Einfluss der Garderobe auf Verhalten?

Interessanter Aspekt, ich würde es frei aus dem Bauch heraus bestätigen. Ich würde den Spruch von malaparte ("Ich bin primär Punk und kein Gentleman") auch auf mich beziehen, allerdings steckt die eine Seite bisweilen bei Vorhandensein einer nicht entsprechenden Kleidung manchmal zurück. Das sind maximal Nuancen, aber mir fallen sie auf, anderen nicht. Als all-Time-Gent kaeme ich mir überdies verstellt oder verkleidet vor.
 
Oder aber ist er professionell, tut, was zu tun ist, behandelt Mitarbeiter, Kollegen und Kunden fair, aber mit der notwendigen Durchsetzungsfähigkeit? Vielleicht ist er sogar selbst Angestellter und Gentleman im Geschäftsleben. :)
Dann kann man darüber diskutieren, was "professionell" und "fair" bedeutet. Wenn z.B. ein Manager, egal ob Angestellter oder nicht, untergebene Mitarbeiter zum Verstoß gegen das Gesetze anhält, dann ist das in meinen Augen nicht professionell. Und dann spielt es auch keine Rolle, ob er gute Anzüge trägt oder nicht, in meinen Augen ist er dann kein Gentleman (das war ja die ganz ursprüngliche Frage). Und von daher würde ich sagen: nur weil jemand gute Kleidung trägt, macht es ihn bzw. sein Verhalten nicht automatisch zum Gentleman.

In diesem Zusammenhang stelle ich auch gleich die Frage: es gibt ja hier im Forum viele Fans der Serie "Mad Men". Würde jemand Don Draper als Gentleman bezeichnen?

"Gentleman" ist allerdings im ursprünglichen Wortsinne niemand, der es nötig hat, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Damit kümmert er sich auch nicht um solche niederen Details wie z.B., seine Angestellten zu unterdrücken. Dafür hat er seine Leute. ;)
Auch das kann man diskutieren. Wie man in dem Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentleman) gut erkennen kann, gibt es eigentlich keine einheitliche Festlegung (auch historisch betrachtet nicht), was ein Gentleman nun eigentlich ist, was er können oder tun sollte. Hier im Forum dürfte am stärksten die Auffassung vertreten sein, die im Wikipedia-Eintrag unter dem Punkt Kleidung zu finden ist:

"Ein wahrer Gentleman ist jemand, der nichts dem Zufall überlässt. Es reicht nicht, daß man sich tadellos kleidet und daß alles makellos gepflegt ist. Die ganze Erscheinung muss vollkommen sein. […] Sind die Fingernägel gut manikürt? Sitzt der Hut im rechten Winkel? Ist der Regenschirm so eng gerollt, wie es sich gehört? Alle diese Fragen muss ein Gentleman sich stellen, sobald er mit dem Frühstück fertig ist."[1] Dieses Zitat aus Bernd Roetzels Bestseller "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" bringt eine heute weit verbreitete Auffassung zum Ausdruck, die einen Gentleman vor allem an Äußerlichkeiten wie einem gepflegten Auftreten im Stile klassischer Herrenmode erkennen will.
 
Nein, es geht tatsächlich darum, dass die das Kleidungsstück tragende Person sich verändert - und sich nicht nur für "wissenschaftlicher" hält, sondern objektiv bessere Ergebnisse liefert.

Danke für die Klarstellung. So sehr ich generell der Wirksamkeit von Studien vertraue, aber ich habe erhebliche Zweifel gegenüber dieses Effekts, zumindest so wie er in der Studie beschrieben wurde (und vor allem, dass die Probanden mit Kittel doppelt so gut waren, schreckt schon etwas ab). Wenn da aus einem anderen Kulturraum noch Studien mit validem n kommen, ok mag sein, aber ehrlich gesagt bin ich dem gegenüber wirklich zu skeptisch. Sicherlich möchte man auch selbst den Anspruch erfüllen, den man durch die Kleidung ausdrückt, was das aber zum Beispiel mit Lieblingspullis von Teenagern zu tun hat, bleibt fraglich - da geht es ja eher um Rituale und deren Wirkung sind weithin bekannt. Mir fällt da einfach kein Anreiz ein, also evolutorisch o.ä., warum der Kittel so tief im Unterbewusstsein sitzen sollte, dass er uns selbst vorgaukelt leistungsfähiger sein zu müssen!
 
