Was macht den Gentleman aus - außer der Kleidung?

Imho war Herr Rötzel in seinem Buch quasi gezwungen, große, teuere und bekannte Marken zu veröffentlichen. Da diese bekannt sind und für jedermann wiederfindbar.

Was hätte es genutzt, wenn Rötzel bei Schuhen z.B. irgendeinen unbekannten Keinhersteller Names "Pilliepenny" von den Orkney-Inseln genannt hätte? Bei Namen wie Church, Crockett u. Jones, Alden usw. erkennt der Modeinteressierte die vom Verfasser gemeinte Richtung, kann Expemplare im Internet ansehen oder im Fachhandel real anprobieren. Die Wiederauffindbarkeit der Marken und Artikel ist gegeben.

Wenn der selbstständig denkende Forenuser dann ähnlichaussehende Rahmenschuhe bei Deichmann findet, die das eigene Preis-Leistungs-Gefühl eher treffen - um so besser. Rötzel kann aber doch nicht direkt auf Deichmann, Tchibo oder Aldi verweisen, wo es Rahmenschuhe einmalig in vorrübergehenden Aktionen für eine Woche oder einen Monat gibt. Und wo vollkommen unklar ist, ob die nächsten Aktions-Rahmenschuhe ein ähnlich elegantes Design haben.

Meiner Ansicht nach ist es vollkommen o.k., wenn man sich an Rötzel orientiert, dann diese Artikel in seiner persönlichen Preisregion sucht. Dann darf es auch der Dufflecoat von "Travelmaster", "Aldi" oder "C&A" sein und muß nicht unbedingt der im Rötzel-Buch genannte Nobel-Marken-Dufflecoat zum 10- bis 50-fachen Preis sein.

Grüße
Günter

Warum erwähnt er aber nicht mit einer Silbe dann mal C&A oder Peek & Cloppenburg, wenn es denn (scheinbar) eine Altenative ist? Mir vermittelt das Buch, dass man den Traditionen folgen muss und das möglichst im höherpreisigen Bereich. Es wäre demnach auch ein Leichtes gewesen, kleinere italienische Schneider zu erwähnen. Hier gibt es Sartoria Partenopea, Sartoria Castangia etc. oder um im deutschen Raum zu bleiben, die verschiedenen Herrenausstatter wie BRAUN, Möller & Schaar oder Dietl. Klar, die beiden genannten Italiener gibt es nicht an jeder Ecke aber einen Kiton-Anzug kann sich auch nicht jeder leisten.

Ich möchte ja auch um Gottes Willen nicht alles schlecht reden, vielleicht drücke ich mich auch einfach nicht richtig aus, keine Ahnung.
 
Mir vermittelt das Buch, dass man den Traditionen folgen muss und das möglichst im höherpreisigen Bereich.

So gesehen wären monarchistische Pferderennveranstaltungen, gelegentliche Fuchsverfolgung und der tägliche Schluck aus dem versilberten Flachmann oder hierfür präpariertem Spazierstock auch verpflichtend -
allerdings bin ich kein Exegetiker des alten und neuen Roetzel. :D

Jedenfalls bleibt es dem Leser unbenommen eine unterhaltsame Lektüre oder Anregungen zum eigenen Kleidungskonsum etc. zu erwarten - da es unterschiedliche Lesekompetenzen gibt, kann dies natürlich zu Missverständnissen führen.

@TomE
Aber es ist schon klar, was gemeint ist und aus irgendwelchen Standardwerken müssen die Stilratgeber in Illustrierten oder die Trend-Benimmexperten schließlich schöpfen - vielleicht auch gelegentlich mal ein Weisheiten- und Name-Dropper in Stil- und Modeforen (außer diesem, eh kloar...)

PS:
Für Aldi, Deichmann, C & A oder P & C gibt es geschätzt wöchentlich Werbeprospekte - ich habe da extra einen "Bitte keine Werbung"-Aufkleber am Briefkasten. :rolleyes:
 
Zuletzt bearbeitet:
Zusammenfassend: Roetzel-Lektüre macht noch keinen Gentleman.

