Krawatte in der Freizeit

Meint Stil nicht jeweils die Überhöhung der Stilistik einer bestimmten Klasse durch sie selbst oder ihrer Claqeure, indem ihr ein Wert, der höchste, per se beigemessen wird?

Nein, meint er nicht. Wenn Du Deinen Stil hast, hast Du Deinen Stil. Wenn Du keinen eigenen Stil hast und dich stattdessen an das "Bildungsniveau" (oder andere Eigenschaften) der Leute anpasst, denen Du begegnen könntest, dann bist Du vielleicht everybody's darling (oder hoffst es zu sein), aber hast keinen eigenen Stil.

Spiessig ist das deshalb, weil es das eigene Verhalten den Vorurteilen unterordnet, die man anderen unterstellt. "Ich trage keine Krawatte, denn auf der Party heute Abend sind einige ohne Studium, denen gefällt das bestimmt nicht." Spiesseralarm.

Assimilation, andere nennen es ungerechtfertigt Spießigkeit, ist in der Natur ein überaus erfolgreiches Konzept.

Einen eigenen Stil zu haben, der sich nicht nach anderen richtet, ist in der Natur ebenfalls ein erfolgreiches Konzept.
 
Nein, meint er nicht. Wenn Du Deinen Stil hast, hast Du Deinen Stil. Wenn Du keinen eigenen Stil hast und dich stattdessen an das "Bildungsniveau" (oder andere Eigenschaften) der Leute anpasst, denen Du begegnen könntest, dann bist Du vielleicht everybody's darling (oder hoffst es zu sein), aber hast keinen eigenen Stil.

Spiessig ist das deshalb, weil es das eigene Verhalten den Vorurteilen unterordnet, die man anderen unterstellt. "Ich trage keine Krawatte, denn auf der Party heute Abend sind einige ohne Studium, denen gefällt das bestimmt nicht." Spiesseralarm.

Einen eigenen Stil zu haben, der sich nicht nach anderen richtet, ist in der Natur ebenfalls ein erfolgreiches Konzept.

Ich mag Dir nicht völlig beistimmen. Stil ist es eben auch sich den Gegebenheiten anzupassen. Und zu den Gegebenheiten gehören auch immer die Mitmenschen. Wenn man aus dem Rahmen fällt eckt man an. Der Punk weiss das und tut es bewusst, aber nicht jeder möchte durch seinen Stil andere vor den Kopf stoßen und inkommodieren. Man kann durchaus das Ziel haben eine angenehme, erfreuliche Erinnerung zu hinterlassen, und ein Element dessen kann angepasste Kleidung sein, bis hin zur fehlenden Krawatte. Für mich hat das nichts mit Spiessigkeit zu tun (aber Spiesser sind ja sowieso immer nur die anderen :D).

Edit: Selber trage ich trotzdem Schlips (so wie vorgestern als einziger auf dem kleinen Familiengeburtstag), aber ich bin auch ein Punk.
 
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Man kann diese Diskussion ja wunderbar abstrakt führen, wie ich das ja auch gerne tue. Greifbar wird es aber dann doch nur am konkreten Beispiel.

Wenn man zum Grillfest der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr im Smoking aufschlägt – heisst ja schließlich „-fest“ und beginnt nach 18 Uhr -, dann demonstriert das nach meiner Überzeugung nicht Stil sondern bestenfalls Ignoranz, wahrscheinlicher aber Blasiertheit. Andererseits ist niemand gezwungen, dort in wifebeater und cargo shorts zu erscheinen, nur weil die omnipräsente Dorfjugend das überwiegend ebenso handhabt.

Stil äussert sich für mich in solchen Situationen in der Fähigkeit, einen für alle Seiten zumindest akzeptablen, idealerweise erfreulichen Kompromiss zwischen konservativer Formalität und gegenwärtig präferierter Informalität zu finden. Respekt möchte ich nicht nur der von mir stets hochgehaltenen Tradition zollen sondern auch und vor allem meinen Mitmenschen. Wenn diese überwiegend mein Auftreten als steif, herablassend oder gar provokant empfinden, liegt die Schuld daran wahrscheinlich nicht nur bei mir, dennoch habe ich mein Ziel verfehlt. Darauf dann noch mit einem „der Pöbel versteht das eben nicht mehr“ zu reagieren, bestätigt eigentlich nur deren Vorurteile als richtig.

Und kurz zur Ausgangsfrage zurück: Natürlich kann man auch in der Freizeit Krawatte tragen, wenn man sich daran erfreut. Ich tue das, wie viele hier im Forum, häufig und ohne irgendwelche Schwierigkeiten. Man sollte nur mit den argwöhnischen Blicken der Lockerheitsjünger leben können. Fällt einem das schwer, ist vielleicht in derartigen Situationen in der Tat das Jackett mit Einstecktuch zum offenen Hemdkargen die bessere Wahl, wobei ein Einstecktuch ja per se schon auch wieder in vielen Umfeldern auffällig sein wird. Das ist wie in aderen Bereichen des Lebens: Wenn es mir peinlich ist, mit dem Porsche vorzugfahren, sollte ich mir besser ein anderes Auto kaufen oder den Porsche zumindest nur zu bestimmten Gelegenheiten aus der Garage holen, in denen ich mich in ihm wohlfühle.
 
Überspitzungen haben die Eigenschaft, dass sie Diskussionen sinnlos machen.

Ersetze als "Smoking" durch "Kombination (mit Krawatte und EST)" und die Feuerwehrleute werden sich ganz sicherlich freuen, dass jemand ihr Fest so ernst nimmt, dass er sich dafür sogar in "Schale" schmeißt.

