Das wirklich Bizarre dabei ist, dass wir nicht als die Nonkonformisten wahrgenommen werden, sondern als die letzten der Konformisten, ohne dass der Mehrheit die Unlogik daran auffallen würde.
Daraus folgt im Umkehrschluss aber, dass wirklich jedem sonnenklar ist, wie ein sartoriales Outfit wirklich getragen werden sollte. Niemand lässt die Krawatte weg, um sartoriale Kleidung gestalterisch weiter zu entwickeln wie der persönlich gestörte, aber kleidungsbezogen brillante Duke of Windsor mit seiner Kombinationsidee von Raulederschuhen zum Flanellanzug. Es ist nach wie vor der um 50 Jahre verspätete Ausdruck des persönlichen Protests gegen die "korrekte" bürgerliche Form, ohne dass das Konzept des Proportionsbezugs der Krawatte zum Anzug irgendwem klar wäre (oder irgendwen interessieren würde).
Ich denke auch nicht, dass es dabei nur um gefühlte Bequemlichkeit geht. Man hat einfach zu viel Angst davor, für jemanden gehalten zu werden, der konservative Regeln befolgt, ohne dass verstanden wird, dass die Krawatte DIE Möglichkeit zur persönlichen Individualisierung vor einem neutralen Anzughintergrund und somit das genaue Gegenteil des simplen Weglassens darstellt. Dabei hilft natürlich, dass die meisten Menschen noch nie eine wirklich gut gemachte Krawatte in der Hand gehalten haben. Bildungsmangel, Unsicherheit und Vorurteile sind halt die größten Hürden für die persönliche Entfaltung in einer freiheitlichen Gesellschaft.