Ich denke, man sollte Herrn Roetzel und sein Werk hier angemessen (stets subjektive gefärbt, das ist mir bewußt) beurteilen, und ebenfalls nicht in die Versuchung kommen, die Inhalte seines Buches mit eisernen Regeln, diese wiederum mit deren sklavischer Befolgung, und letzteres dann mit irgeneinem ethischen oder ästhetischen Heilsversprechen gleichzusetzen.
Herr Roetzel beschreibt ein zweifellos mit einem engen und subjektiven Blickwinkel definiertes „Gentleman“-Ideal aus einer primär, wenn nicht ausschließlich stilistischen Sichtweise. Herr Roetzel verdient damit sein Geld, und seine Bemühen haben ohne Zweifel mehr Erfreuliches hervorgebracht als z.B. eine vergleichbare Karriere in Waffen-oder Mädchenhandel.
Mir ist keine Passage in Roetzels Buch erinnnerlich, in der der Autor postuliert, daß zur Erreichung des Gentleman-Ideals ein G&H British Warm oder ein Anzug von Brioni unabdingbar seien – er führt diese Marken, wenn auch z.T.aufdringlich ausführlich, als Referenzpunkte an. Wer immer sich sklavisch an diese Referenzpunkte hält, hat entweder nicht die Fähigkeit, die diesen Referenzpunkten zugrundeliegenden Prinzipien guter Kleidung (gute Verarbeitung, unaufdringliche Gestaltung, Traditionsbewußtsein etc etc) zu abstrahieren oder ist einfach mit einer konkreten Lösung („kauf bei Cordings, da weißte waste kriegst“) am besten bedient – beides kein Grund zu Scham oder Schuldbewußtsein.
Wo meines Erachtens das Problem einsetzt, und dieses gilt auch für viele Diskussionen hier und in anderen ähnlichen Foren, ist dann, wenn Einzelne diese Empfehlungen zu einem rigiden Falsch vs Richtig Kodex umgestalten – vergleichbar recht direkt mit religiösem Fundamentalismus, der eine enge,unnachsichtige und oft (zu) buchstabengetreue Auslegung ethisch-religiöser Grundprinzipien zu alleinseligmachenenden ewigen Gesetzbuch erklärt.

Weiterhin herzliche Grüße

dE
 
Herrn El Jorge sei des Buch "Die Kunst des stilvollen Verarmens" von Alexander von Schönburg-Glauchau empfohlen, allen anderen das Sprichwort: "Ein Gentleman genießt und schweigt."

Lieber On_Air,

ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, halte ich "Die Kunst des stilvollen Verarmens" für ein deutlich unagnehmeres Buch als Roetzels "Gentleman" - unter dem Deckmantel von Zurückhaltung, Bescheidenheit und Idealismus strotzt dieses Werk nur so von Selbstgefälligkeit, Herablassung und name dropping.

Viele der Thesen und vorgestellten Grundprinzipien unterstütze ich vollkommen, die Art der Präsentation ist mir persönlich eher unagenehm und untergräbt übelst die Glaubwürdigkeit des Autors.

dE
 
Lieber Des Esseintes,

da magst du recht haben. Ich kann mir bezüglich der Glaubwürdigkeit des Herrn von Schönburg kein Urteil erlauben, da ich ihn nicht persönlich kenne. Ich finde das Buch lediglich unterhaltsam und den Inhalt nachdenkenswert, da nicht grundsätzlich falsch.

Mein Post bezog sich auch nicht auf Roetzels "Gentleman", sondern vielmehr auf die doch sehr merkwürdigen Ansichten und provokanten Aussagen von El Jorge und die angemessene Reaktion darauf, unqualifizierte Aussagen einfach mal unkommentiert stehen zu lassen und mit Nichtachtung zu "würdigen".

Erstaunlich finde ich, in welche Richtung sich dieser Thread entwickelt hat, der doch heißt: "Was macht den Gentleman aus-außer der Kleidung?
Vielleicht liegts ja daran, dass es einfach keine allgemeingültige Definition gibt und man geneigt ist, es dann doch an klassischer Herrengarderobe festzumachen?

Beste Grüße
 
Schön geschrieben, des Esseintes. Ich finde man darf dem Buch von Herrn Roetzel durchaus einige Verdienste zusprechen ohne es gleich zur Bibel der stilvollen Herrenbekleidung erheben zu müssen. Es erhebt ja auch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und jeder halbwegs intelligente Mensch sollte in der Lage sein damit kritisch unzugehen und es für das zu nehmen was es ist.

lg Algy
 
Hi,
wenn man bedenkt, wie kontrovers hier im Forum bereits die Meinungen zu Herrenmode und Stil streuen, dann ist es gut, dass es mit Rötzel einen beständigen, vielen Männern bekannten Orientierungspunkt gibt.
LG
Günter
 
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