Welche Erwartung habt ihr an einen lokalen Herrenausstatter?

Das ist falsch. Und auch keine Meinungsfrage.

Material (inkl. Gewinnung und Behandlung)
Produktion und Vermarktung

Darauf jeweils eine Kalkulation.
Das ist der Preis der gerechtfertigt ist ;)
keine Meinungsfrage sondern Betriebswirtschaft

die ursprüngliche Frage ging nicht nach dem gerechtfertigten sondern nach dem angemessenen Preis, zu welchem die Kunden die Ware auch kaufen würden ...
In der Regel werden wir uns im Ausstattungsbusiness in einem Angebotsmarkt befinden, d.h. der Kunde bestimmt zu welchem Preis er was kauft oder eben nicht (wenn Produkt x zu teuer ist, kauft er eben "Ersatz"produkt y) ...
Ein Nachfragemarkt ist nur dort, wo die Nachfrage deutlich grösser ist als das Angebot (Bsp.: Börsengang von Facebook, mittlerweile eher wieder ein Angebotsmarkt ...), was bei Kleidern (vielleicht ausserhalb der Haute Couture und der Zustände im Realsozialismus) wohl eher selten der Fall sein dürfte ....
Nach meinem betriebswirtschaftlichen Verständnis muss sich ein Hersteller/Verkäufer in einem Angebotsmarkt als erstes fragen, was ein Kunde für das fertige Produkt zu bezahlen bereit ist und erst danach, wie er es schafft zu diesem Preis zu produzieren und erst noch Schwankungsreserve und Gewinn zu erwirtschaften ... der umgekehrte Weg führt i.d.R. schnurstracks in die Insolvenz ...
 
Der Preis ist also abhängig von vielen Faktoren!
Was der Kunde meint bezahlen zu wollen, ist definitiv keiner davon!

Wie ich schon geschrieben habe, war es ein großer Fehler so sehr auf Kundenwünsche einzugehen. Wünsche die unter normalen Umständen nicht zu erreichen waren, hat man dennoch umgesetzt mit sehr unsozialen Methoden.
Die am Ende der Fahenenstange selbst jene schaden die sie herbei gewünscht haben ;)

Wie schon erwähnt, ist der Preis den "der Kunde" zu bezahlen bereit ist, in einem Angebotsmarkt der wichtigste aller Faktoren .... wobei: Kunde 1 ist vielleicht bereit 70 zu bezahlen, Kunde 2 nur 60, Kunde 3 nur 50 ... willst Du alle drei Kunden musst Du für 50 verkaufen, reicht Dir Kunde 1 geht auch 70

was Du weiter beschreibst, ist die Marktdisziplin einen quasi Nachfragemarkt zu erhalten (wird bei Absprachen auch "Kartell" genannt). Ich glaube es lief allerdings eher so ab:
(1.) 1 Hemd in "business qualität" kostet bei Hersteller x, y oder z um die 50, "Produktionskosten" sagen wir 30
(2.) Hersteller y senkt seine Produktionskosten auf 25, indem er statt in England in Rumänien weben lässt -> verdient mehr pro Hemd
(3.) Hersteller y hat nun volle Kassen und geht auf Umsatz -> Verkauft neu das Hemd für 40
(4.) Hersteller z kontert, indem er in Indien für 15 produzieren lässt und für 30 verkauft ....
(5.) etc. etc. x, y, z verkaufen nun ihre Hemden für ca. 25
(6.) für den Konsumenten ist nunmehr 25 der neue Referenzpreis für ein Hemd in "business qualität"
Ausgangspunkt also eher nicht der "Druck des Konsumenten" sondern die "Gier des Produzenten" nach Umsatz und Gewinn ....
 
Und bei richtigen Qualitätswaren ist der Preis knallhart kalkuliert, das jeder daran verdienen möchte sollte keine Schande sein^^
Aber die Preise von Qualitätsmarken deren Namen nicht im Werbehype stecken werden nicht vom kaufenden Kunden bestimmt. Sondern von den Kosten-Faktoren ;)
Was passieren kann- das Kunden den Preis nicht akzeptieren....dann werden die Preise aber nicht billiger (wie bei Chiemsee oder EdHardy) sondern die Marken verschwinden vom Markt weil der Hersteller entweder Pleite ist oder/und die Qualität dem billigen Preis entspricht und niemand mehr kauft....

