Stiehlvolles und stilloses Verhalten - Sammelthread

Und wenn mein Gesprächspartner sich doch einmal so richtig im Ton vergreift und ins Unverschämte abdriftet, habe ich auch ein ganz gutes Rezept. Ich schlucke meinen Ärger herunter und mache völlig sachlich, ironiefrei, eher schon mit ehrlichem Interesse eine Bemerkung in dieser Richtung: "Sie scheinen sehr ungehalten zu sein. Stimmt das? Habe ich Sie so verärgert? Das war sicher nicht meine Absicht. Ich würde mich freuen, wenn wir das Missverständnis aus der Welt räumen könnten." Zack, schon ist aus einem Streitgespräch auf einmal eine richtige Unterhaltung geworden. Das bringt die meisten völlig aus dem Konzept - unbezahlbar, was man da manchmal für Gesichtsentgleisungen und Stotterei erlebt. :)
Das würde ich aber auch nicht unter ehrlich gemeinte Höflichkeit packen, sondern unter klassische Gesprächstaktik im Haifischbecken des beruflichen Alltags. So etwas würde mir bei keinem Gesprächspartner einfallen, den ich auch nur latent mag. ;) Zu dem wäre ich nämlich ehrlich (die Krone des Stils, quasi :)) und würde auch meine Emotionen entsprechend rauslassen.

Funktioniert aber fast immer, das stimmt schon. Es sollte nur keinen wirklich handfesten, von mir oder meiner Organisation verursachten Grund geben, dass der Gesprächspartner verärgert ist, sonst wird das nicht so recht klappen. :)
 
Das würde ich aber auch nicht unter ehrlich gemeinte Höflichkeit packen, sondern unter klassische Gesprächstaktik im Haifischbecken des beruflichen Alltags.

Ehrlichkeit und Höflichkeit sind m. E. zwei unterschiedliche Paar Schuh. Ehrlichkeit ist immer und überall die erste Wahl. Ist sie aber verletzend, sollte man ihr den Mantel der Höflichkeit umlegen, ohne sie dadurch weniger eindeutig zu machen. Zwischen Privat- und Berufsleben unterscheide ich da nicht.

Seine Kritik ungefiltert zu äußern und seinen Emotionen freien Lauf zu lassen, mag vom Absender als Zeichen der Wertschätzung und Sympathie gemeint sein, erzeugt beim Adressaten aber leider meist genau den gegenteiligen Effekt. Es sei denn, beide kenne sich so gut und sind so aufeinander "eingeschwungen", dass zwischen ihnen eigene Regeln herrschen.
 
Ob es passt weiß ich nicht, ab und an wenn ich Downtown unterwegs bin zieh ich für die Bettler auf der Straße n Kaffee bei Tchibo und wenn ich Tabak sehe, kriegt er ne Fluppe angezündet und ich wünsche einen schönen Tag.

Ich würde es als freundlich beschreiben wollen;)
 
Und wenn mein Gesprächspartner sich doch einmal so richtig im Ton vergreift und ins Unverschämte abdriftet, habe ich auch ein ganz gutes Rezept. Ich schlucke meinen Ärger herunter und mache völlig sachlich, ironiefrei, eher schon mit ehrlichem Interesse eine Bemerkung in dieser Richtung: "Sie scheinen sehr ungehalten zu sein. Stimmt das? Habe ich Sie so verärgert? Das war sicher nicht meine Absicht. Ich würde mich freuen, wenn wir das Missverständnis aus der Welt räumen könnten." Zack, schon ist aus einem Streitgespräch auf einmal eine richtige Unterhaltung geworden. Das bringt die meisten völlig aus dem Konzept - unbezahlbar, was man da manchmal für Gesichtsentgleisungen und Stotterei erlebt. :) Aber ich gebe zu, dafür habe ich lange "trainieren" müssen und es gelingt mir auch nicht immer.

