Lockerer Stil im Büro

Wenn jemand eine Jeans mit schöner Waschung, einem V-Neck Shirt, eine adidas Originals Taningsjacke und Nike Air Max trägt, kannst du gerne sagen, dass es beschissen aussieht. Das stört mich nicht, aber "mangelnde (Selbst)Disziplin, Ignoranz und dem völligen Fehlen konservativer Werte" zu unterstellen, zeugt von ziemlicher Ignoranz und hat mit guten Stil und konservativen Werten im zwischenmenschlichen Bereich nichts zu tuen.

Viel wichtiger ist doch, dass man charismatisches auftritt und ein freundliches sowie einnehmendes Lächeln im Gesicht hat. Das kann leider auch der feinste Anzug nicht zaubern. Manchmal schon, aber nicht auf Dauer :D

Es ist schon auffällig, wie du in jedem Thread, der sich auch nur im Entferntesten um diese Thematik dreht, deine radikalen Äußerungen zum besten gibst. Anfangs unterhaltsam, aber dann ... ;)
 
was dann?...


Zum Thema Streetwear: Danke für die Aufklärung. Castrop Rauxel ist nun aber mal nicht Kalifornien und wir sprachen auch nicht von Szenekleidung. In Deutschland also so authentisch und sinnvoll wie Rap und Gangsta Style.
 
Naja, vieles was du auf den Straßen siehst ist heutzutage eine Weiterentwicklung dieses Stils und daher halte ich es für legitim Klamotten von Carhartt, Volcom und dergleichen als Streetwear zu bezeichnen. Der Ursprung ist ja klar und hat sich auch hier in Deutschland zuerst in der Skate-Szene etabliert und wurde dann durch die Überkreuzung mit anderen Szenen (Hip-Hop, Hardcore, was-auch-immer) in den Mainstream getragen. Die Hersteller haben da natürlich ihr übriges dazu beigetragen.
 
Heutzutage, und da war die Oscarverleihung ein prominentes und deutsche Innenstädte ein alltägliches Beispiel, ist doch so gut wie keiner mehr in der Lage, sich gut zu kleiden. Das hat in den seltensten Fällen etwas mit Geld zu tun, sondern mit mangelnder (Selbst)Disziplin, Ignoranz und dem völligen Fehlen konservativer Werte.
Schlechtes Benehmen wird als persönliche Note interpretiert und wenn man dann noch rumläuft wie sein eigenes Magengeschwür, hat man es schon fast geschafft. Wenn man sich Bilder aus den 60er Jahren ansieht, erkennt man, das es auch in Deutschland sehr wohl gutbekleidete Menschen gab, und beileibe nicht nur die oberen Zehntausend. Zu der Zeit gab es aber auch noch eine funktionierende Mode- und Schuhindustrie in Deutschland. Die 68er haben dann diesen "Muff" dahingerafft, fortan schlappten alle nur noch in Jesuslatschen und lamentierten über das Elend der Welt, Anzugträger waren Büttel des Kapitals. Selbst in den 70ern trat man im TV aber noch im Smoking auf, man machte sich "fein" für sein Publikum und wenn Otto N. am Wochenende ausging, tat er dies ebenfalls. Das setzt natürlich etwas Arbeit voraus, es ist zeitaufwendiger als Tshirt und Schlappen. Und heute?
In einem Land, das von Ingenieuren und körnerfressenden Friedensaktivisten geprägt ist, kann man wohl nicht mehr anders rumlaufen, um politisch korrekt zu sein.
Wir haben das Recht, zu verdummen. Und wir nutzen es auch.

