Rahmengenäht - Schutzsohlen - Weiten - Warum?

nicht überall wo rahmengenäht draufsteht ist tatsächlich rahmengenäht im handwerklichen sinn drin. wurde jedoch schon bis zum abwinken diskutiert.

Ich gehe davon aus, dass es sich bei um die 95 % der Schuhe, die hier eine Rolle spielen, um industriell hergestellte Schuhe handelt. Ich glaube, die meisten Forenmitglieder sind - was diese Schuhe betrifft - schon längst nicht mehr der Vorstellung erlegen, für 200, 300 oder auch 500 Euro einen Schuh zu erwerben, dessen Rahmennaht handeingestochen ist ist. Insofern mag es dann noch gewisse Variationen der rahmengenähten Machart geben (Risslippe vs. Gemband), wobei selbst bei teureren Schuhen das Gemband weitvorherrschand ist. In beiden Varianten bleiben es aber rahmengenähte Schuhe.

Schreibt dagegen ein Hersteller rahmengenäht drauf, ohne dass die Schuhe tatsächlich rahmengenäht sind, so ist es schlichtweg Irreführung der Kunden.

offene nähte sind kein statussymbol, sondern vielmehr eine sparmassnahme des herstellers.

Zwar spart der Hersteller bei einer offenen Naht, aber ich wage die Behauptung, dass sehr viele der Käufer - ich betone ausdrücklich Käufer und meine damit nicht die Mehrheit der Nutzer dieses Forums - der offenen Naht aus Prestigegründen gar den Vorzug geben. Die weitaus größere und drastischer Sparmaßnahme der Hersteller sind dagegen die leider minderwertigen Laufsohlen.

das beschriebene szenario sollte kein gift für die machart des schuhs sein, denn dafür wurde sie erfunden und schon gar nicht in "teuren" reparaturen enden.

Und genau deshalb schrieb ich auch nicht, dass das beschriebene Szenario Gift für die Machart des Schuhs ist, sondern für die verwendeten Laufsohlen. Dass es anders geht, lehrt die Erfahrung mit Sohlen z.B. von Rendenbach. Leider aber sind diese Materialien zum einen zu teuer für die meisten RTW-Schuhe, zum anderen aber auch gar nicht in der entsprechenden Menge verfügbar. Da ich Frau, Kind und noch andere "Hobbies" habe, beuge auch ich mich einem Kompromiss und lasse (zumeist) Schutzsohlen aufbringen.

Würde ich dagegen jeden Morgen daheim ins Auto steigen, von der Tiefgarage der Firma mit dem Fahrstuhl bis zu meiner Etage fahren und dann die letzten Meter ins zum Büro über einen teppichausgelegten Flur laufen, häten meine Schuhe keine Schutzsohle, weil nicht notwendig.

grundsätzlich ist nichts gegen das anbringen einer schutzsohle zu sagen. da macht jeder seine individuellen erfahrungen. wenn man sich gewissenhaft mit der materie beschäftigt, achtet man darauf, dass man halt schlechtwetter schuhe(gummisohlen) und schuhe mit guter ledersohle in der rotation hat.

wurde eh alles bis zum abwinken diskutiert und beschrieben.

Was hier als "gewissenhaft mit der materie beschäftigt" beschrieben wird, sieht der eine oder andere dann vielleicht doch eher als lustige Prinzipienreiterei an. Vor allem wenn der Absatz mit "grundsätzlich ist nichts gegen das anbringen einer schutzsohle zu sagen" beginnt. ;)
 
Na dann mal Butter bei die Fische:

Ich trage seit Jahren Dr. Martens (made in England, die chinesischen sind nicht gut) oder Solovair. Kostenpunkt 80-120€, auf Ebay auch mal 40€. Halten bei je 48Stunden Tragepause so um die 8-10 Jahre, ohne Reparatur und Folgekosten. Die sind ungeheuer bequem und sorgen für angenehmes tragen der Schuhe bei fast jedem Wetter. So trage ich z.B. Stiefel auch bei 30°C. Das sind meine Erfahrungen und mein Vergleichsstandart.