Das ist eine wahrhaft gute Strategie, denn sobald Menschen sich konfontiert sehen bzw. "Ärger" droht sind sie normaler Weise mit allen Sinnen darauf eingestellt und erwarten dies auch von ihrem Gegenüber.
Dadurch, dass du etwas sagst (oder tust), was sie nicht erwarten, bringst du sie aus dem Konzept. Das Konzept ist hier die Kategorisierung, wo die Situation unbewusst einem Schema zugeordnet wird (z.B. Achtung, Ärger) und die dementsprechende Verhaltenstratagie wird aus dem Repertoire gezogen.
Durch das "Wachrütteln" werden sie nun angehalten weiter nachzudenken. Sie müssen dich, deine Aussagen und die Situation neu bewerten.
Ist schon alles eine spannende Sache :)
 
In eine ähnliche Richtung geht etwas, was ich (an mir) beobachtet habe und was gewissermaßen ein kleiner Vorsatz von mir ist. In Situationen, in denen man sich beginnt zu Ärger, weil man das Verhalten des Gegenübers als unangemessen empfindet bzw. es schlicht so ist, besteht bei mir ab Überschreitung der Toleranzschwelle die starke Tendenz, selbst ungehalten zu reagieren, zum Beispiel eine pampige Kommentierung abzugeben. Das ist zwar menschlich verständlich, aber wenn man ehrlich ist, hilft es inhaltlich in den meisten Fällen nicht wirklich weiter. Da wäre es doch viel souveräner, mit einer ausgesprochenen Freundlichkeit zu reagieren und sein Anliegen entsprechend vorzutragen, selbst wenn man innerlich meint, dass der Gegenüber ein Vollidiot sein muss. Leider stehe ich noch am Anfang meiner Bemühungen. Eigentlich kommt es nie auf die Situation oder auf Andere an, sondern immer nur auf einen selbst. Aber manchmal möchte man sich auch irgendwie einfach Ärgern und eben nicht scheissfreundlich sein. :mad:
 
Da wäre es doch viel souveräner, mit einer ausgesprochenen Freundlichkeit zu reagieren und sein Anliegen entsprechend vorzutragen, selbst wenn man innerlich meint, dass der Gegenüber ein Vollidiot sein muss.

Ich denke, in einer angespannten Situation ausgesprochen freundlich zu sein, kann auch leicht daneben gehen, weil das als Sarkasmus und somit Provokation aufgefasst werden kann. Wie Aristoi schon ganz richtig gesagt hat, kann es gut sein, die Kommunikationskategorie zu wechseln. Das Gegenüber ist "auf Krawall gebürstet", erwartet von mir dasselbe – und stößt auf Besorgnis, Interesse, Mitgefühl... jedenfalls auf ein völlig anderes Szenario. Das bremst ihn meist völlig aus.

Natürlich, man muss seine eigenen Aggressionsmechanismen ganz schön unter Kontrolle haben, um das hinzubekommen - schauspielerisches Talent kann auch nicht schaden. ;) Wie gesagt, mir hilft es immer, kurz duchzuatmen und mich aus der Situation zu lösen, sie von außen zu betrachten: "Interessant, da lebt ein Mensch seine Aggressionen an einem anderen Menschen aus... warum tut er das? Was lief da bei ihm falsch? Oder hat sein Gegenüber ihm sogar einen Grund dafür gegeben?" Als ob ich gar nicht einer dieser beiden wäre, sondern ein unbeteiligter Dritter, der Ursachenforschung betreibt... schwer zu erklären. Das geht auch gar nicht bewusst, das ist wie eine Rolle, die man einnimmt, ein Programm, das abläuft. Aber es funktioniert überraschenderweise ziemlich oft.

Leider stehe ich noch am Anfang meiner Bemühungen. Eigentlich kommt es nie auf die Situation oder auf Andere an, sondern immer nur auf einen selbst. Aber manchmal möchte man sich auch irgendwie einfach Ärgern und eben nicht scheissfreundlich sein. :mad:

Das wäre sonst ja auch unmenschlich. Aber ich glaube der Ton macht immer die Musik - je menschlicher, authentischer und ruhiger eine Kritik vorgetragen wird, desto größer die Chance, dass sie etwas bewegt oder zumindest ihr Ziel trifft. Wenn mich z. B. ein Angestellter in einem Laden extrem unfreundlich, herablassend oder nachlässig bedient, und ich es gerade noch schaffe, meinen Ärger beiseite zu schieben, schlage ich so einen brüderlich-freundlichen Plauderton auf Augenhöhe an und rufe einen Text ab, den ich fast auswendig kann:

"Ach, vergessen wir doch einfach mal das XYZ-Produkt. Wissen Sie, ich hatte mal eine Arbeitsstelle, die mich richtig unglücklich gemacht hat - ich habe sie gehasst, verstehen Sie, was ich meine? Das Schlimmste war: Irgendwann haben die Leute gedacht, ich sei ein unangenehmer, arroganter, feindseliger Mensch, dabei bin ich eigentlich ein richtig netter Kerl. Irgendwann habe ich den Job gewechselt und seitdem bin ich wieder ich selbst! Das fühlt sich richtig gut an, ich sag's Ihnen!" Bis der Groschen bei ihr oder ihm fällt, bin ich längst draußen. :D Funktioniert (fast) immer!
 
"Ach, vergessen wir doch einfach mal das XYZ-Produkt. Wissen Sie, ich hatte mal eine Arbeitsstelle, die mich richtig unglücklich gemacht hat - ich habe sie gehasst, verstehen Sie, was ich meine? Das Schlimmste war: Irgendwann haben die Leute gedacht, ich sei ein unangenehmer, arroganter, feindseliger Mensch, dabei bin ich eigentlich ein richtig netter Kerl. Irgendwann habe ich den Job gewechselt und seitdem bin ich wieder ich selbst! Das fühlt sich richtig gut an, ich sag's Ihnen!" Bis der Groschen bei ihr oder ihm fällt, bin ich längst draußen. :D Funktioniert (fast) immer!

Das ist sehr gut :D
Du bist freundlich und gesprächig und lässt die Situation nicht so ablaufen, wie es der Verkäufer gewohnt ist (wahrscheinlich mit Gegenärger oder Ignoranz). Auf jeden Fall denkt er später darüber nach (wie intensiv ist natürlich von Individuum zu Individuum unterschiedlich). Damit hast du theoretisch nicht nur dir selbst "geholfen" sondern auch dem Verkäufer (vielleicht).
Ich habe auch oft die Erfahrung gemacht, dass man mit Ruhe, Respekt und vor allem Empathie Situationen gut in den Griff bekommen kann.
Bei den meisten Dingen muss man sich auch wirklich nicht persönlich angegriffen fühlen. Ich denke, dass geschieht auch erst, wenn mich mein Gegenüber (sehr) gut kennt. Vorher kann ich das als Kategorisierung, Schematisierung u.ä abtun. Dafür benötigt es viel kognitiven Aufwand und natürlich habe ich nicht immer die Zeit/Ruhe etc. um mich damit auseinander zu setzen und will einfach am liebsten nur zurückbrüllen. Mache ich aber sehr selten, es führt nur zum gegenseitigen Aufschaukeln.
Es kommt auf die Situation an. Ist eine Diskussion und somit eine Annäherung möglich? Wenn nicht, würde ich es lassen, zu versuchen meinen Gegenüber von irgendwas zu '"überzeugen". Bei einmaligen Kontakten (wie z.B. mit einem beliebigen Verkäufer) ist dies eh schwierig. Die Kontakthypothese funktioniert hier nicht.
 
Wie wenig dieses Konzept von "Druck und Gegendruck" für ein produktives, oder doch zumindest nicht eskalierendes Kommunikationsergebnis geeignet ist, zeigen solche Beispiele wie jüngst zwischen Marietta Slomka und Siegmar Gabriel. Da haben innerhalb weniger Sekunden bei beiden Gesprächspartnern alle Regulatoren versagt und zu einem unsachlichen, peinlichen Verbal-Gebalge geführt. Die falsche Strategie zur falschen Zeit - und schon gehen sich zwei Medien-Profis (zumindest sollten sie es sein) an die Gurgel. Da hat jeder unreflektiert nach dem vom jeweils anderen geworfenen Köder geschnappt und daran gezerrt, keiner hat es geschafft, zurückzutreten die Strategie des Gegners durch den "Wechsel der Waffen" zu unterlaufen.
 
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