Nö, mein Stil schließt halt ein auf Feste am Abend im Smoking zu gehen. Soll ich mir das von ein paar ungewaschenen Freizeitspritzern verbieten lassen? :p

Und auch wenn sie sich freuen, eine ungezwungene Unterhaltung wird so eher schwerer entstehen so dass mein Ziel durch eine Einladung in ihren Kreis endlich im Dorf akzeptiert zu werden in weite Ferne rückt.
 
Ich mag Dir nicht völlig beistimmen. Stil ist es eben auch sich den Gegebenheiten anzupassen.

Das ist eine sehr individuelle Definitionsfrage, an der hier im Forum schon viele Diskussionen zerbrochen sind. Bei diesem verkürzten Satz wird zu viel in einen Topf geworfen: "Stil haben", "stilvolle Kleidung", angemessenes Auftreten", "angemessene Kleidung" etc. Der von Dir geschriebene Satz ist Deine persönliche Definition. Hier eine weitere:

Stil äussert sich für mich in solchen Situationen in der Fähigkeit, einen für alle Seiten zumindest akzeptablen, idealerweise erfreulichen Kompromiss zwischen konservativer Formalität und gegenwärtig präferierter Informalität zu finden.

Weshalb wird der Begriff "Stil" mit sozialen Verhaltensnormen überladen? Der Begriff Stil kann diese Vielfalt von Anforderungen alleine doch gar nicht nicht tragen. Man kann "seinen Stil haben", aber in anderen Lebensfragen ein mieser, kleiner Gauner sein.

...aber nicht jeder möchte durch seinen Stil andere vor den Kopf stoßen und inkommodieren. Man kann durchaus das Ziel haben eine angenehme, erfreuliche Erinnerung zu hinterlassen, und ein Element dessen kann angepasste Kleidung sein, bis hin zur fehlenden Krawatte.

Wer sich von einer Krawatte vor den Kopf gestoßen fühlt, dem kann das Weglassen dieser Krawatte auch nicht helfen.

Wenn man zum Grillfest der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr im Smoking aufschlägt – heisst ja schließlich „-fest“ und beginnt nach 18 Uhr -, dann demonstriert das nach meiner Überzeugung nicht Stil sondern bestenfalls Ignoranz, wahrscheinlicher aber Blasiertheit.

Und wer hat gesagt, dass man das tun soll? Weshalb wird die Diskussion über Stil mit einem Beispiel von dem Anlass unangemessen formaler Kleidung beantwortet? Es geht doch hier nicht um die Frage "sollte ich in einem Smoking zum Feuerwehrfest gehen?", sondern um die Frage "kann ich in der Freizeit eine Krawatte tragen?".

Ich trage übrigens fast nie eine Krawatte in der Freizeit. Threads wie diese bringen mich aber auf die Idee, das mal auszuprobieren. Es könnte mein Stil werden.
 
Und wer hat gesagt, dass man das tun soll? Weshalb wird die Diskussion über Stil mit einem Beispiel von dem Anlass unangemessen formaler Kleidung beantwortet? Es geht doch hier nicht um die Frage "sollte ich in einem Smoking zum Feuerwehrfest gehen?", sondern um die Frage "kann ich in der Freizeit eine Krawatte tragen?".

Gegenfrage: Warum würdest Du nicht im Smoking zum Sommerfest der Feuerwehr gehen?
 
Das ist eine sehr individuelle Definitionsfrage, an der hier im Forum schon viele Diskussionen zerbrochen sind. Bei diesem verkürzten Satz wird zu viel in einen Topf geworfen: "Stil haben", "stilvolle Kleidung", angemessenes Auftreten", "angemessene Kleidung" etc. Der von Dir geschriebene Satz ist Deine persönliche Definition.

Die Definition habe ich nicht exklusiv, ist aber sicher auch nicht einstimmig hier vertreten. Stil ist natürlich mehr als Kleidung, und (für mich) ist ein Puzzlesteinchen eben auch die Wahl einer passenden Kleidung. Nicht nur passend zum Anlass, sondern auch passend zu meinen Mitmenschen, dem Setting etc.

Ich habe mich mal mit einem evangelischen Pfarrer über Kleidung unterhalten. Seine Richtung ist ein bewusstes dressing-down um die Kluft zwischen sich und seinen Schäfchen zu verkleinern. Wenn er mit schwarzem Anzug und Krawatte auftaucht ist das im Gemeindeleben nicht hilfreich. Auch nicht beim Pfarrfest. Sakko ist in 90% der Fälle schon too much.

Ich trage übrigens fast nie eine Krawatte in der Freizeit. Threads wie diese bringen mich aber auf die Idee, das mal auszuprobieren. Es könnte mein Stil werden.

Ich hatte das an anderer Stelle schonmal angedeutet: solange ich ein Kleinkind habe das begeistert mit verschmierten/angeschnullten Händen an allem rumzieht was ihm vor der Nase hängt trage ich in der Freizeit weder Krawatte noch sonst hochwertige, aufwändig zu reinigende Kleidung. Von meinen anderen Hobbies als Koch, Putzmann oder miesem Heimwerker ganz zu schweigen. Zuhause ist funktionale Arbeitskleidung, beim Schaffen kann ich dann anziehen was ich will.
 
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Ich habe mich mal mit einem evangelischen Pfarrer über Kleidung unterhalten. Seine Richtung ist ein bewusstes dressing-down um die Kluft zwischen sich und seinen Schäfchen zu verkleinern. Wenn er mit schwarzem Anzug und Krawatte auftaucht ist das im Gemeindeleben nicht hilfreich. Auch nicht beim Pfarrfest. Sakko ist in 90% der Fälle schon too much.

Das -tut mir leid, Nikolaus - ist absoluter Schmarrn.
 
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