Der Mann als Pfau

Ich persönlich nehme mir das Recht heraus, manche Dinge abzulehnen. Einfach so. Erschreckend?

Wenn du Menschen ablehnst, ja!
Wenn du Meinung ablehnst, nein - dein gutes Recht.


Ich bin zwar nicht Butch, könnte mir aber vorstellen, daß da eher urchristliche Vorstellungen von der Liebe und dem Dienst am Nächsten gemeint sind.

Das ist etwas, das bei einem Dandy (sofern man das Lebensmodell auf die Spitze treibt) zumindest stark zurück bleibt.

Mit Verlaub, miles, aber das halte ich pragmatisch und (theo-)logisch einfach fuer komplett aus der Luft gegriffen. Das ist leider ein schlichtweg plumpes Vorurteil.

Eine theologische Anmerkung dazu, jetzt eher generell: wenn Geben aus Liebe ein eigenes Ideal ist (also Liebe die intrinsische Motivation ist), wie kann dann Hass auf jemanden entstehen, der nicht gibt? Wenn Geben auf Empfangen abzielt (und der Hass auf solche die Geben resultiert ja offensichtlich daraus, dass jemand etwas nicht empfaengt), dann ist es kein Geben aus Liebe, sondern aus genauso utilitaristischem Kalkuel, wie man es beim Dandy kritisiert.

Das ist allerdings nicht mein Problem, sondern das Problem jener, die stammtischmäßig denken.

Butch, du hast dich aber da in ein paar Beitraegen einfach argumentativ haarscharf drum herum bewegt. Dein laengerer Beitrag war schon arg gespickt von einigen Schluessen, die bewusst Komplexitaet reduzieren und stringentere Ergebnisse liefern.

Was mich immer wieder erstaunt, ist einfach, wie hoch Menschen ihr eigenes Wissen und ihre Kenntnis einschaetzen. Ich meine bildungstechnisch nicht ganz hinten anzustehen und lese mir leidenschaftlich gerne Fachliteratur in sehr unterschiedlichen Themengebieten an - teilweise derart intensiv, dass ich in Disziplinen publiziere, die ich nicht professionell, im Sinne von hauptberuflich betreibe. Genug Selbstbeweihraeucherung, was ich sagen will: ich wuerde es mir dennoch nicht anmassen Menschen auf Grund Annahmen ueber grundsaetzliche Verhaltensmuster zu verurteilen.

Ich moechte jene fragen, die sich dazu offensichtlich im Stande sehen: woher nehmt ihr die Sicherheit solche Urteile faellen zu koennen?
Interessanter Weise geht mit solchen Argumentationsmustern oft eine Ablehnung gegenueber Branchen, wie Investmentbanking einher. Darf ich Ketzer sein: ihr macht genau das selbe, was ihr dort kritisiert. Die Risiken des Bankings basieren darauf, dass Kalkulationen mit Modellen automatisiert werden in der Annahme dessen, dass diese Modelle die Realitaet suffizient beschrieben. Betrachtet man die Historie der Finanzindustrie analytisch, ist diese Annahme schlichtweg nicht haltbar. Die verwendeten Modelle sind, egal ob Gauss oder nicht, faktisch nicht suffizient, um die Welt zu beschreiben (wer sich dafuer noch mehr interessiert, Benoit Mandelbrot). Was ist das Argument der Branche im Angesicht dieses Problems: wir muessen ja ein Modell haben. Das ist der grundlegende, logische Fehler der Branche der derart dogmatisch in den Koepfen sitzt, dass er nie bezweifelt wird. Es muss ein Modell geben, etwas Generalisierbares.

Die Wahrheit ist aber, dass wir dafuer viel zu bloed sind.
Das kann man akzeptieren oder nicht.
Was ist eine sinnvolle Handlungsempfehlung daraus?
Dass man eben kein Urteil faellen muss, keine generell Annahme, kein Modell.
Das gilt fuer IB, das gilt genauso fuer die sich hier wiederspiegelnde Akzeptanz von generalisierenden Urteilen ueber Menschen.

