, Ylang, aber auch Vetiver, Zeder, Adlerholz und natürlich bestimmte Synthetika können sehr raumgreifend wirken. Ob man gerne „ausstrahlt“ oder einen intimen Duftradius präferiert ist auch eine Typfrage und schon beim Parfümkauf eine Überlegung (und Nachfrage) wert.
- Strategisches Auftragen: Die Ganzkörpereinnebelung mit dem vollständigen Inhalt des Flakons sollte man der Werbefiktion überlassen. Ein kleiner Spritzer auf Brust und/oder Nacken, die Pulspunkte am Handgelenk und, wenn es konveniert, ein Tupfer hinter die Ohren genügt meist. Hier kann und sollte man experimentieren – manche Herren bevorzugen je nach Duft auch, sich kurz in einen Nebel aus mehreren Sprühstößen zu stellen. Duft entwickelt sich auf Kleidung langsamer und haftet besser als auf Haut, was ein Vorteil sein kann, aber besondere Zurückhaltung erfordert.
- Duftentwicklung: Parfüm entfaltet sich. Zunächst dominieren die flüchtigeren Kopfnoten, das Herz kommt in den nächsten Minuten dazu und sollte einige Stunden halten, während die Basis sich spätestens nachmittags durchsetzt, um dann gegebenenfalls über viele Stunden bis in die Nacht oder gar den Morgen abzuklingen. An Textilien können Basisnoten tagelang haften. Dosieren Sie den Duft vom Höhepunkt seiner Entfaltung her, nicht dem Auftakt. Manche Parfüms haben wiederum sehr heftige Kopfnoten (Knize Ten) und es kann sinnvoll sein, diese abklingen zu lassen, ehe man sich unter Menschen begibt. Sehr leichte Parfüms, wie man sie gerade im Sommer trägt, kann man bedenkenlos neu auftragen – zu diesem Zweck kann man sich z.B. einen kleinen Atomiseur für die Jackentasche mit Nachschub befüllen.
- Duftwahrnehmung: Die Nase gewöhnt sich schnell an Düfte und blendet diese dann aus. Durch diese olfaktorische Gewöhnung und Ermüdung kann man sich schnell in der Dosierung täuschen – man riecht sein Parfüm nicht, während die Kollegen schon nach Luft ringen. Die meisten Menschen sind zudem gegenüber gewissen Duftsubstanzen anosmisch, d.h. sie können sie nur schwach oder gar nicht wahrnehmen, weshalb sie Teile bestimmter Parfüms nicht registrieren (dem Verfasser ergeht es zum Beispiel bei Amouage Dia so). Um unintendierte Duftattacken zu vermeiden kann es insofern nicht schaden die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Parfüms mit Partnern, Kollegen und Freundeskreis abzugleichen. Nicht immer wird eine ehrliche Haut zugegen sein, die unaufgefordert feststellt, man stinke wie ein Puff.
- Interferenzen: Bei einem Gourmet-Essen oder speziellen Verkostungen von Wein, Whisky, Schokolade und ähnlichem sollte man ganz auf Parfüm verzichten oder bestenfalls einen äußerst dezenten Duft, am besten ein leichtes Eau de Cologne mit minimaler Sillage, auftragen, sonst sind Interferenzen für alle Anwesenden unvermeidlich. Schließlich tragen auch Parfümeure bei der Arbeit und manchmal sogar aus Prinzip kein Parfüm.