Schade dass im DRadio-Bericht die Quelle fehlt- die Studie dazu hätte mich doch interessiert. Die Datenbanken, auf die ich Zugriff habe geben auch nix her. Hat jemand nen Tip?
 
Um das vielleicht mal dezidierter darzustellen, was ich meine:
Ich glaube es handelt sich um ein Paradoxon einer falschen Induktion. Wenn ich den Leuten bei einem Aufmerksamkeitstest Kittel anziehe, impliziere ich ja schon etwas besonderes, das ist schon richtig. Diese Situation ist allerdings so künstlich, dass für diese Korrelation von besseren Ergebnissen und Kittelträgern mehrere Interpretationen finden lassen, und dass es erst recht schwierig sein könnte, genau jene zu wählen, die aus dieser künstlichen Situation auf Berufe im Alltag schließt, wo das Tragen einer bestimmten Uniform(abstrakt) eventuell bereits sowieso zum erwarteten Rollenbild dazugehört (was hier überhaupt nicht berücksichtigt wurde). Also für mich wäre diese m.E. falsche Induktion vielleicht weniger stark, wenn man explizit Berufe gewählt hätte, deren Arbeitskleidung ein Kittel ist, bspw. Chemielaboranten oder Ärzte, oder eben die Gruppe der Maler hinzugenommen hätte und dann beide Gruppen jeweils unterteilt, eine im gewohnten Kittel, eine einfach ohne den gewohnten Kittel, am Besten noch in Nähe des eigentlichen Arbeitsortes, weil das Tragen des Kittels außerhalb der Arbeit ja auch wieder eine besondere Situation wäre. Solche Studien sind ja wirklich ganz nett generell, aber für mich teils fast tendenziös, da man schnell etwas aufbauscht, was die Studie so gar nicht hergibt, manche Studien aber gerade zu danach schreien, als Cocktail Talk enden zu wollen. So ungefähr nach dem Prinzip hier:

phd051809s.gif
 
Da stellt sich nun die Frage: Halte ich in einem abgewetzten Tweedjacket auch besser Vorlesungen über Geschichte? Verhalte ich mich im Maßanzug eher wie ein Gentleman? Da eröffnen sich gänzlich neue Dimensionen des sartorialen Behaviorismus...

Kopiere ich mit Gelfrisur, Streberbrille und Elefantenkrawatte ausgestattet leidenschaftlicher Textstellen zur Erlangung eines Dr. jur. ?
Ähnle ich im Freibad in Badehose zur Frittenbude flanierend eher einem Adonis ?

Selbstverständlich !

P.S. Suche dringendst Laborkittel, möglichst getragen und mit original-origineller Wissenschaftsvergangenheit, mindestens in Größe XXXL...:D
 
Sehr geehrter DGL,

ich denke, passender als sie es in ihrer eigenen Signatur tun, kann man es wohl nicht ausdrücken:

"The sense of being perfectly well-dressed gives a feeling of inward tranquility which religion is powerless to bestow" - Ralph Waldo Emerson

Gruß,
lb
 
Dann kann man darüber diskutieren, was "professionell" und "fair" bedeutet. Wenn z.B. ein Manager, egal ob Angestellter oder nicht, untergebene Mitarbeiter zum Verstoß gegen das Gesetze anhält, dann ist das in meinen Augen nicht professionell.
Mit Verlaub, das ist ja nur Ihre eigene, völlig aus der Luft gegriffene Konstruktion. :) Sie wissen in dem Fall, auf den Sie vermutlich bzgl. Arbeitszeitregelungen anspielen, überhaupt nicht, wie die betreffenden Personen gekleidet waren. Nicht jeder Vorgesetzte trägt einen Anzug und natürlich kann eine bestimmte Kleidung nicht das grundsätzliche ethische Grundverhalten einer Person verändern. Die Hypothese dieser Studie ist, dass eine Person die Vorstellung, die sie von einem fiktiven Träger eines Kleidungsstücks hat, beim eigenen Tragen ähnlicher Kleidung auf sich selber überträgt. Was das Ergebnis ist, hängt natürlich sehr von dieser persönlichen Vorstellung ab.

