Immer Anzug, oder auch mal Kombination?

Wo ich das gerade noch mal lese: Ich finde, man sollte sich von der Frage "Bin ich overdressed?" - von situativer Gesellschaftskleidung mal abgesehen - völlig trennen. Ein Anzug ist eine allgemein akzeptierte Kleidungsform, die in einem Büro niemals overdressed sein kann, solange man glaubhaft rüberbringen kann, dass man das nicht als Mittel zur sozialen Distinktion nutzt. Und das ist eine Frage von Zugänglichkeit, Höflichkeit und Persönlichkeit.

Das ist leider aber in manchen Büros so nicht umsetzbar, vor allem wenn man noch nicht lange Anzug im Alltag trägt und sich da noch nicht 100%ig sicher ist. Eine Kombination wird von der Allgemeinheit zwar als "besser gekleidet" wahrgenommen, aber "schlechter gekleidet" als ein Anzug aufgefasst.
 
Wer will denn schon schlechter gekleidet sein? :) Ich verstehe, was Sie meinen, aber das ist etwas, was sich nur im eigenen Kopf abspielt. Der entscheidende Punkt ist, nicht als exzessives Modeopfer oder Dandy zu erscheinen, also nicht offensichtlich von dem abgelenkt zu sein, was im Job im Fokus steht, die Arbeit nämlich. Da sehe ich generell einen zurückhaltenden Anzug gerade für einen jungen Einsteiger leichter zu tragen als ein iGent-Ensemble mit vielen Farben und explodierendem Einstecktuch. :) In einer Mixtur, mal dies, mal das, kann das natürlich immer noch gut funktionieren und zur eigenen Unterhaltung beitragen.

Der effektivste Verbündete eines kleidungsmäßig Ambitionierten im Büro ist die Gewohnheit. Was beim ersten Aufeinandertreffen für einen Jeans&T-Shirt-Träger noch fremd wirken kann, wird ab der dritten Woche gar nicht mehr wahrgenommen, wenn man sich wie ein normaler, fröhlicher, aktiver, kontaktfreudiger Mensch ohne Berührungsängste oder Allüren verhält.
 
Der effektivste Verbündete eines kleidungsmäßig Ambitionierten im Büro ist die Gewohnheit. Was beim ersten Aufeinandertreffen für einen Jeans&T-Shirt-Träger noch fremd wirken kann, wird ab der dritten Woche gar nicht mehr wahrgenommen, wenn man sich wie ein normaler, fröhlicher, aktiver, kontaktfreudiger Mensch ohne Berührungsängste oder Allüren verhält.

Das stimmt, die Gewohnheit wirkt wunder.

Man muss sich nur über eines auch klar sein: Oft bedeutet "kein Dresscode", dass es unausgesprochen doch einen Dresscode gibt. Dieser wird auch gerne als "du kannst ruhig anziehen was du willst" bezeichnet und bedeutet in Wirklichkeit: T-Shirt, Jeans, Birkenstocks. Und ein Abweichen von diesem Dresscode kann durchaus genauso unangenehm sein, als wenn man zum Black-Tie-Event in Joggingsanzug erscheint. Man wird's überleben, aber vermutlich hinterlässt man einen schlechten Eindruck.

So gesehen sollte man auf jeden Fall das nötige Fingerspitzengefühl walten lassen. Es ist nicht jedermanns Sache, auf die "harte Tour" gegen Konventionen ztu verstossen, das kostet Kraft und Nerven und wenn man sich damit nicht wohlfühlt, sollte man es auch nicht tun. Dann lieber eine schöne Stoffhose und ein Hemd ohne Krawatte als Kompromiss.

Herzliche Grüsse,
malte71
 
Oft bedeutet "kein Dresscode", dass es unausgesprochen doch einen Dresscode gibt.
Eigentlich praktisch immer. :D

Dieser wird auch gerne als "du kannst ruhig anziehen was du willst" bezeichnet und bedeutet in Wirklichkeit: T-Shirt, Jeans, Birkenstocks.
Es sei denn, es ist plötzlich mal ein anderer Dresscode, das ist ja das Fatale bei der niedrigst möglichen Interpretation von "Business" Casual. :) Weil gerade der Chef seine neueste Krawatte ausprobiert. Oder ein Kunde kommt zum Meeting vorbei und die Runde meint, lasst uns doch für diese Frage den Herrn Blubb hinzuziehen. Oder jemand ist krank und sollte einen dringenden Außentermin wahrnehmen, muss aber nun von jetzt auf gleich durch Blubb ersetzt werden. Blöd, wenn Herr Blubb dann seine älteste ausgebeulte Schlumpfhose trägt, wenn er den Geschäftsführer/Abteilungsleiter/... begleiten muss. :) "Tja, der Blubb ist doch irgendwie nicht der richtige für solche Gelegenheiten, lassen wir ihn zukünftig lieber in seinem operativen Bereich vor sich hin werkeln." :)