Nun suche ich vergleichbare Schuhe mit etwas dezenteren Sohlen und eventuell etwas schmalerer Form. Ob Blake oder Goodyear, geklebt oder nicht, Leder oder Gummisohle... ist mir eigentlich schnuppe.
Die Schuhe müssen in 47 verfügbar sein und müssen über dem großen Zeh und über dem Spann recht geräumig sein. Oxfords fallen daher meist aus.
Preisvorstellung: 150€, absolute Schmerzgrenze 200€...

Nun geht man mal davon aus, dass Mann sich vor dem kauf von ein paar einfachen Alltagsschuhen im Idealfall ca. 10 Stunden Zeit nimmt, um sich theoretisch mit den Schuhen zu beschäftigen. Viel mehr als die Stichworte Derby, Oxfort, goodyear, Blake, geklebt, Ledersohle usw. mit oberflächlichem Inhalt zu füllen ist da nicht möglich.
Und deshalb sucht man dann halt einen Goodyear Welted Derby plain mit Gummischutzsohle zum Preis seines geringsten Missfallens.

Die Schuhindustrie tut wirklich alles, um dem Kunden die objektive Einschätzung der gebotenen Qualität unmöglich zu machen. Kaum ein Hersteller im Massen-Preissegment (ich sage mal bis 200€) informiert über Lederqualität, Leisten oder Machart.

Wenn hier manche sagen, dass die Füsse kaputtgespart werden, dann muss man aber auch mal gegenrechnen. 3 Paar Schönwetterschuhe, 3 Paar Schlechtwetterschuhe zu je 200€, 1 Paar Sportschuhe zu 100€... das übersteigt bei mir schon sehr deutlich ein Monatseinkommen.
Geld, um mit Fehlkäufen eigene Erfahrungen zu sammeln habe ich auch nicht. Sohlen, die nach 100 mal tragen ersetzt werden müssen kann ich mir auch nicht leisten.

Wonach und wie kauft man nun seine Schuhe? Wo bekommt man die Informationen her, welche Hersteller im jeweiligen Preissegment ordentliche Qualität bieten? Gast sagt immer, man soll nicht so viel über Marken, sondern über Qualität reden. Nur landet man dann bei den Diskussionen oft um Größenordnungen über dem, was ich mir leisten kann.

Um nicht vorzuenthalten, wie ich mein Problem gelöst habe: Ein Paar Loake Chester habe ich auf Ebay UK für 90€ incl. Versand ersteigert. Und zwar weil Sie:
a) Goodyear welted sind
b) Die Serie des Herstellers ganz gut in diversen Foren besprochen wurde.
Die Schuhe passen und machen einen guten Eindruck. So haltbar wie meine Martens sind sie aber sicher nicht.

Ehrlich gesagt fällt mir auch keine Alternative zu dieser Vorgehensweise ein, wenn man keine 40 Stunden auf den Kauf eines Schuhs zu verwenden kann und durch hunderte Geschäfte auf der Suche nach einem Schnäppchen läuft. Zumal, wenn man auf einen Fullbrogue Derby festgelegt ist.

Das Wissen um Schuhe scheint überdurchschnittlich schlecht verfügbar zu sein. Nicht in der Theorie, aber in der praktischen Form als Hilfe beim Schuhkauf.

Zu guter Letzt ist zum Beispiel die Leistenform auch immer von den Füßen abhängig. Was nutzt ein Eleganter Schuh, in den ich meine hoch stehenden Zehen nicht hinein bekomme? Mal von gewissen optischen Vorlieben und unterschiedlichem Geschmack abgesehen.


@Gast
Das Argument mit den Weiten kann ich nicht nachvollziehen. Meine Schuhgröße 47 sieht doch auch immer anders aus, als eine gebräuchliche Größe 43. Wenn ich einen Schuh suchen sollte, der extra für Größe 47 designed ist, dann würde die Suche sicher sehr lang und die Auswahl sehr klein. Ich kaufe, was mir an meinem Fuss gefällt, nicht, was dem Designer gefallen würde.
Wenn der Schuh in medium designed wurde, mir aber nur in breit passt und auch noch gefällig aussieht, dann ist es doch gut, wenn man die breite Version auch kaufen kann. Die Auswahl zwischen unterschiedlichen Weiten ist doch ein ordentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Schuhläden. Ich sehe da für den Kunden eine gewisse Relevanz.