Und von daher würde ich sagen: nur weil jemand gute Kleidung trägt, macht es ihn bzw. sein Verhalten nicht automatisch zum Gentleman.
Da stimme ich Ihnen ohne weiteres zu. Man kann aber auch das Gegenteil nicht automatisch annehmen, wie Sie es anscheinend reflexartig tun. :) Es gibt Leute, die das Ideal des Gentlemans u.a. mit einem bestimmten Sinn für Kleidung besetzen. Dazu zähle auch ich.

In diesem Zusammenhang stelle ich auch gleich die Frage: es gibt ja hier im Forum viele Fans der Serie "Mad Men". Würde jemand Don Draper als Gentleman bezeichnen?
Schlechtes Beispiel, das Vorbild des Gentleman, das wir heute im Kopf haben, ist eindeutig britischer Natur. Von daher kann ein fiktiver amerikanischer Emporkömmling kein Gentleman sein. :) Aber ich helfe Ihnen: Würde jemand Guttenberg als Gentleman bezeichnen? :) Oder wenn es schon eine fiktive amerikanische Figur sein soll: Wie wäre es mit Patrick Bateman? :D

Wie man in dem Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentleman) gut erkennen kann, gibt es eigentlich keine einheitliche Festlegung (auch historisch betrachtet nicht), was ein Gentleman nun eigentlich ist, was er können oder tun sollte. Hier im Forum dürfte am stärksten die Auffassung vertreten sein, die im Wikipedia-Eintrag unter dem Punkt Kleidung zu finden ist:
Das kann ich nicht beurteilen. Meine persönliche Interpretation des Begriffs beinhaltet hochkulturelle Merkmale wie u.a. Kleidung, aber geht in Richtung ethischer Aspekte und der Kenntnis allgemeiner Grundsätze von Höflichkeit, Benehmen, Verlässlichkeit und Geradlinigkeit, eben das, was man mit so angestaubten und vergleichsweise vage definierten Begriffen wie Ehre und Würde bezeichnet hat, darüber hinaus. Ich denke, damit stehe ich auch nicht allein und selbst in Ihrem zitierter Wikipedia-Beitrag finde ich vieles davon wieder, was ich mit dem Begriff verbinde. Es ist für mich die bürgerliche Fortsetzung eines alten adeligen Ideals.

Und wie bei allen Idealen gibt es in der Praxis Gegenbeispiele in Form von psychotischen Ärzten, verkleideten "Gentlemen" oder Feuerwehrleuten, die selbst aus Langeweile Brände legen. Das kann aber alles nichts daran ändern, dass der Kern dieser Idealvorstellungen im öffentlichen Bewusstsein viel stärker verankert ist als die Gegenbeispiele und deshalb im Sinne dieses Experiments auch mehr Bedeutung hat.
 
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Im Deutschlandfunk wurde letzt über ein Experiment berichtet, in dem nachgewiesen wurde, dass Menschen durch das Tragen von Laborkitteln intellektuell leistungsfähiger wurden, d.h. die Metonymie Laborkittel = Wissenschaftler = besonders intelligent wirkte als kulturelles Placebo, so daß die Probanden ihr intellektuelles Potenzial besser ausschöpfen konnten. Die Forscher interessiert jetzt die Frage, ob durch das Tragen etwa eines Richtertalars auch der Gerechtigkeitssinn gesteigert wird.
Da stellt sich nun die Frage: Halte ich in einem abgewetzten Tweedjacket auch besser Vorlesungen über Geschichte? Verhalte ich mich im Maßanzug eher wie ein Gentleman? Da eröffnen sich gänzlich neue Dimensionen des sartorialen Behaviorismus...

Ich beobachte das an mir selbst auch. Ob der Anzug bei der Arbeit, der Smoking bei einer Feierlichkeit oder die Wettkampfschuhe beim Marathon: All das führt dazu, dass man den jeweiligen Anlass ernster bzw. wichtiger nimmt, als wenn man das ganze jeweils in Alltags- oder Freizeitkleidung angeht.
 
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