Todsünden

Aber dass jegliche Art von Kunstfaser gleich "Plastik" sei (pejorativ gesprochen) und deshalb überteuerter Sondermüll, würde ich so nicht unterschreiben:
So würde ich mal probieren, einen Halb- oder (kompletten) Marathon in reiner Baumwollkleidung zu laufen oder einfach intensiv über 60 Minuten oder mehr Ausdauersport zu machen. Spätestens dann wird der Vorteil von "Funktionskleidung" sichtbar, im Winter gut spürbar und im Sommer auch besonders intensiv olfaktorisch erlebbar. ;)

Edit: summicron war schneller.

Ich habe noch keines der angeblichen Funktionskleidungsstücke in wirklich sportlichen oder auch alltäglichen Situationen besser performen sehen, als ein verlgeichbares Naturmaterial. Wenn man, so wie ich zugegebenermaßen im Ansatz auch, Äpfel mit Birnen vergleicht, dann vielleicht, unter gleichen Bedingungen allerdings nicht.

Was ich damit meine ist folgendes: Natürlich hängt die Permeabilität des Gewebes in erster Linie von der Porengröße ab, sprich von der Webart und den hier möglichen Durchschüssen. Ein lose verwebtes Polyesterteil wird allerdings einem lose verwebten Leinenteil niemals das Wasser reichen können (gleiche Faktoren), ein loses Polyesterteil einem baumwollköpernen (unterschiedliche Faktoren) dagegen schon. Diagonalbindige Gewebe sind, das ist soweit nichts neues, sehr dicht und deswegen wenig luftdurchlässig. Panamabindungen hingegen sind bei großer Hitze das Gewebe der Wahl.
Bis hierhin könnte man einwenden, daß es doch egal sei, ob man nun ein Leinwandbindiges Leinen- oder Polyesterhemd trägt, da beide gleichermaßen atmungsaktiv sind. Allerdings muß man hier zwei Faktoren mitberücksichtigen:
1. Wie summicron bereits angesprochen hat, spielt die Fähigkeit des Gewebes, Feuchtigkeit aufzunehmen, eine große Rolle für das Trageempfinden. Leinen kann bis zu 60% seines Eigengewichtes ans Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich übermäßig nass anzufühlen, Polyester hingegen ist Wasserdicht (nicht das Gewebe, aber die Fäden, ergo können diese kein Wasser durch aufquellen aufnehmen). Man veranschauliche sich das gerne im Heimexperiement: Ein Stück ungewachster Nähseide quillt, in ein Wasserglas getaucht, auf, gewachste Nähseide (handsilk) dagegen bleibt im ursprünglichen Zustand.
2. Die statischen Eigenschaften des Gewebes spielen für die feuchtigkeitsunabhängige Wärmeentwicklung auf der Gewebeoberfläche eine große Rolle. Mineralölbasierte Gewebe erhitzen sich unter Reibung der einzelnen Fäden aneinander deutlich stärker, als dies bei Naturmaterialien wie Seide oder Leinen der Fall wäre.

Alle diese Faktoren berücksichtigt, und sogenannte "natürliche Kunstfasern" wie Viskose oder Lyocell (aus Zellstoff) ausgeschlossen, meine ich, mir den Einwand erlauben zu dürfen, daß die Behauptung, Kunstfaserprodukte seien für übliche (von Raumfahrt, Katastrophenschutz und Extrembelastungen abgesehen) irgendwie geartete Betätigungen Naturmaterialien überlegen, schlichtweg, erlogen ist.

Ich meine, alles abwertend als Plastik bezeichnen zu dürfen, was aus Erdöl hergestellt wird. Das sind einige, aber nicht alle Kunstfasern, Viskose z.B. ist nicht aus Erdöl gewonnen.
Polyester, Polyacryl, Polyethylen (ja es gibt wirklich Kleidung daraus), Polyurethan, PTFE (Goretex) sind für mich hingegen Plastik.
Man sollte, denke ich, wissen, dass die Herstellung von Kleidung aus diesen Fasern günstig aber auch besonders umweltschädlich ist und Erdöl nun mal nicht regenerativ.
Die Ausführungen zu den verschiedenen Kunstfaserarten (man unterscheidet paradoxerweise "natürliche" gegenüber "synthetischen" Kunstfasern) treffen zu. Der Kostenfaktor (in vielerlei Gewandung: neben den direkten Produktionskosten ist auch die Zeitersparnis durch höhere Nähfehlertoleranz zu berücksichtigen) ist zudem der einzige wahre Grund, weshalb die Textilindustrie uns mit Kunststoffen überhäuft.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema des Threads: Todsünden.