Dieses politisch-sartoriale Junktim kann man allerdings so nicht stehen lassen. Die Auflösung konservativer Bekleidungsnormen unter Durchschnittsdeutschen (wie überall in der westlichen Welt) hat weniger mit linken 68ern oder Friedensbewegten zu tun als mit einer neuen Phase des Kapitalismus (neoliberal und konsumorientiert), der äußere Gesellschaftszwänge sexueller wie sartorialer Art uvm. in scheinbar freiheitlich-individuelle Konsumstrukturen umgemünzt hat. Platt gesagt: solange Du als Arbeits- und Konsumdrohne funktionierst kannst Du jenseits davon machen was Du willst. Apple-World, der Chef kocht auch mal (Fairtrade)Kaffee für alle, aber wehe die Angestellten wollen einen Betriebsrat.
Freizeitarktiskleidung à la Wolfskin etc., wie auch Che Guevara Shirts (Made in Peoplr's Republic of China :D) sind doch nur symbolische Fluchtmechanismen in Freiheitsfantasien, zudem erfordern sie in der Tat wenig Anstrengung. Eine obsessive Beschäftigung mit Sartoriana ist mir zwar wesentlich sympathischer, aber nicht zwingend was anderes. Abseits einiger Sekundärtugenden sagt Bekleidung im übrigen über die menschlichen Qualitäten ihres Trägers nun wirklich gar nichts aus. Möchte nicht wissen, wie viele ethisch-moralische Vollpfosten der British Upper Class auf der Savile Row haben schneidern lassen.
 

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Zum Glück wird hier selten über Weltanschauungen diskutiert, da würde wahrscheinlich einiges zu Tage gefördert werden, was ein "Zusammenleben" unmöglich machen würde.
Gerade deshalb finde ich es aber trotzdem super, dass man hier normalerweise recht friedlich über unpolitische Themen wie die richtige Krawatte zur Hochzeit diskutieren kann - das ist mir dann doch auch beim xten Mal um einiges lieber als die politischen Einstellungen mancher Poster genauer kennenzulernen.
 
Ich vergleich das ganz gerne mit der Architektur.
Es gibt schöne Häuser, ganz unabhängig vom Baustil, und hässliche Häuser.

Die hässlichsten sind die, welche mit einem Minimum an Gedankenarbeit und -mühe, aber mit einer ordentlichen Portion "Ich-will-es-aber-irgendwie-total-individuell-gimmicks" gebaut wurden.

Und sie sind nicht nur hässlich, auch ihr Wohnwert ist äußerst gering, weil total gaga-unpraktisch.

Dagegen kann man aus tristen Häuschen aus den 50-80ern mit ein paar kleinen Umbauarbeiten wahre Schönheiten machen, vom Wohnwert ganz zu schweigen.
Die meisten heutigen Einfamilienhäuschen werden in 40 Jahren abgerissen werden und landen auf der Sondermülldeponie.



Über Geschmack oder Schönheit kann man streiten - aber nicht mit mir. ;)


Amen!
 
(...) sind doch nur symbolische Fluchtmechanismen (...) Eine obsessive Beschäftigung mit Sartoriana ist (...) nicht zwingend was anderes.

Genau so siehts aus.

Abseits einiger Sekundärtugenden sagt Bekleidung im übrigen über die menschlichen Qualitäten ihres Trägers nun wirklich gar nichts aus.

Das dürfte nicht ersthaft irgendwer in Frage stellen wollen (nicht mal hier im Forum).
Einige der beeindruckendsten Menschen, die ich so kenne, die tolle Sachen machen und wirklich was auf dem Kasten haben, machen sich teilweise überhaupt keinen Kopf sondern ziehen halt dass an, was es gerade so zu kaufen gibt. Soo schlecht sehen die damit dann meist auch nicht aus und manch einer pflegt halt noch andere Leidenschaften, als nur seine Garderobe.

Ist m.E. jetzt auch nicht unsympathischer, als sich ständig in einschlägigen Internetforen über den sartorialen Untergang des Abendlandes auszuheulen ;-)

Und sobald Klamotten (bzw. Autos, Uhren, Schmuck, Frauen etc.) zur Persönlichkeitsprothese zu werden scheinen, sollte man sich spätestens mal Gedanken machen.