Die Vorstellung, dass man selbst eben doch in der Lage ist, so etwas generell herzuleiten, ist schlichtweg Hochmut. Es gibt Dinge, die abstrahierbar sind - Koerpergroessen, chemikalische und physikalische Modelle (naja eigl. wirds da auch schon schwierig). Menschliches Verhalten ist es aber auf jeden Fall nicht. Hinter menschlichem Verhalten stecken Menschen - und da wird es einfach komplex, da ist nicht so grundlegend zu generalisieren. Und selbst wenn 99% generalisierbar waeren, waere es wegen des 1%s es nicht wert, ein Urteil darueber zu faellen.

Etwas mehr Selbstzweifel faende ich angebracht.
"Wer hochmütig redet, den duckt er,
doch hilft er dem, der die Augen senkt."
 
Naja, ne Krebszelle nimmt sich auch zuerst "n bissi was", das endet aber recht häufig final. Habe ich bis heute nicht verstanden, warum es Parasiten gibt, die ihren Wirt erlegen und dann auch zugrunde gehen. Ist aber ein anderes Thema...

Der normale Mensch hat immer einige "Krebszellen" im Körper (entstehen durch spontane Mutation). Solange die von der Immunabwehr unter Kontrolle gehalten werden und sich kein Tumor bildet alles ok.
Wenn ein Parasit mal einen Wirt dahinrafft ist es entweder Zufall oder halt die Folge von einer kalkulierten Virulenz- zu Toxizitätsrate (zur Maximierung der Verbreitung) :D

Nein, einer Krebszelle geht es nicht um Wachstum, sondern um erhöhte bis maximale (Zell-)Teilung, was nur sekundär zu Wachstum führt. ;)

Ohne Wachstum (Massenzunahme: DNA Replikation, RNA- und Proteinbiosynthese) auch keine Teilung ;)
Aber "Krebszelle" ist gar nicht so trivial zu definieren, da sie ja aberrante körpereige Zellen sind (Mutationen akkumuliert + xxx).

Freie Weiterbildung:
http://www.cell.com/abstract/S0092-8674(11)00127-9#MainText
 
Faschisten gibt es überall und der schlimmste Deutsche war ein Österreicher.
So viel zum "Ausländer". Tätä!

Und @crouchback: Der political correctness hat mich bisher noch niemand bezichtigt. Bin aber trotzdem nicht beleidigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Einerseits kann man dem Forum schon ein Kompliment machen, denn obwohl wir schon Religion, Faschismus und (fast:D) Kreationismus hatten, ist die Diskussion noch auf halbwegs zivilisiertem Niveau. Ich kann aber nicht erkennen, dass die Ausflüge zielführend waren oder sein könnten.

Andererseits sehe ich, dass sich die Kontrahenten gerne unterschiedliche Aspekte rauspicken. Je nachdem ob man
- Alle die Wert auf Kleidung legen
- Alle Dandies
- Alle Dandies entsprechend einer bestimmten Definition
- Eine bestimmte Definition von Dandies
- Die im Buch beschriebenen Personen (ob Dandies oder nicht)
- Die Intention und Aussage des Buches
akzeptiert oder ablehnt, kann man zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Ich sehe eine Übereinstimmung, dass die meisten eine Person ablehnen, die sich bewusst dagegen entscheidet, gesellschaftliche Beiträge zu leisten, aber von der Solidargemeinschaft profitiert.

Ob das auf eine der porträtierten Personen zutrifft, oder ob wir dieser Bewertung auch einen Künstler unterwerfen würden, der (zwanghaft) blaue Sonnenblumen malt, die zu seinen Lebzeiten keiner sehen will, halte ich schon für fragenswert.
 
...Die verwendeten Modelle sind, egal ob Gauss oder nicht, faktisch nicht suffizient, um die Welt zu beschreiben (wer sich dafuer noch mehr interessiert, Benoit Mandelbrot). Was ist das Argument der Branche im Angesicht dieses Problems: wir muessen ja ein Modell haben. Das ist der grundlegende, logische Fehler der Branche der derart dogmatisch in den Koepfen sitzt, dass er nie bezweifelt wird. Es muss ein Modell geben, etwas Generalisierbares.