Daß noch niemand vorgebundene Krawatten erwähnt hat, wundert mich.
 
(...)
Was ich damit meine ist folgendes: Natürlich hängt die Permeabilität des Gewebes in erster Linie von der Porengröße ab, sprich von der Webart und den hier möglichen Durchschüssen. Ein lose verwebtes Polyesterteil wird allerdings einem lose verwebten Leinenteil niemals das Wasser reichen können (gleiche Faktoren), ein loses Polyesterteil einem baumwollköpernen (unterschiedliche Faktoren) dagegen schon. Diagonalbindige Gewebe sind, das ist soweit nichts neues, sehr dicht und deswegen wenig luftdurchlässig. Panamabindungen hingegen sind bei großer Hitze das Gewebe der Wahl.
Bis hierhin könnte man einwenden, daß es doch egal sei, ob man nun ein Leinwandbindiges Leinen- oder Polyesterhemd trägt, da beide gleichermaßen atmungsaktiv sind. Allerdings muß man hier zwei Faktoren mitberücksichtigen:
1. Wie summicron bereits angesprochen hat, spielt die Fähigkeit des Gewebes, Feuchtigkeit aufzunehmen, eine große Rolle für das Trageempfinden. Leinen kann bis zu 60% seines Eigengewichtes ans Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich übermäßig nass anzufühlen, Polyester hingegen ist Wasserdicht (nicht das Gewebe, aber die Fäden, ergo können diese kein Wasser durch aufquellen aufnehmen). Man veranschauliche sich das gerne im Heimexperiement: Ein Stück ungewachster Nähseide quillt, in ein Wasserglas getaucht, auf, gewachste Nähseide (handsilk) dagegen bleibt im ursprünglichen Zustand.
2. Die statischen Eigenschaften des Gewebes spielen für die feuchtigkeitsunabhängige Wärmeentwicklung auf der Gewebeoberfläche eine große Rolle. Mineralölbasierte Gewebe erhitzen sich unter Reibung der einzelnen Fäden aneinander deutlich stärker, als dies bei Naturmaterialien wie Seide oder Leinen der Fall wäre.

Alle diese Faktoren berücksichtigt, und sogenannte "natürliche Kunstfasern" wie Viskose oder Lyocell (aus Zellstoff) ausgeschlossen, meine ich, mir den Einwand erlauben zu dürfen, daß die Behauptung, Kunstfaserprodukte seien für übliche (von Raumfahrt, Katastrophenschutz und Extrembelastungen abgesehen) irgendwie geartete Betätigungen Naturmaterialien überlegen, schlichtweg, erlogen ist.


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Das gleicht ja einer wissenschaftlichen Arbeit...wow, ich bin beeindruckt (keine Ironie!!)
 
Ohne jetzt auf alle Durchlässigkeits-Konstellationen, mikroskopische und chemisch-physikalischen Prozesse eingehen zu wollen, wollte ich nur anmerken, dass man bei großen Läufen, Marathons, usw. Niemanden
(Ernsthaften Läufer) sieht, der eine Baumwollhose oder ein T-Shirt trägt.

Durchnässte T-Shirts, die nicht trocknen, sondern den Schweiß aufsaugen, den man dann am erhitzten Körper 'rumschleift (-> sehr gute Feuchtigkeitsaufnahme von Naturmaterialien ;) ),
erscheinen mir nur praktikabel, wenn man ob einer Erkältung und Unterkühlung einen "blauen Schein" für den Arbeitgeber braucht. ;)

On Topic: Vorgebundenden Schlipse, gibt's die noch?
 
Ich habe noch keines der angeblichen Funktionskleidungsstücke in wirklich sportlichen oder auch alltäglichen Situationen besser performen sehen, als ein verlgeichbares Naturmaterial.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Teilnehmer von Expeditionen in sehr kalten Gegenden nur Funktionskleidung tragen.

Natürlich hängt die Permeabilität des Gewebes in erster Linie von der Porengröße ab
Die Anzahl der Poren spielt hierbei noch eine erhebliche Rolle.

Ein lose verwebtes Polyesterteil wird allerdings einem lose verwebten Leinenteil niemals das Wasser reichen können
Worin denn niemals das Wasser reichen können?


