Mannesduft – Wann riecht ein Mann nach Mann?

Männer und Parfüm – das ist zumindest in der westlichen Welt seit der Moderne kein ganz einfaches Thema gewesen. Übergoss man sich im androgynen Barock noch gemeinschaftlich mit schweren, animalischen Düften und teilte seit dem Rokoko die Vorliebe für das leichte zitrisch-florale Eau de Cologne, versteifte Mann sich im späten 19. Jahrhundert auf den Begriff toiletries, um nur nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, er bediene sich kosmetischer Schönheitsprodukte. Noch heute benutzen Amerikaner die mißverständliche Hilfskonstruktion cologne für Herrendüfte, um sich klar vom weibischem perfume abzugrenzen. Gerade weil industrielle Revolution und gesellschaftliche Modernisierung den Mann in ganz neuartige soziale Korsette – etwa des Fließbandarbeiters oder des Angestelltendaseins – zwängen wächst der maskuline Mythos des rauhbeinigen Einzelkämpfers, des autarken Helden und selbstbewussten Kriegers ins Unermessliche. Die Heroen des Tages leben nicht zufällig im wilden Westen und heißen Buffalo Bill oder Old Shatterhand. Und sie riechen nach Schweiß, Blut, Bison und Manneskraft, nicht nach Rose und Geranium. Einige Gazetten dieser Zeit warnen denn auch vor dem dekadenten Griff zum Flakon und haben für die Allüren verweichlichter Gentlemen, welche ihr Taschentuch mit Penhaligon’s Hammam Bouquet oder Mouchoir de Monsieur von Guerlain beduften nur Hohn und Spott übrig.

So pflegt man in besseren Kreisen althergebrachte Dufttraditionen, die überwiegend mit der männlichen Praxis der Rasur verknüpft sind, aber Parfüm für Männer fristet lange Zeit ein eher kärgliches Dasein im Schatten einer fast gänzlich auf Frauen fixierten modernen Parfümerie, die aufgrund bahnbrechender Fortschritte in Chemie und Technologie wie in einem Zeitraffer rasend schnell erblüht und sich aus einst aristokratischen Gefilden einem mittelständischen Massenmarkt zuwendet (um1900 gibt es in Frankreich bereits 300 Parfümhersteller und Guerlain wirft seit 1890 jährlich zehn neue Düfte auf den Markt).

Erst in den 60er und erst recht den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gelingt dann die Quadratur des Kreises: in einem genialen Kunstgriff werden Herrenparfüms nun massiv als Inbegriff von Männlichkeit, Abenteuer, Natur, Eros und Individualität vermarktet. Die Werbebilder wie die Namen sprechen für sich: Hai Karate (1967), Agua Brava (1968), Sir Irisch Moos (1969), Brut (1974), Blue Stratos (1976), Arrogance (1982). Dazu ein kantiger Flakon und ein deutliches sichtbares Monsieur, pour homme, pour lui, man oder uomo und die Geschlechtergrenzen sind klar abgesteckt – der Rubel kann ohne Identitätskrise rollen.

Von diesem festen Grund her kann sich der Duftmarkt für Männer bis in die Gegenwart immer weiter vergrößern und ausdifferenzieren. Zum immer noch populären muskelbepackten, abenteuerlustigen Superlover stoßen sanfte esoterische Neumänner (Bioparfüms), Metrosexuelle (dior homme), offen umworbenen Homosexuelle (Rothenstein) und zahllose Splitterzielgruppen, die mit spezifischen Männlichkeitscodes zum Beautykonsum eingeladen werden.

Wie aber unterscheidet sich jenseits des Marketings ein Herrenduft nun tatsächlich von einem Damenparfüm? Tatsache ist, dass Parfümeure in dieser Hinsicht nicht differenzieren. Als der große Duftschöpfer Pierre Bourdon gefragt wurde, wie man ein feminines Parfüm zu einem Männerduft umarbeiten könne war seine sinngemäße Antwort: „Schreiben Sie pour homme auf den Flakon.“ Man kann zwar sicherlich mit einer gewissen Logik bestimmten Duftnoten maskuline oder feminine Eigenschaften zuschreiben, etwa wenn die Naturparfümeurin Ayala Sender sich in den Raum projizierende Kompositionen als männlich und „rezeptive“ Düfte als weiblich vorstellt. Aber jegliche Zuordnung basiert natürlich auf kulturellen Konstruktionen, weshalb arabische Männer gerne Rose tragen und Inder Jasmin, wo Europäer und Amerikaner sozialisationsbedingt zögern würden. Tatsächlich stecken aber selbst viele klassische Herrendüfte voller Rose, Geranie, Jasmin und selbst Maiglöckchen, ebenso wie viele Klassiker für Damen Cumin oder Koriander enthalten, die, denkt man sich das Ballkleid mal eben weg, am ehesten an rauchende, schwitzende Trucker erinnern. Letztlich sind viele Herrendüfte, Bourdons Axiom folgend, geringfügig modifizierte Damenrezepturen – Aramis J.H.L. ist z.B. eigentlich Estée Lauders Cinnabar. Annick Goutal verkauft ganz pragmatisch dieselben Parfüms in einem Damen- und einem Herrenflakon. Und wer meint Tabak und Leder seien als olfaktorisches Abbild des Herrenclubs ganz unbestreitbar eine männliche Duftdomäne, der sei an Caron’s Tabac Blonde und Chanel’s Cuir de Russie (Russisch Leder) erinnert. Beispiele für die Beliebigkeit von Geschlechterzuordnungen in der Duftwelt gäbe es noch viele. Um zu den Anfängen der gegenderten Parfümerie zurückzukehren sei noch erwähnt, dass Houbigant’s Fougère Royale von 1882 als Damenduft lanciert wurde, aber letztlich ein ganzes nach ihm benanntes Genre begründete, dass eine tragende Rolle in der Herrenparfümerie spielen sollte, während Guerlain’s Klassiker Jicky von 1889 für Männer gedacht war, aber, trotz einer prägnanten Fäkalnote, von Frauen lieb gewonnen wurde.

Die Moral von der Geschicht’: Geschlechtergrenzen gibt es nicht. Mann traue einfach seiner Nase und trage was einem gefällt und was zum Duft der eigenen Haut am besten passt. Mit Shalimar (am besten Extrait), dem paradigmatischen Orientduft von Guerlain für die femme fatale, kann zum Beispiel so mancher Mann seinen Smoking oder Frack olfaktorisch aufwerten und wird Komplimente von allen Seiten ernten. „Ist das der neue Luxusduft von Amouage? So exotisch, elegant und doch viril!“ Es liegt an Ihnen, ob Sie Ihr Geheimnis lüften…

Kategorie: Düfte, Mannesduft

Dr. Tom Clark

Dr. Tom Clark ist der Duftexperte auf Stilmagazin.com. Seine weitreichenden Kenntnisse und großes Hintergrundwissen werden Sie faszinieren. Seine Kolumne "Mannesduft" hält einige Überraschungen für Sie bereit.

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