Wie bedeutsam das sein kann, hängt natürlich stark vom jeweiligen Berufsbild ab, aber egal, ob ich jetzt meine eigene IT-Branche betrachte oder die meiner Frau (Projektingenieure), Branchen also, die nun wirklich nicht für ihre hohen sartorialen Anforderungen bekannt sind :), aufsteigen wird, angemessene Qualifikation in der Sache vorausgesetzt, am leichtesten der, den man von höherer Stelle auf Basis solcher und ähnlicher punktueller Erfahrungen dafür tauglich hält, sich auch im gehobenen Geschäftsumfeld und in der Firmenaußendarstellung präsentabel zu bewegen. Wird man einmal auf dem falschen Fuß erwischt, ist es mit Aufwand (und der Notwendigkeit einer zufällig passenden Gelegenheit, bei der man die dafür nötige Sichtbarkeit bekommt) verbunden, das wieder aus den Köpfen der Vorgesetztenriege heraus zu bekommen. Ob die Kollegen der eigenen Peer-Group am Arbeitsplatz einen gut leiden mögen, weil sie intuitiv zu glauben meinen, dass man einer von ihnen ist und immer bleiben wird, ist bei der Arbeit nicht immer die Hauptsache. Und nichts anderes ist ja der Grund für erzwungene Konformität in der Kleidungswahl auf niedrigem Niveau.
 
Ich reaktiviere diesen Faden für eine Frage, die mich beschäftigt: Ist der (navy) Blazer mit (grauer) Tuchhose "business casual" oder "business"? Sportsakkos (patch pockets, auffällige Farben/Muster, grobe Webungen, evtl. unkonstruiert) und Chinos würde ich ohne Zögern in die erste Kategorie einordnen, beim Blazer bin ich mir nicht sicher. Irgendwann meinte mal jemand, die Kombination wäre historisch sogar förmlicher gewesen, bis sie dann irgendwann durch den Anzug abgelöst wurde.
 
Kommt drauf an.

Ein zweireihiger Blazer mit Goldknöpfen, einer grauen Tuchhose und schwarzen Schuhen wird von vielen als noch formeller wahrgenommen als ein Anzug. Letzte Woche hat ein Farbiger in US-Uniform Haltung angenommen und salutiert, als ich ihm so bekleidet auf der Straße begegnet bin. Das tut er bei einem Anzugträger wohl eher nicht.

Allgemein würde ich Kombinationen generell als weniger formell einstufen, solange der Anzug nicht aus Knitterleinen, Cord oder dergleichen besteht und „Freizeit“ schreit.
 
Ich reaktiviere diesen Faden für eine Frage, die mich beschäftigt: Ist der (navy) Blazer mit (grauer) Tuchhose "business casual" oder "business"?
Ein Blazer ist immer Freizeitbekleidung, zwar mit grauer Tuch- oder Flanellhose, weißem Hemd und EST, Regimental Tie und schwarzen Schuhen einer der formellsten (formeller als die meisten Casual Suits), aber klassische Geschäftskleidung ist es nicht. Es ist was für den 70. Geburtstag des Vaters, für einen Museumsbesuch oder für ein abendliches Dinner in einem ordentlichen Restaurant.

Das bedeutet heutzutage natürlich nicht, dass man nicht doch irgendwie damit durchkäme, schließlich kommt man mangels Geschmackspolizei mit fast allem durch. ;) Nicht wenige Menschen würden einen Blazer selbst mit Chino kombiniert als "Anzug" bezeichnen. :oops::)
 
(...) mit grauer Tuch- oder Flanellhose, weißem Hemd und EST, Regimental Tie und schwarzen Schuhen (...)

Das ist die Kombination, um die es mir ging. Wenn ich nämlich diese Kombination neben meinen mittelblauen Birdseye-Anzug halte, kommt sie mir doch (deutlich) formeller vor. Aber da wird das Judiz wohl dadurch verzerrt, dass die Birdseye-Webung (und mittelblau als Farbe) ebenfalls in der klassischen Geschäftskleidung nichts zu suchen hätte.
 
Möchte an der Stelle mal Mariano Rubinacci in den Raum werfen.
Meiner Meinung nach ein ausgezeichnetes Beispiel in Sachen formeller Kombination.

Hier ein paar Beispiele für andere Kombinationen (nicht Hose in Hellgrau, Sakko in Navy), welche sich vor einem Anzug ebenfalls nicht zu verstecken brauchen: https://imgur.com/a/fMBu7av

Gerade in Italien und in der Finanzbranche (Schweiz) scheinen Kombinationen mittlerweile im Geschäftsleben als absolut ebenbürtig wahrgenommen zu werden. Liegt vermutlich am identischen Bedürfnis der beiden Gruppen ein wenig dicker aufzutragen, dabei zu zeigen was man hat und sich deshalb flamboyanter zu kleiden.
 
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