Gruß
braces
 
Um nicht vorzuenthalten, wie ich mein Problem gelöst habe: Ein Paar Loake Chester habe ich auf Ebay UK für 90€ incl. Versand ersteigert. Und zwar weil Sie:
a) Goodyear welted sind
b) Die Serie des Herstellers ganz gut in diversen Foren besprochen wurde.
Die Schuhe passen und machen einen guten Eindruck. So haltbar wie meine Martens sind sie aber sicher nicht.

wie wusstest du, dass sie passen werden?
 
wie wusstest du, dass sie passen werden?

Garnicht. Aber ich habe einen Freund, der den selben Stil pflegt wie ich und nur geringfügig kleinere Füsse hat. Dem hätte ich sie dann angeboten.
Und das Risiko ist überschaubar, weil ich denke, dass man 80-90€ für Loake 1880 auch über Ebay oder Foren wieder erzielen kann.

Ein kauf im Ladengeschäft ist mir auch lieber, aber ich fürchte, den kann ich mir in dem Fall (im Moment) nicht leisten.

Gruß
braces
 
Hallo Gast,

es gibt hochfesten Stahl der nicht rostet und stabiler ist wie billiges Aluminium.

Ergo ist weder das eine besser als das andere, pauschaliert gesagt.

Ein industriell gefertigter Goodyearwelted mit Lederaustattung und Kalbsleder sollte besser sein als ein billigst hergestellter geklebter mit einfachem Leder und Kunstoffsohlen. Wenn du dies unterschreiben könntest würde ich mich freuen.

Wie schon tausendmal gesagt, es wird zu viel von oben nach unten geschaut, andersrum wird ein Schuh raus, lasst doch die Leute vom geklebten über den 200 € XYZ RTW, von mir aus die " Liebe und Notwendigkeit " zu guten Schuhen entwickeln ( dann auch Blake und was weiss ich noch alles)

Das mtl. Einkommen im Schnitt sind 2000 € da sind die Möglichkeiten halt auch begrenzt. Da kann nicht jeder 1500 € nach Berlin oder sonstwo tragen.
 
Lieber Gast,
nicht jeder hat das Glück, soviel über Schuhe zu wissen wie du.
(Ich erlaube mir das "Du", ja?)

Ich erwähnte ja schon daß ich hier im Forum gerade auch durch deine Beiträge viel gelernt habe - und dennoch eigentlich noch immer nichts richtig weiß ...

Gerade deshalb aber bin ich doch hier. Ich möchte etwas lernen.
Darum freue ich mich, wenn du einige deiner Anmerkungen ausführlicher erklärst, auch und gerade, wenn du das schon (gefühlte) hundert mal getan hast.

:)

Wenn du (zu Recht!) beklagst, daß viele Menschen sich nicht genügend um ihre Gesundheit und damit zusammenhängend um das Tragen guter Schuhe bemühen, stimme ich dir uneingeschränkt zu.

Aber bitte laß doch dann Unerfahrene wie mich nicht so im Regen stehen.
Wir haben wirklich wenig bis keine Ahnung.
Natürlich bist du nicht verpflichtet, immer und immer wieder auf grundlegende Dinge hinzuweisen und diese zu erklären, aber ... es wäre schön, wenn du es ab und an trotzdem tun würdest.

Das nämlich macht einen guten Lehrer aus ... und wer mehr weiß als andere und das erkennen läßt, der wird dann eben befragt und gebeten, sein Wissen zu teilen.
Gern auch öfter und wiederholt. :)


Freundliche Grüße
Bertie Wooster
 
Wie gesagt, es gibt ja Schuhwerk, was ich preislich und qualitativ angemessen finde. Ich tue mich nur schwer, mein Wissen und meine Erfahrungen auf andere Schuhe zu übertragen. Was muß ein Schuh haben, damit ich mit ihm genauso zufrieden bin wie mit meinen alten 1461er Dr. Martens?
Nicht das das jetzt die Referenz an Schuhqualität wäre, aber es ist eine ordentliche Qualität, die ich mir leisten kann.
Das Problem ist nur: Weder weiß ich, wie und aus was die 1461er gebaut werden, noch wie andere Hersteller in dem Preissegment arbeiten. Ich weiß nur, das man für das Geld auch eine Menge Schrott kaufen kann.