also mir ist schon klar, dass der Kunde nicht in den Laden geht und sagt, ich hätte gerne diesen fully canvassed Anzug und bezahle dafür EUR 250.- und der Ladenbesitzer geht noch darauf ein (wobei ich das mit einer Hirschlederjacke von DKNY auch schon mal erfolgreich ausprobiert habe) ....
aber wie Du richtig feststelltst: wenn die Preisgestaltung am Kunden vorbeizielt, geht der Laden pleite ... heisst doch nichts anderes, als dass letztlich "der Kunde" (als Marktteilnehmer, nicht als einzelner Käufer) bestimmt (auch wenn er nicht direkt gefragt wird), zu welchem Preis die Ware feilgeboten werden soll .... die Kostenfaktoren müssen diesem Preis angepasst werden ....
Kein (erfolgreicher) Businessplan sieht so aus: Ich kann ein Hemd für 150 produzieren und hoffe es für 200 zu verkaufen ...
Hingegen könnte ev. interessant sein:
1. Hemden der Qualität x kosten bei der Konkurrenz ab EUR 220
2. Es gibt 10'000 potentielle Kunden die jährlich 2 Hemden in Qualität x kaufen
3. Ich kann Qualität x für EUR 150 herstellen.
4. Ich kann Qualität x für EUR 200 verkaufen
5. Ich gehe davon aus, dass 25% der 10'000 Kunden preissensitiv sind und davon 10% bei mir ein Hemd kaufen (= 250 Hemden), zusätzlich wären 5000 Kunden bereit, max. EUR 200 für ein Hemd auszugeben, an 10% von diesen will ich ebenfalls ein Hemd verkaufen = 500 Hemden)
(alles für's erste Jahr)

vermutlich reden wir vom selben, aber m.E. ist die Katze am Schwanz, resp. die Preisgestaltung an der Kundenerwartung aufzuhängen und nicht umgekehrt .... kann ich aufgrund meiner Produktionskosten nicht für max. EUR 220.- verkaufen, sollte ich es lieber sein lassen, da ich im Markt keine Chance haben werde (ich lasse mal "Lifestyle" und "Marke" ausser Acht)
 
Dein Beispiel die gleiche Qualität zum günstigeren Preis anzubieten, geht immer für den Kunden schlecht aus. Den es versucht immer einer günstiger zu sein. Dann folgt das sparen der Hersteller. Und am Ende hat man das was man jetzt hat - das die Ideengeber die einer Firma helfen zu sparen ein Vielfaches verdienen wie die Arbeiter....so geht die Qualität Berg ab...

Also deiner Meinung nach ist z.B. das Angebot von SuSu mit half-canvassed Anzügen im zeitgemäßen Schnitt zu günstigen Preisen zum Nachteil der Verbraucher?
 
Ich finde du machst es dir da etwas einfach. Wenn in der Vergangenheit jeder so gedacht hätte wie du, wäre die Nähmaschine nie erfunden worden.

Dass jemand ein Produkt günstiger anbieten kann bedeutet nicht immer, dass er dabei auch illegitime Abkürzungen nimmt (Billiglöhne, schlechtere Qualität, ...)
 
Dein Beispiel die gleiche Qualität zum günstigeren Preis anzubieten, geht immer für den Kunden schlecht aus. Den es versucht immer einer günstiger zu sein. Dann folgt das sparen der Hersteller. Und am Ende hat man das was man jetzt hat - das die Ideengeber die einer Firma helfen zu sparen ein Vielfaches verdienen wie die Arbeiter....so geht die Qualität Berg ab...

Ich würde das schon etwas differenzierter sehen, ohne gleich das Zauberwort "Innovation" bemühen zu müssen: wenn ich neu in einen Markt eintrete, habe ich drei Möglichkeiten mich zu profilieren:
1. Ich biete etwas vollkommen neues an (bei zumindest "klassischen" Herrenausstattern wohl eher schwierig)
2. Ich biete bereits vorhandenes in besserer Qualität an (kann übrigens auch in einem Mehr an Beratung liegen)
3. Ich biete bereits vorhandenes günstiger an
In allen diesen Fällen biete ich potentiellen Kunden einen Mehrwert an ....
(eine vierte Möglichkeit wäre noch auf mein Verkaufstalent zu bauen, diese bringt aber dem Kunden sicherlich keinen Mehrwert)

Was die abwärts laufende Qualitätsspirale angeht bin ich auch etwas unschlüssig ob ich mit Dir vollends einig gehe. Ich sehe das eher wie folgt:
1. die Qualität im höchsten Segment ("First Class") ist über Jahrzehnte konstant relativ gleich. Dieses Segment war nie und wird nie besonders preissensitiv sein.
2. die Qualität im unteren Segment ("Economy Class") hat sich insofern gegenüber sagen wir 1970 verbessert, als ich heute für eine (sprichwörtliche und teuerungsbereinigte) Mark mehr und in besserer Qualität erhalte als vor 40 Jahren.
3. Der "Mittelbau" ("Business Class") wird von zwei Seiten "angegriffen": einerseits durch die Tendenz, für die Fertigung möglichst "Economy-Class"-Produktionsmethoden einzusetzen, andererseits aber auch durch die gesellschaftliche Tendenz "Economy Class" als "akzeptable Warenkategorien" anzusehen (d.h. auch wenn ich mir mehr leisten könnte ist es keine Schande im Aldi einzukaufen) .... beides war vor 40 Jahren noch anders: im Aldi (für Kleider wohl H&M) kaufte, wer was auf sich hielt und sich was "besseres" leisten konnte, höchstens heimlich ein und die Produktionsmethoden waren noch nicht standardisiert ....