Die Wahrheit ist aber, dass wir dafuer viel zu bloed sind.
Das kann man akzeptieren oder nicht.
Was ist eine sinnvolle Handlungsempfehlung daraus?
Dass man eben kein Urteil faellen muss, keine generell Annahme, kein Modell.
Das gilt fuer IB, das gilt genauso fuer die sich hier wiederspiegelnde Akzeptanz von generalisierenden Urteilen ueber Menschen. …

Das ist alles sicher richtig, allerdings ist der Mensch nun eben auch kein "logischer Automat" und hat über Jahrtausende seiner Entwicklung, sicher evolutionsbiologisch gesehen auch gewinnbringend, gelernt, Entscheidungen anhand von Modellen und Abstraktionen zu fällen. Da wir, in Ihren Worten, viel zu blöd für eine vollständige Durchdringung aller uns umgebenden Tatsachen und Einflüsse sind, müssen wir eben in vielen Entscheidungssituationen auf die uns zur Verfügung stehenden, notwendig begrenzten und "unwahren" Vergleichswerte zurückgreifen. Wenn vor Jahrtausenden ein Säbelzahntiger auf unseren urmenschlichen Vorfahren zuraunte, hätte er auch abwägen können, daß dieser vielleicht ja nur mit ihm spielen wolle. Wenn heute auf mich allein nachts um zwei in der Bahnhofsunterführung eine schlagstockschwingender düsterer Geselle zugeht, möchte sich dieser vielleicht mit mir auch nur über Sperrweiten bei Kamakura-Hemden oder den Unterschied zwischen Blake und Goodyear unterhalten, sicherer ist für mich in dieser Situation aber allemal die Annahme, daß ich von ihm Unangenehmeres zu erwarten habe.

Was ich mit diesen Beispielen sagen möchte: Wir alle leben mit diesen unvollkommenen Modellen, die man im menschlichen Umgang auch Vorurteile nennt. Wir brauchen diese auch weiterhin, um effektiv und effizient unsere täglichen Entscheidungen treffen zu können - die Kehrseite des negativ besetzten Begriffs Vorurteil ist ja der im allgemeinen positiv besetzte Begriff Erfahrung, dem in Ihrem Beispiel der Finanzmodelle ja die historischen Daten, die benchmarks entsprechen würden. So, wie im financial modeling der grundlegende Fehler meines Erachtens nicht in der Verwendung von unvollkommenen Modellen, von historischen Daten, von benchmarks besteht sondern in deren Überinterpretation, in deren nicht angezweifelten, ja oft als nicht anzweifelbar angesehenen direkten Übertragung auf die eigene Gegenwart oder Zukunft, so ist auch bei den Vorurteilen das Problem für mich nicht das Bestehen derselben sondern der Mangel an (selbst-)kritischem Hinterfragen der daraus abgeleiteten Schlüsse.

Und damit kommen wir dann auch wieder problemlos zusammen:
Etwas mehr Selbstzweifel faende ich angebracht.
"Wer hochmütig redet, den duckt er,
doch hilft er dem, der die Augen senkt."

Fecit potentiam in brachio suo, dispersit superbos mente cordis sui.

et in saecula saeculorum.
Amen.

Crouchback
 
Mit Verlaub, miles, aber das halte ich pragmatisch und (theo-)logisch einfach fuer komplett aus der Luft gegriffen. Das ist leider ein schlichtweg plumpes Vorurteil.

Eine theologische Anmerkung dazu, jetzt eher generell: wenn Geben aus Liebe ein eigenes Ideal ist (also Liebe die intrinsische Motivation ist), wie kann dann Hass auf jemanden entstehen, der nicht gibt? Wenn Geben auf Empfangen abzielt (und der Hass auf solche die Geben resultiert ja offensichtlich daraus, dass jemand etwas nicht empfaengt), dann ist es kein Geben aus Liebe, sondern aus genauso utilitaristischem Kalkuel, wie man es beim Dandy kritisiert.

Ich glaube nicht, daß bei BC Hass auf Dandys besteht. Es besteht eine Ablehnung des Dandytums. Gegen die Institution, das offene Zurschaustellen der Egozentrik, die Butch damit wohl verbindet. Ich glaube aber, daß da kein Hass gegen den einzelnen Menschen besteht. Man lehnt die Lebensform ab ohne den einzelnen Menschen abzulehnen.

Noch mal, ich finde Butchens Kritik - zugegeben, wohl zu hart formuliert - nachdenkenswert, habe aber selbst keine referendierenswerte Meinung zum Dandytum, da ich mich in diesem Phänomen nicht genug auskenne. Ich habe lediglich versucht, den Standpunkt von BC, so wie ich ihn - auch in Kenntnis seiner bisherigen Post - herausgelesen habe, verständlicher zu machen.

Das wars jetzt von mir zu diesem off-topic.
 
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