Kleine Fragen, schnelle Antworten

Dein Bestreben ist sinnvoll Dich einerseits um den Aufbau einer angemessenen Garderobe zu kümmern und andererseits die Bedingungen bei Deinem neuen Arbeitgeber zu berücksichtigen.

Mir scheint nur, dass Du dabei verschiedene Dimensionen übereinanderlegst, die das Ganze verkomplizieren.

Was ich damit meine:

Du schreibst von MTM einerseits und von Deinem Auftreten und der Anpassung an vorhandene Standards andererseits.

Das gehört erstmal nicht zusammen. MTM ist in erster Linie eine Machart, die dafür sorgen kann, dass Kleidung besser passt, wenn RTW eben nicht passt.

Die andere Frage ist, WELCHE Kleidungsstücke du benötigst. Hier gilt es zu entscheiden, wie Du DICH präsentieren willst.

WAS willst Du tragen und was nicht. Dabei kann ein Aspekt sein, wie die Bekleidungskultur im Unternehmen ist. Du hattest Vorstellungsgespräche. Was haben die Leute da getragen? Passt dieser Stil zu Dir ja oder nein?
Solche Fragen gilt es zuerst zu beantworten.
Danach kommt die Frage der Stoffe und Farbkombinationen.

Exkurs HO:
Im Übrigen auch ein Thema ist onsite vs. Home Office. Ich trage immer Hemden, allerdings im HO keine rein weißen, obwohl ich gerade die im Real Office am liebsten trage. Ich trage im HO auch keine Krawatte, kein Sakko und entsprechend auch kein EST. Manchmal trage ich meine rahmengenähten Schuhe, aber auch nicht immer.
Soviel zum Exkurs HO.

Wenn Du jetzt Stil, Stoffe und Farbkombis geklärt hast, dann kommt die Frage der Machart.

Hier gilt in erster Linie Passform. Mit passen Eton und Brooks Brothers Hemden sehr gut. Ich hatte mal MTM / Bespoke Hemden, die passten schlechter. Also für welches Bekleidungsstück an Deinem Körper BRAUCHST zu MTM weil Stange ggfs selbst mit Änderung nicht passt. Erst danach kommt die Antwort auf die Frage für welches Bekleidungsstück Du MTM oder gar Bespoke WILLST.

Und jetzt viel Freude beim Zusammenstellen der Garderobe. Du wirst dabei Erfahrungen machen, Du wirst Sachen kaufen, die Du unbedingt willst und sie dann nie trägst. Du wirst Kompromisse machen, weil Dir etwas zu teuer erscheint, un es spöter dochvzu kaufen und du wirst feststellen, das manches günstige Kleidungsstück ein wertvollerer Begleiter im Alltag sein wird als teure Stücke, die Du unbedingt haben wolltest.

Ich habe dabei richtig viel Geld versenkt, richtig viel gelernt und vor allem rückblickend jede Menge Spass gehabt, was den Geldeinsatz absolut gerechtfertigt hat. Vor allem habe ich gelernt in Bezug auf Kleidung achtsam zu sein. Was zu mir passt, was die von mit gewollte Präsentation unterstützt, worauf ich in Bezug auf Wertigkeit achten will ind wofür ich welches Geld bereit bin zu investieren. Denn das ist Kleidung für die meisten von uns: Eine Investition in die eigene Präsentation und das eigene Wohlbefinden.

Über die inneren Wohlfühlfaktoren wie gutes Essen und guten Wein tauschen wir uns dann später aus ;-)
 
Es geht immer um die Wirkung. Sowohl nach außen als auch nach innen.

Meinst du, es kommt positiv an, als kleiner Fisch im großen Teich im Maßanzug mit Rolex anzukommen, wenn die nächsten drei Ebenen Jeans + Pulli tragen und Hosenträger mit Gürteln kombinieren?

Schaut doch Mal an einen deutschen Flughafen, wie der durchschnittliche Geschäftsreisende aussieht..
Meinen in den USA sitzenden Chef, den ich seit Mai 2020 neu habe, habe ich - dank Corona derzeit ausschließlich per Teams-Videokonferenz - noch nie anders als mit Basecap und T-Shirt gesehen. Sein ebenfalls amerikanischer Chef ist eher legerer. Und ich trage, was ich trage, das wissen auch alle und haben das in Videokonferenzen im Büro auch schon live gesehen.

Wie andere am Flughafen aussehen, ist mir erst mal egal, ich bin ich. Was man braucht, ist ein stimmiges Narrativ in der Selbstvermarktung. Meins ist, dass ich generell den schönen Dingen des Lebens aufgeschlossen bin, Wein, nette Urlaubslokationen und eben professionelle Kleidung, mit Sinn für die Details, auch über Kleidung hinaus. Mich vergisst niemand, der mich mal im persönlichen Kontakt gesehen hat, auch wenn zwanzig andere dabei mit im Raum waren. Natürlich muss der Eindruck positiv sein, sonst wird‘s auf Dauer schwierig, egal, was man anzieht. ;)

Am Ende interessiert sich kein Chef für Deine Kleidung, sondern wie gut Du lieferst und wie prägnant Du kommunizierst, in der Linie und im Kontakt mit Dritten. Und die lieben Kollegen dürfen im Zweifel auch denken, was sie wollen. ;)

Und ich empfehle nach wie vor das Buch von weiter oben. Der Mann ist kein “Clotheshorse“, deswegen auch weniger radikal als ich, aber geht auf solche Situationen des Kleidungsgefälles auch ein. Der würde nie am Wochenende im Donegal-Tweed-Anzug einkaufen gehen, aber er hat eben auch viele rote Linien, die er nicht unterschreitet. Und er arbeitet für die kreative Modeindustrie, wo „Schlipsträger“ an sich sehr unbeliebt sind.
 
