Da wäre es doch viel souveräner, mit einer ausgesprochenen Freundlichkeit zu reagieren und sein Anliegen entsprechend vorzutragen, selbst wenn man innerlich meint, dass der Gegenüber ein Vollidiot sein muss.
Ich denke, in einer angespannten Situation ausgesprochen freundlich zu sein, kann auch leicht daneben gehen, weil das als Sarkasmus und somit Provokation aufgefasst werden kann. Wie Aristoi schon ganz richtig gesagt hat, kann es gut sein, die Kommunikationskategorie zu wechseln. Das Gegenüber ist "auf Krawall gebürstet", erwartet von mir dasselbe – und stößt auf Besorgnis, Interesse, Mitgefühl... jedenfalls auf ein völlig anderes Szenario. Das bremst ihn meist völlig aus.
Natürlich, man muss seine eigenen Aggressionsmechanismen ganz schön unter Kontrolle haben, um das hinzubekommen - schauspielerisches Talent kann auch nicht schaden.
Wie gesagt, mir hilft es immer, kurz duchzuatmen und mich aus der Situation zu lösen, sie von außen zu betrachten: "Interessant, da lebt ein Mensch seine Aggressionen an einem anderen Menschen aus... warum tut er das? Was lief da bei ihm falsch? Oder hat sein Gegenüber ihm sogar einen Grund dafür gegeben?" Als ob ich gar nicht einer dieser beiden wäre, sondern ein unbeteiligter Dritter, der Ursachenforschung betreibt... schwer zu erklären. Das geht auch gar nicht bewusst, das ist wie eine Rolle, die man einnimmt, ein Programm, das abläuft. Aber es funktioniert überraschenderweise ziemlich oft.
Leider stehe ich noch am Anfang meiner Bemühungen. Eigentlich kommt es nie auf die Situation oder auf Andere an, sondern immer nur auf einen selbst. Aber manchmal möchte man sich auch irgendwie einfach Ärgern und eben nicht scheissfreundlich sein.
Das wäre sonst ja auch unmenschlich. Aber ich glaube der Ton macht immer die Musik - je menschlicher, authentischer und ruhiger eine Kritik vorgetragen wird, desto größer die Chance, dass sie etwas bewegt oder zumindest ihr Ziel trifft. Wenn mich z. B. ein Angestellter in einem Laden extrem unfreundlich, herablassend oder nachlässig bedient, und ich es gerade noch schaffe, meinen Ärger beiseite zu schieben, schlage ich so einen brüderlich-freundlichen Plauderton auf Augenhöhe an und rufe einen Text ab, den ich fast auswendig kann:
"Ach, vergessen wir doch einfach mal das XYZ-Produkt. Wissen Sie, ich hatte mal eine Arbeitsstelle, die mich richtig unglücklich gemacht hat - ich habe sie gehasst, verstehen Sie, was ich meine? Das Schlimmste war: Irgendwann haben die Leute gedacht, ich sei ein unangenehmer, arroganter, feindseliger Mensch, dabei bin ich eigentlich ein richtig netter Kerl. Irgendwann habe ich den Job gewechselt und seitdem bin ich wieder ich selbst! Das fühlt sich richtig gut an, ich sag's Ihnen!" Bis der Groschen bei ihr oder ihm fällt, bin ich längst draußen.
Funktioniert (fast) immer!