Aber sind wir doch in einer Sache einig, heute.
Die Krawatte überlebt heute ausschließlich als Zwangs-Symbol. In einigen Berufsgruppen gehört sie einfach dazu. In einigen Gesellschaftsschichten ist sie ein Muss.
Keine Frage. Aber das tut diesem Seidestreifen Unrecht, es ist ein integraler, gewachsener Bestandteil sartorialer Herrenbekleidung, den man nicht einfach weglassen kann, ohne das Gesamtpaket ästhetisch zu veröden. Und wenn man das in einem Forum wie diesem nicht betonen kann, wo denn dann?
Ich finde - und das hat jetzt nichts mit Dir und unserer Diskussion zu tun - es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn in einem Nachbarthread über den sartorialen Sittenverfall des Abiballs philosophiert (den ich übrigens angesichts meiner Erinnerung an meinen eigenen Abiball in den 80ern auf niedrigem Niveau ziemlich überschaubar finde) oder an anderer Stelle Morning Dress für eine Hochzeit zwingend empfohlen wird und man gleichzeitig nicht Stellung bezieht, wenn es um grundlegende Eckpfeiler eines normalen gehobenen Alltagsoutfits geht.
nun, die meisten (Vorsicht Pauschalisierung!^^) wollen nun mal keine Krawatte tragen. Müssen es aber im Beruf. Daher ist es völlig normal wenn sie fällt nach Feierabend.
Ja, natürlich. Aber es ist ja eine Fehlentwicklung, die nicht an dem Kleidungsstück hängt, sondern an seiner Symbolik als Teil einer Form von Berufskleidung. Mir wäre es am liebsten, wenn jeder wirklich frei von irgendwelchen Dresscodes und Gruppenzwängen wählen könnte, was er anzieht, und das auch bewusst auf Basis ästhetischer Erwägungen(!) mit Respekt zu seinen Mitmenschen täte. Dann könnte der eine Anzug und Krawatte tragen und der andere Tunika und alle wären zufrieden. Beim Menschen mit seinem Hang zu äußeren Übereinstimmung eine Utopie, keine Frage.
Die Realität ist, dass man eine Tendenz zum ungebremsten Dress-down in allen Lebenslagen feststellen kann, der einen unterschwelligen Gruppenzwang in Richtung eines gemeinsamen unausgesprochenen Jeans+X-Dresscodes auf die auszuüben versucht, die dazu keine physische Notwendigkeit verspüren und ein stimmiges Outfit von höherer Formalität in einer gegebenen Situation vorziehen.
Natürlich ist das draußen halt so, aber hier drin in der Wagenburg
kann man das auch so ansprechen, finde ich. Denn diese Tendenz ergibt sich ja nicht, weil man die Kleidungsästhetik heute anders empfindet, sondern weil sich der vorgelebte Kleidungsstil in seinen gesellschaftlichen Vorbildern zunehmend auf den kleinsten gemeinsamen Nenner (mit den geringstmöglichen Produktionskosten für die Markenbekleidungsindustrie bei gleichzeitig respektablen Verkaufspreisen) proletarisiert.