Ähnlich sieht das sicher auch in höheren Preisregionen aus. Die Produkte sind für Laien kaum objektiv vergleichbar. Also hält man sich an Schlagworten fest.

Auf was man achten muss, damit ein Schuh das hält, was man von ihm erwartet... das wären mal wichtige Informationen. Aber auch in vielen Stunden des Studiums von Foren und Internetseiten bin ich da kaum schlauer geworden.

Bei Autos ist das übrigens ähnlich. Ob eine Baureihe etwas taugt weiß man erst Jahre nach der Markteinführung. Für Leute wie mich, die eh nur alte Autos fahren ist das kein Problem. Neuwagenkäufer müssen halt nach Marke, PS-Zahlen, Ausstattung und Optik kaufen. Und hoffen, dass ihnen der Wagen auch nach der Probefahrt noch passt.
Wie die Kabel in den Türen verlegt sind und wie die Karosserie verzinkt ist weiß halt keiner.

Gruß
braces
 
Auf was man achten muss, damit ein Schuh das hält, was man von ihm erwartet... das wären mal wichtige Informationen. Aber auch in vielen Stunden des Studiums von Foren und Internetseiten bin ich da kaum schlauer geworden.

zb. auf die haptik der verwendeten materialen.

...und wenn man gerade dabei ist sich einen grundstock aufzubauen, sollte man nicht zu pingelig sein. sprich total fixiert auf farbe, modell, schnicke schnacke.

passform, passform und noch einmal passform.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warenkundliches Wissen existiert in der Breite kaum - weder was Kleidung, noch was Ernährung betrifft. Eigentlich sollte es in einer Konsumgesellschaft, in der Identität zum großen Teil über Besitz definiert wird, ein entsprechendes Schulfach geben. Tatsächlich ist die Ignoranz IMO gesellschaftlich gewollt, denn solange man bei Aldi Billig-"Edel"lachs, ranzertes "extra vergine" Olivenöl und "rahmengenähte" Billigtreter kaufen kann bleibt die Illusion einer Wohlstandsdemokratie halbwegs stabil.
Vor diesem Hintergrund bildet sich eine Art "pars pro toto" Marketingrhetorik aus, in der bestimmte Schlagwörter aus ihrem eigentlichen Qualititätskontext gerissen, Hochwertigkeit für uninformierte aber "aspirational" (mir fehlt das deutsche Wort) Konsumenten suggerieren soll: Barrique beim Wein, rahmengenäht bei Schuhen, Handstichnaht beim Sakko etc. Solche Begriffe werden unabhängig von handwerklich hergeleiteten Qualitätskriterien zu einer Distinktionswährung, auf deren Stabilität IMO der Erfolg von TM Lewin, Tyrwhitt, diversen online-MTM Firmen u.a. zu großen Teilen beruht.

Bertie Wooster hat vollkommen Recht, wenn er darauf hinweist, dass diese Diskussionen um Brandsohlen und Lederqualitäten für einen verschwindend geringen Prozentsatz von Konsumenten überhaupt von Belang ist, wo primär, und z.T. nachvollziehbar entweder der Duktus des "WAS? 100 Euro für ein paar Schuhe?" vorherrscht oder reiner Markenfetischismus (es werden ja ohne mit der Wimper zu zucken €400 für Edelsneaker aus asiatischer Schrottiproduktion gelöhnt, wenn das Label und der Trend stimmen). Wofür ich kein Verständnis habe, ist wenn Leute mit dem nötigen Kleingeld keinen Wert auf Nachhaltigkeit, habdwerkliche Qualität uvm. legen. Mit dem Cayenne bei Lidl vorfahren, das ist armselig. Wohlstand verpflichtet.
 
Wenn mir eine Anmerkung gestattet ist - ich bin ja gerade deshalb hier im Forum, WEIL ich etwas lernen möchte.
Ich möchte die Dinge lernen, auf die Gast immer wieder hinweist.
Unbedingt!
Ich möchte einfach raus aus der Denkweise jener Menschen, unter denen ich aufgewachsen bin.
Insofern ist dieses Forum für mich sehr, sehr wichtig.

Ich möchte es nicht versäumen, mich an dieser Stelle noch einmal bei allen bedanken die mir bisher so freundlich geholfen haben.
:) :)

Freundliche Grüße
Bertie Wooster
 
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