Es geht immer um die Wirkung. Sowohl nach außen als auch nach innen.

Meinst du, es kommt positiv an, als kleiner Fisch im großen Teich im Maßanzug mit Rolex anzukommen, wenn die nächsten drei Ebenen Jeans + Pulli tragen und Hosenträger mit Gürteln kombinieren?

Schaut doch Mal an einen deutschen Flughafen, wie der durchschnittliche Geschäftsreisende aussieht..
ist wohl so, kriege aber schon beklemmungen beim lesen
 
Erstmal Danke für die vielen Antworten!

@Newton:
Danke, dass du die "Ebenen" nochmal so ausführst. Diese ist für mich nachvollziehbar.

Prinzipiell ist es für mich so, dass ich ein paar MTM Stücke habe und es von der Passform und Bequemlichkeit ein absoluter Meilenstein gegenüber 08/15 Innenstadt Klamotten ist.

Auch habe ich realisiert, wie wichtig Passform ist und dass ich auf Vielseitigkeit achten möchte.

Daher möchte ich meine Hausaufgaben jetzt machen und mich gezielt einlesen.

Vielleicht habe ich die Frage auch nur etwas zu dezidiert auf die Berufssituation formuliert. Generell möchte ich meine Garderobe upgraden und meinen Stil finden/entwickeln.
 
Eigentlich wurde schon alles Nötige gesagt, aber noch nicht von jedem. Deshalb erlaube ich mir, mich selbst zu zitieren mit konkreten Vorschlägen zur Ausgangsfrage:
Aufbau einer schlichten Garderobe mit Basics, die du miteinander kombinieren kannst. So z.B.:
- hellblaue Oxford-Cloth-Button-Down-Hemden (OCBD), OCBDs eignen sich besonders gut für "casual", weil sie eine ungeschliffene Optik haben und durch den geknöpften, weichen Kragen auch sofort informeller sind (da grundsätzlich nicht für mit Krawatte gedacht)
- Chinos in verschiedenen warmen Farben wie beige und braun.
- Schuhe wie Loafers oder Derbies in braun, am besten Rauleder (auch hier, "fusselig" = informell)
- Gürtel darf auch gerne ein brauner Flechtgürtel sein
- Strickwaren: Pullover und Cardigan (z.B. ein "chunky shawl cardigan") in verschiedenen Farben wie helles bis mittleres Grau, Navy, Dunkelrot.

Das sollte als gute Ausgangsbasis dienen können. Bei aller Sympathie für den Ansatz von Bluesman bin ich doch der Überzeugung, dass man als junger (!) Berufseinsteiger (!) gut beraten ist, nicht gerade mit vollem Ornat einzufahren. Im schlimmsten Fall kann es die Wahrnehmung der von dir erbrachten Arbeitsleistung beeinträchtigen. Als "Senior" hat man deutlich mehr Freiheiten, solche Dinge als sein "Warenzeichen" zu vermarkten.
 
Als "Senior" hat man deutlich mehr Freiheiten, solche Dinge als sein "Warenzeichen" zu vermarkten.
Ich glaube im Gegenteil, Seniors nehmen sich diese (an sich selbstverständlichen) Freiheiten eher und haben vielleicht auch ein über die Jahre gewachsenes Instrumentarium für die Selbstvermarktung, das das spielerischer rüberbringt. ;) Geschenkt bekommt man nie etwas; wenn man ein Stück Selbstbestimmung einmal freiwillig aufgibt, dann ist es auch weg. Eine 180°-Wende in späteren Karrierezeiten - zumindest in der gleichen Firma - ist viel aufwändiger.
 
Schau mal in die lookbooks von Anglo-Italian oder Drake's. Das ist so ein zeitgenössischer Stil der sehr variabel ist, von Jeans über Chino bis zu Flanellhose und alles wahlweise mit Hemd oder Sakko. Die Texturen der Stoffe und Materialien sorgen dabei ebenfalls für Abwechslung und man kann dann je nach Lust und Laune in eine Richtung steuern.
Finde für Business Casual auch alles Richtung Ivy sehr gut. Mal diese klassischen Brooks Brothers / Ralle - Looks blättern.
Sehr gut in Richtung capsule gehen auch immer die Kollektionen von Berg&Berg.
Und Schuhe würde ich nach vielseitigen Dingern, wie Chukkas, Chelseas, Rauledergeschichten und Loafer, loafer, loafer suchen.
 
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