Pepita/Hahnentritt als Anzug oder nur als Sakko?

Freunde, die Sache ist eindeutig geklärt. Mir liegt ein -die Erkenntisse dieser Runde gut zusammenfassender- exklusiver Vorabdruck der Neuauflage des Roetzels vor und dort heisst es auf S. 452 ff.

"Schwarze Anzüge galten bis vor kurzem vielen Uneingeweihten nur als adäquate Kleidung für Beerdigungen und festliche Anlässe unterhalb des Black Tie. In der Businesswelt galt die "Farbe" bislang bei Nichtwissenden als tumber Ausdruck teutonischer Provinzialität. Nun bahnt sich Schwarz aber unaufhaltsam den Weg aus den exklusiven Etagen der C-Ebene (C=CEOs, CFOs, CDU-Abgeordnete, Chefs vom ganzen), den Versicherungen und der arkanischen Welt der 8 Euro/h-Powerelite an den Telefonhörern der Personalberatungen. Viele Entscheider greifen gerne zum schwarzen Anzug, wenn sie als Ausdruck ihrer hierarchischen Spitzenstellung eine Alternative zur Kombination möchten. Auch Herrenausstatter bestätigen dies. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich diese Erkenntnis auch im Londoner Finanzdistrikt, auf den Geschäftsetagen Mailands und im Bankenviertel Frankfurts herumgesprochen hat."

Ich fühle mich wirklich gut getroffen. Ich würde auch für mich nicht in Anspruch nehmen, außergewöhnlich modebewusst zu sein, bin vielmehr über dieses Forum gestolpert, weil ich mir ein paar Schuhe von Handmacher gekauft habe, und mitltlerweile feststelle, dass das Wissen, das ich in diesen Forum sammeln kann, mich sehr unzufrieden macht mit meinem aktuellen Kleiderschrank.

Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die hier betriebene Beschäftigung mit der Herrenbekleidung atypisch ist, dass sie - wie nahezu jede Leidenschaft - über das vernünftige Maß hinaus Ansprüche stellt, und das diese Ansprüche von nicht "Stilbewussten" weder wahrgenommen, noch für wichtig genommen werden. Insofern würde ich als Maßstab nehmen: Wer nicht negativ auffällt (und das ist umweltabhängig,wie David festgestellt hat), ist hinreichend (unter dem Maßsstab der Karriere-Kompatibilität) gut gekleidet.

Ansonsten hätte ich für mich im Berufsleben den Eindruck, etwas falsch zu machen, wenn von mir meine Kleidung in Erinnerung bleibt, und nicht das, was ich gesagt habe. Und hier spielt natürlich auch die Häufigkeit des Kontakts eine Rolle: Der Kollege, der immer wieder mit guten Lösungen auffällt, wird in der Regel auch im Kurzarmhemd erscheinen dürfen, der Kollege, der vor allem als Minderleister auffällt, wird diesen Eindruck auch durch einen Maßanzug auf Dauer nicht ausgleichen können.

Die Gewichte ändern sich natürlich, wenn man sich außerhalb des Unternehmens bewegt, im Bereich, wo man durch den ersten Eindruck überzeugen muss. Da wird man vermehrt drauf achten, auch optisch ein gutes Bild abzugeben. Aber auch dort wird man - wenn man einen guten Kunden hat - nur dann Erfolg haben, wenn der Inhalt mindestens das Niveau der Optik hat.

Insofern halte ich die Stimmen, die einen braunen Anzug mit einem Edeka-Vermerk gleichsetzen, für deutlich übertrieben, bzw., würde mir als Arbeitnehmer (der mittlerweile und in Zukunft immer mehr die Auswahl hat) einen Arbeitgeber suchen, der meine Leistung wertschätzt, und nicht mein Aussehen.
 
Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die hier betriebene Beschäftigung mit der Herrenbekleidung atypisch ist, dass sie - wie nahezu jede Leidenschaft - über das vernünftige Maß hinaus Ansprüche stellt, und das diese Ansprüche von nicht "Stilbewussten" weder wahrgenommen, noch für wichtig genommen werden.
1.) Der Anspruch steigt immer mit einer vollständigeren Erfassung eines Themengebietes. Umgekehrt geht eine größere Oberflächlichkeit auch mit geringeren Ansprüchen einher. Was das "vernünftige Maß" ist, wird nicht vom kleinsten gemeinsamen Nenner bestimmt.
2.) Es wird von "nicht Stilbewussten" nicht bewusst wahrgenommen. Ein passgenaues, typgerechtes, gut kombiniertes und situativ stimmiges Outfit führt aber in Verbindung mit allen sonstigen kommunikativen Mitteln des Trägers auch bei weniger kleidungsbezogen Interessierten immer zu einer deutlichen Wirkung, auch wenn sie nicht immer genau bezeichnen könnten, woran das liegt.

Ansonsten hätte ich für mich im Berufsleben den Eindruck, etwas falsch zu machen, wenn von mir meine Kleidung in Erinnerung bleibt, und nicht das, was ich gesagt habe. Und hier spielt natürlich auch die Häufigkeit des Kontakts eine Rolle: Der Kollege, der immer wieder mit guten Lösungen auffällt, wird in der Regel auch im Kurzarmhemd erscheinen dürfen, der Kollege, der vor allem als Minderleister auffällt, wird diesen Eindruck auch durch einen Maßanzug auf Dauer nicht ausgleichen können.
Das ist nicht so Schwarz-Weiß zu sehen. Wenn Sie das besagte passgenaue, typgerechte und gut kombinierte Outfit im passenden Situationskontext tragen, ist es gerade im heutigen Berufsleben mit seinen zahlreichen visuellen Merkwürdigkeiten so, als ob Sie beim Start zu einem 100m-Sprint immer 20m Vorsprung hätten. Das heißt nicht, dass Sie automatisch als Sieger ins Ziel gehen. :) Aber Sie haben richtig eingesetzt ganz spielerisch immer einen kleinen Vorteil bei der Wahrnehmung und der Überzeugungskraft auf andere, nicht mehr und nicht weniger. Und ganz nebenbei (und viel wichtiger) haben Sie auch den Spaß dabei, ein ganz persönliches Interesse im täglichen Arbeitsleben einbringen zu können. Sind das nicht Vorteile genug? ;)
 
Oben