Vielleicht kann ich als "gelernter DDR-Bürger" dazu noch etwas sagen ...
Meine Kindheit / Jugend war selbst für DDR-Verhältnisse kraß, zugegeben.
Ich kann jedoch aus Erfahrung sagen, daß Kleidung (jedenfalls für den männlichen Teil der Bevölkerung) nichts war, worüber man sich Gedanken gemacht hätte.
In der großen, grauen Industrie-Provinzstadt, in der ich aufwuchs, war jeder, der wirklich gut gekleidet war (was sehr selten vorkam!) irgendwie "verdächtig".
Die vorherrschenden Farben dessen, was wir am Leibe trugen, konnte man sämtlich in die vier Grundrichtungen "grau, beton, schlamm und stumpf" einordnen.
Männer, die Anzug trugen, sahen immer nach Parteisekretär oder Betriebsdirektor aus.
Die Anzüge aus "Präsent 20" (einem unsagbar haltbaren, aber entsetzlichen Kunststoffgemisch) müffelten grausig und hingen an ihren Trägern wie Kartoffelsäcke.
Das Angebot an Kleidung war insgesamt ... unterwältgend.
In Berlin mag das anders gewesen sein, aber in jener grauen Industriestadt, in der ich zu Hause war, gab es nur die Wahl, das zu nehmen, was da auf der Stange hing, oder es bleiben zu lassen.
Kleidung hatte praktisch zu sein, haltbar, witterungsbeständig.
"Modischen Schnickschnack" hielten Eltern Heimerzieher, Lehrer für verzichtbar, zumal "sowas" ja angeblich von der "Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit" ablenken würde.
Auffällige Farben waren verpönt.
Ein "Einheits-Look" wurde nicht propagiert, war aber de facto nicht zu vermeiden, da das Angebot in den entsprechenden Kaufhäusern kaum zuließ, sich individuell zu kleiden.
Kleidung war nicht wichtig.
Es war egal, wie man aussah (Ausnahmen bestätigen auch diese Regel).
Es war vor allem deshalb egal, weil ALLE so aussahen (das jedenfalls war meine Wahrnehmung).
Es gab keine Vorbilder.
Ihr werdet lachen, aber "schick" gekleidete Männer sah ich selbst zum ersten Mal, als die privaten Fernsehsender aufkamen (wir alle schauten ja "Westfernsehen"), und die Serie "Miami Vice" lief.
Nur sahen "Präsent 20"-Sakkos auch mit aufgekrempelten Ärmeln á la Don Johnson einfach albern aus ...
In den "Exquisit"-Läden (für das zahlungskräftigere Publikum) wurden meiner Erinnerung nach vor allem "West-Jeans", Jeansjacken, Pullover u.ä. feilgeboten.
Als "elegant" galt man Mitte bis Ende der 80er, wenn man diese unsäglichen "Schnee-Jeans" trug.
Diese Hosen zu tragen wurde in jener Zeit im Osten zu einer Art Massenbewegung.
Ich glaube nicht, daß all diese Dinge geeignet waren, ein Bewußtsein für gute Kleidung und deren Bedeutung zu erzeugen.
Vielleicht versteht man nun etwas besser, warum sich das, was der "normale DDR-Bürger" in Bezug auf Kleidung im Rahmen seiner Sozialisation gelernt hat, im Denken und Handeln vieler Ostdeutscher bis heute gehalten hat.