Ein sehr guter Beitrag.
...Bei Berufseinsteigern kann das fatal sein. Ist man etabliert, kann man ja je nach Branche mehr wagen und sich als liebenswertes Original einen Namen machen (ich habe da Spoozy vor Augen - dessen Outfits mir an ihm übrigens sehr gut gefallen. ).
Die Beschäftigung mit Krawattenschals, Einstecktüchern, Schleifen, Dubbelmonks, Maßschneidern, 7-folds, seidenbespannten Regenschirmen usw ist doch eine, wenn auch traditionsreiche, Minderheitenkultur, die nicht überall auf Verständnis stoßen wird.
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Hab Dank für die Blumen, lieber Change. Ich will es mal so sagen: als Berufseinsteiger in einer konservativen Branche (Bank, Versicherung, alte Industrie, Maschinenbau, etc.) würde ich stilistisch betrachtet nicht das Riesenrad drehen, und auf Teufel komm raus besser als der Chef aussehen wollen (besser im Sinne von Krawatte + Einstecktuch + Krawattennadel, Taschenuhr, etc.).
In meiner Situation (ich arbeite in ner Mediaagentur) kann ich mir das aus drei Gründen erlauben: zum einen, weil meine Branche mit Spinnerten wie mir gut umgehen kann (sprich höchst tolerant ist), zum anderen weil ich trotz des klar exponierten Aussehens nicht mit einer gleichartigen Attitüde daherkomm (mir wird mein ständiges Hemd-Jacket-Krawatte-ESt nicht als Hochnäsigkeit, sondern Individualität ausgelegt) und ich mich drittens nicht um die Meinung anderer schere: es gibt viele, die das gut finden, und viele, die es wohl bescheuert finden. Fairer Deal, und trotzdem komm ich mit meinen Kritikern super aus. Warum? Weil das a) einfach mein Ding ist und ich mir da nicht reinreden lasse und b) ich das, was ich in der Agentur mache, gut kann und mir deshalb keiner vorwerfen kann, dass ich nur der Showman bin und als Angeber durch die Welt latsche.
Wenn man dieses "Standing" noch nicht hat, würde ich sehr wohl erstmal behutsam zu Werke gehen. Sobald man bewiesen hat, dass man seinen Job drauf hat, kann man sich Schritt für Schritt mehr Extravaganzen rausnehmen. Aber gleich mit 100 starten...lieber nicht, der Ruf ist schnell versaut, denn naturgemäß sind die Menschen beschränkt: wenn einer also ganz anders ist als alle anderen, dann muss ja etwas nicht stimmen mit ihm...
Man muss sich also schlecht, unauffällig und massenkompatibel am Anfang seines Beruflebens kleiden ??? Sorry, selten so einen Blödsinn gehört.
Gut, ich kenne jetzt Deinen Beruf nicht, in meinem braucht man Charakter, Offenheit, Ehrlichkeit, Fleiß und etwas STIL. Weniger gefragt sind Duckmäuserei, mit dem Strom schwimmen und ja nicht auffallen.
Nun, ich hoffe, dass sich spoozy selbst dazu äußert - ob er sich als dieses" liebenswerte Original" sieht.
Amanpuri
Nein, muss man sicher nicht, aber man sollte nicht mit der Brechstange auf Teufel komm raus den anderen stilistisch betrachtet den Mittelfinger ins Gesicht halten. Man ist doch schon dadurch in 99% der Fälle besser als der Rest des Universums bekleidet, wenn das Hemd sitzt, die Hose passt und die Schuhe sauber sind. Haben sich die Kollegen daran gewöhnt, kann man von dort aus zu weiteren Mitteln (Einstecktuch, Doublemonks, etc.) greifen.
Letztlich würde ich immer sagen, dass man seine Vorstellung von Stil auf die jeweilige Situation anpassen sollte, was vor allem für´s Berufsleben gilt: wenn in meiner konservativen Firma Extravaganzen verpönt sind, würde ich mir erstmal durch gute Arbeit einen Ruf erwerben wollen, der dann durch zusätzliche Attrribute erweitert wird.
Aus eigener Erfahrung: bei uns in der Agentur bin ich nicht nur "der Typ mit den Schleifen, der immer so krass aussieht", sondern auch der "kreative Kopf, der sich für Kunde XY diese coole Geschichte ausgedacht hat"...ergo: meine Verrücktheit wird toleriert und angenommen, weil ich mich nicht auf Kosten anderer (in kleidungstechnischer Sicht) profilieren will, sondern weil das Ausdruck meiner Individualität und Lebensweise ist, die als Bereicherung, und nicht als Belastung wahrgenommen wird.
Summa summarum: es hängt von der Branche ab und eine allgemein gültige Antwort gibt es nicht.