1. Wie summicron bereits angesprochen hat, spielt die Fähigkeit des Gewebes, Feuchtigkeit aufzunehmen, eine große Rolle für das Trageempfinden. Leinen kann bis zu 60% seines Eigengewichtes ans Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich übermäßig nass anzufühlen, Polyester hingegen ist Wasserdicht (nicht das Gewebe, aber die Fäden, ergo können diese kein Wasser durch aufquellen aufnehmen).

Das würde aber bedeuten, dass die Kunstfaser, sofern diese so modifiziert wurde dass sie Wasser transportieren kann, dem Leinen im Vorteil ist. Die Feuchtigkeit kann durch Kapillarwirkung vom Körper weg transportiert werden und das Gewebe trocknet schneller. Aus diesem Grund wird ja auch Funktionskleidung bei schweißtreibenden Aktivitäten getragen.

Alle diese Faktoren berücksichtigt, und sogenannte "natürliche Kunstfasern" wie Viskose oder Lyocell (aus Zellstoff) ausgeschlossen, meine ich, mir den Einwand erlauben zu dürfen, daß die Behauptung, Kunstfaserprodukte seien für übliche (von Raumfahrt, Katastrophenschutz und Extrembelastungen abgesehen) irgendwie geartete Betätigungen Naturmaterialien überlegen, schlichtweg, erlogen ist.

Also meine Goretex-Jacke ist JEDER anderen Wetterbekleidung, was die Funktionalität angeht, überlegen. Aus rein optischer Sicht hingegen ist diese natürlich sehr viel weniger elegant. Es kommt halt auf das Wetter an.
 
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Teilnehmer von Expeditionen in sehr kalten Gegenden nur Funktionskleidung tragen.

Also meine Goretex-Jacke ist JEDER anderen Wetterbekleidung, was die Funktionalität angeht, überlegen. Aus rein optischer Sicht hingegen ist diese natürlich sehr viel weniger elegant. Es kommt halt auf das Wetter an.

Der Mount Everest wurde noch ohne Funktionskleidung bezwungen, soweit ich weiss. Gab wohl nur Bakelit damals und das macht die Kleidung doch ein wenig starr. :D

Eine gewachste Baumwolljacke hält den Regen übrigens auch eine Weile ab.

Zwingend notwendig ist Funktionsbekleidung aus erölbasierten Kunstfasern also nicht, können wir uns darauf einigen ?
 
Zwingend notwendig ist Funktionsbekleidung aus erölbasierten Kunstfasern also nicht, können wir uns darauf einigen ?

Zwingend notwendig zwar nicht, jedoch wüsste ich auch nicht was dagegen spricht. Erdöl hin oder her, der geringste Anteil wird zu hochwertigen Chemikalien verarbeitet; der größte Teil trägt einzig zur Entropieerhöhung bei. Daher sind Kunstfasern durchaus gerechtfertigt, gerade wenn es um Regenbekleidung geht.
 
Zum Thema Todsünden:
Bis vor nicht allzu langer Zeit war ich im Auftrag und im Hause eines sehr großen deutschen Telekommunikationsdienstleisters tätig. Was mir dort tagtäglich vor die Augen kam, spottet ein jeder Beschreibung: Cowboystiefel, ausgelatschte Sandalen, speckige Krawatten aus irgendwelchen Kunstfasern, Ed Hardy Shirts, Ohrringe bei Herren, die ihren 40. Geburtstag schon geraume Zeit hinter sich haben und man möge es glauben oder nicht, ein ebensolcher Herr wurde auch an einem gewöhnlichen Arbeitstag mit Rammstein Fan-Shirt im Büro gesichtet. Echt gruselig.
 
Das kaufe ich Ihnen sofort ab! Meine Freundin ist ebefalls bei einem Telekommunikationsdienstleister tätig. Hin und wieder statte ich ihr einen Besuch ab und was ich da so stiltechnisch sehe, das würde hier wohl jedem die Tränen aus den Augen drücken :p

Letztens kam mir dort einer entgegen in ausgeleierten beigen Cargohosen, runtergelatschten dreckigen Docker's und einem wohl von der Mutti selbstgestrickten Rollkragenpullover. Einfach köstlich .... kann natürlich auch der Hausmeister gewesen sein, man weiß es ja nicht :D

Da frage ich mich aber, wieviele Hausmeister hat der Laden denn :P
 
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