Allerdings scheint mir, geht die gesamte gesellschaftliche Tendenz in die gleiche Richtung: der Mittelstand wird überall langsam aber sicher ausgeblutet mit der Folge, dass wir (bei gleichbleibender Entwicklung) in ein, zwei Generationen wohl eine paar 1000 Superreiche, eine kleine "Mittelklasse"-Schicht und eine grosse Schicht Leute die zwar nicht hungern müssen und sich vielleicht auch zwei Wochen Urlaub in einem 3.Welt-Land gönnen können, aber letztlich auch nicht viel mehr .....
 
Ich kenne keine Einzelheiten über diese Variante.
Aber um Kosten zu sparen muss der Hersteller Arbeitsgänge- und/oder material reduzieren.
Ich glaube, im Beispiel Suitsupply wurden einfach alle Zwischenhändlerstufen und externe Distributoren zwischen Produktion und Endkunde gestrichen und die Einsparungen zum Teil an den Kunden weiter gegeben.

Da teils schon seit vielen Jahrzehnten wesentlich billigere Schrottware und deutlich teurere Markenware schlechterer Qualität am Markt etabliert ist, kann ich Ihre Spirale des Untergangs für den Kunden hier nicht so ganz sehen. :)

Ihr Denkfehler ist, dass Sie davon ausgehen, dass sich Qualitätsstufe der Ware und Preisgestaltung des Anbieters direkt proportional zueinander verhalten. Das ist aber nur in Märkten mit maximaler Transparenz von Produktionskosten und höchstem Qualitätsverständnis beim Kunden der Fall. Ersteres ist im Bekleidungsmarkt fast gar nicht gegeben, letzteres nur z.T. in den oberen Marktsegmenten. Dadurch ist überteuerte Ware in allen Marktsegmenten möglich (und vielfach die Regel), solange der Bekanntheitsgrad der jeweiligen Marke hoch genug ist.
 
Kannst du mir erklären warum?

Die Nutzung der Nähmaschine verkürzt die Produktionszeit für ein Hemd dramatisch, weil nicht mehr jede Naht von Hand genäht werden muß. Folglich kann ein Hemd günstiger hergestellt und auch angeboten werden.

Sollte nur ein Beispiel sein, dass eben echte Unterschiede im Preisgefüge geben kann. Ähnliche Beispiele gibt es von Online-Retailern, die sich das klassische Vertriebsnetz sparen und damit günstiger anbieten können.

Das ist für mich als Verbraucher zum Vorteil, nicht zum Nachteil.
 
Aber, könnte der Online Handel ohne den Straßenhandel auf Dauer existieren?
Mmh. Glaube schon.
Wäre das ein Vorteil für den Kunden? Ich denke nicht.

Genau das bringt uns wieder zurück zum Topic dieses Fadens: zum Herrenausstatter.

Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen liefert der Einzelhändler doch kaum einen Mehrwert. Er hat eine naturgemäß beschränkte Auswahl und das was einem heutzutage oftmals an Beratung zugemutet wird, rechtfertigt für mich nicht den höheren Produktpreis. Daher kaufe ich (außer Maßfertigungen) online.

Derjenige, der die Beratung beim Herrenausstatter in Anspruch nehmen möchte, soll bitte selbst dafür bezahlen, ich bezahl ihm das aber nicht mit.
 
Daran Schuld wird aber nicht die Masse sein. Sondern der Mittelstand selbst.
Solange der Metzger seine Brötchen beim Lidl kauft,
und der Bäcker sein Fleisch beim Aldi,
wird der Mittelstand vor die Hunde gehen.
So wie du es beschrieben hast!
Die Brötchen Fleisch Theorie konnte noch nie einer verneinen :D (auch wenn es immer noch welche gibt die sehr konsequent einkaufen!)

Der Mittelstand ist an seinem Untergang sicher selber schuld, aber die "Brötchen-Theorie" (gefällt mir übrigens) ist nur ein Teil des Problems. Der andere ist das Wahlverhalten (schliesslich wählen wir unsere Politiker selber). Seit ca. 1990 (dem Fall des "Realsozialismus") findet unter dem Vorwand der "Globalisierung" eine gnadenlose Umverteilung von der Mitte (nicht wie die Sozis meinen von "unten", denn da ist eh nicht viel zu holen) nach Oben statt. Privilegierten werden Steuergeschenke und Subventionen zuteil (wobei auch die Subventionierung der Unterprivilegierten in Zunahme begriffen ist, offenbar reisen (auch) bei Euch Herrscharen von Bulgaren, Rumänen und wohl bald auch Griechen an um sich etwas Kindergeld und Sozialhilfe abzuholen), Banken werden mit Steuergeldern rekapitalisiert oder von lästigen Griechen-Oblis befreit und schütten ihren Oberern darob kaum weniger Boni aus .... (ich wähle übrigens "liberal" bis leicht links)
 
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