Möchte nicht wissen, wie viele ethisch-moralische Vollpfosten der British Upper Class auf der Savile Row haben schneidern lassen.

Naja, wenn man beim "Gentleman" die entsprechenden Charaktereigenschaften abzieht, bleibt halt oftmals nur der "Fatzke" übrig...
(frei nach H. Schmidt)

Grüße, der Ted
 
Zuletzt bearbeitet:
(...) in scheinbar freiheitlich-individuelle Konsumstrukturen umgemünzt hat. (...)

Im Endeffekt dann wohl freizeitlich-individuelle ?

Was die vielgescholtenen '68er angeht:
Ich bin weiterhin der Ansicht, dass zu einem Großteil der Amerikaner als solcher mit seiner Sportswear beteiligt am Niedergang "der funktionierenden Mode- und Schuhindustrie in Deutschland" war ;) -
nach Fresswelle, Haushalt/Einrichtungs- und Mobilitätswelle dürfte mit der modischen Kleidungsanhäufungswelle eine weitere Konsumkonsequenz bestanden haben.

Außerdem waren die '68er noch mitten im Studium und sinnierten über die Zukunft ihrer partiellen Revolte, als plötzlich "Trimmy" zu einer stilistisch fragwürdigen Führerfigur wurde und mithin als Verantwortlicher einer klamottentechnisch "freizeitlich-sportlichen" Gleichschaltung agierte. :eek:
 
Die Auflösung konservativer Bekleidungsnormen unter Durchschnittsdeutschen (wie überall in der westlichen Welt) hat weniger mit linken 68ern oder Friedensbewegten zu tun als mit einer neuen Phase des Kapitalismus (neoliberal und konsumorientiert), der äußere Gesellschaftszwänge sexueller wie sartorialer Art uvm. in scheinbar freiheitlich-individuelle Konsumstrukturen umgemünzt hat.
Das ist ein interessanter Gedanke, der aber auch eine gewisse Mehrstufigkeit in der Umsetzung impliziert. Der Ursprung lag schon im 68er Gedanke, mit dem Symbol der sartorialen Kleidung auch die spießige Moralwelt der frühen Nachkriegszeit mit ihren künstlichen Zwängen zu entsorgen. Dadurch ergibt sich auch die Deutung von, nennen wir es mal, antisartorialer Kleidung als äußeres Zeichen des tugendhaften neuen Bürgers, der nicht den überholten alten Werten anhängt. Das hat ja erst mal noch nichts mit den Konsumstrukturen zu tun, die sich mit dem steigenden Wohlstand in Zentraleuropa eher ab den 1980ern ergaben, auch wenn es da den prozessuralen Zusammenhang geben mag, den Du andeutest.

Abseits einiger Sekundärtugenden sagt Bekleidung im übrigen über die menschlichen Qualitäten ihres Trägers nun wirklich gar nichts aus. Möchte nicht wissen, wie viele ethisch-moralische Vollpfosten der British Upper Class auf der Savile Row haben schneidern lassen.
Natürlich gewährleistet ein guter Anzug noch keinen guten Träger darin, Ethik und Ästhetik sind verschiedene Konzepte. Aber der Verfall der Werte, die diesen besagten Sekundärtugenden zugrunde lagen, führt in der Makrosicht auf eine subtile Weise zu einer allgemeinen Verrohung des Alltagslebens, die sehr wohl auch die in der Praxis ausgelebten menschlichen Qualitäten der Einzelnen berührt. Wer mangelndes Bemühen um gepflegten Umgang im öffentlichen Raum durch andere in den kleinen Dingen fortlaufend erlebt, passt sich auch leicht irgendwann selber daran nach unten an. Dabei ist die Kleidung natürlich nur ein Baustein von vielen, aber ich würde die daran hängende Symbolik nicht unterschätzen.
 
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