Guten Abend die Herren,
ich habe mich hier im Forum ja bereits verschiedentlich als Unwissenden in Sachen "qualitativ hochwertiges Schuhwerk" zu erkennen gegeben.
Ich habe hier nun zwar schon viel gelernt, bin aber im Grunde noch immer so unwissend wie zuvor.
Vielleicht kann ich also aus Sicht des Laien die eine oder andere hier aufgekommene Frage beantworten ...
Zum Beispiel die Frage, warum so viele Menschen es sich selbst nicht wert sind, gutes Schuhwerk zu tragen.
Zunächst schreckt der Gedanke, sich Schuhe für 250 ,- bis 450,- Euro (oder mehr) zuzulegen, sicher die meisten Menschen ab.
Selbst einige derer, die sich das problemlos leisten können.
Um wieviel mehr sind also wohl jene "verschreckt", die es sich eigentlich nicht leisten können? Wie hoch die Hemmschwelle ist (bei mir: war), ein entsprechendes Geschäft zu betreten, weiß ich selbst sehr genau ...
Selbstverständlich sind hochwertige Schuhe in der Anschaffung teuer, halten dafür aber bei entsprechender Pflege sehr viel länger als minderwertige Kaufhausware.
Allerdings denken viele Menschen nicht so.
Vermutlich ist das auch eine Frage der Gewohnheit. Wenn man stets die hier von einem User so bezeichneten "quadratischen Duffy-Duck-Schlappen"
getragen hat, dann dürfte es verständlich sein, daß man sich bei Bedarf automatisch wieder in diese Richtung orientiert.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier ...
Es scheint eben nicht allgemein verstanden zu werden, daß gute Schuhe etwas mehr kosten, dafür aber sehr viel länger halten.
Man möchte, so vermute ich - und einige Stimmen in meinem Umfeld bestätigen das - gern und immer "besonders günstig" kaufen.
Sparen.
Geiz ist geil ... das steckt viel tiefer in vielen Menschen, als man wahrhaben möchte.
Also ein Paar Schuhe (wenn's denn schon Lederschuhe sind und keine Turnschuhe) für etwa 29,90 bis etwa 49,90 - mehr dürfen sie dann aber nicht kosten, nicht wahr.
Die Frage, welche "Qualität" man dafür bekommen kann, stellt sich offenbar niemand. Gewohnheit eben - ich glaube, wer als Kind schon an gutes Schuhwerk herangeführt wurde, wird auch als Erwachsener gute, hochwertige Schuhe bevorzugen. Wer aber als Kind ausschließlich Turnschuhe trug und sich unter "besseren" (weil aus Leder) Schuhen die Dinger aus dem Kaufhaus vorstellt ...
Ich will und kann das nicht verurteilen.
Es ist eine Frage der Sozialisation.
Aber mancher hat es da eben sehr viel schwerer als andere.
Ich hätte auch nie gedacht, daß ich als ehemaliges Heimkind jemals in Bereiche wie dieses Forum hier vorstoßen würde, daß ich jemals Tweedsakkos und gute Schuhe tragen würde ....
Wenngleich "gute Schuhe" für mich derzeit auch nur bis zu einem Preis von maximal 350,- Euro bezahlbar sind - Maßschuhe sind also nicht drin - ich bin trotzdem froh und glücklich darüber, mir ab und an so schöne Dinge leisten zu können.
Ich weiß es zu schätzen.
Ich weiß aber auch, wie es ist, wenn man in einem Umfeld aufwächst, in welchem so etwas als "affig" und "übertrieben" und als "sinnlose Geldverschwendung" bezeichnet wird. Wo es heißt: "Du hältst dich wohl für was Besseres, häh?"
Ich weiß, wie es ist, wenn man unter Menschen aufwächst, die jeden ausgrenzen, der sich nicht mit den - Pardon - armseligen, qualitativ sehr schlechten Sachen zufriedengeben will, die in einer solchen Umgebung Usus sind und sozusagen als Erkennungsmerkmal für die dienen, die "dazugehören".
Aus einer solchen Umgebung auszubrechen ist irrsinnig schwer.
Ich bitte euch daher herzlich, nicht allzu verächtlich, nicht allzu verständnislos auf Menschen zu reagieren, die sich schlecht und extrem billig kleiden.
Die meisten von ihnen haben es nämlich nie besser kennengelernt.
Und irgendwann hatten sie internalisiert, daß sie selbst und schlechte, billige Kleidung sozusagen "zusammengehören".
Man muß schon sehr, sehr stark den brennenden Wunsch in sich verspüren, da rauszukommen - nur dann wird man sich und die eigene Kleidung wünschenswerten Veränderungen unterwerfen.
Nicht nur die Kleidung übrigens ...
Freundliche Grüße
Bertie Wooster