Der Mann als Pfau

Was mir aber noch nicht ganz klar ist: Warum entziehen diese Dandys Ihrer Ansicht nach der sie umgebenden Gesellschaft Energie? Wenn man Ästhetik als einen gesellschaftlichen Wert ansieht (wie Dandys ja zweifellos argumentieren würden), könnte man sogar umgekehrt anführen, daß sie wenig fordern, da sie ja sehr selbst-genügsam und bei aller äußeren Form oft in sich gekehrt leben, der Gesellschaft aber viel zurückgeben, in Form von Schönheit, Eleganz, Ausdrucksform, you name it.
Um das mal als Aufhänger zu nehmen, andere Kommentare von DgL und Don sind ebenfalls gemeint: Das ist aber, wenn überhaupt, Zufall, weil nicht absichtsvoll und nicht als Gabe an Dritte gerichtet. Ich glaube, das Problem dieses Threads ist die unterschiedliche Bewertung eines Menschen, der Kleidung trägt und zu einem übertriebenen ästhetischen Ideal zulasten echter Lebensinhalte steigert, um bewundert zu werden, in letzter Konsequenz auch von sich selbst im Spiegel.

Mir ist völlig klar, dass mancher hier sich selbst gerne als Dandy im Sinne einer ästhetischen Feingeists auf vielen Ebenen sieht und deswegen auch um eine positive Konnotation bemüht ist. Man mag das benutzen, um für einen kleidungsinteressierten Mann ein griffiges Medienwort zu haben. Das ist aber nicht der historische Kontext und auch nicht die Interpretation der Allgemeinheit. Der heutige verschrobene, gesellschaftsferne Geck, der sich - zum Selbstzweck - bunt kostümiert und umherstolziert wie der verhasste Aristokrat früherer Tage, jedes Haar permanent in Form gegelt, ist keine Kunstform. Er ist ein lächerlicher Autist, der mit der Welt um ihn herum nicht interagiert, eine leere Kopie einer gesellschaftlichen Ausdrucksform des 19. Jahrhunderts, die damals zu Oscar Wildes Zeiten zumindest noch eine oberflächliche Bedeutung hatte, auch wenn sie mit Demokratie nun so gar nichts zu tun hatte. Der Dandy ist gerade deswegen nicht frei, weil sein Narzißmus, seine Selbstinszenierung ihn fesselt.

Ich sehe nicht, dass irgendwer hier und auch manche schon angesprochene Männer aus dem Buch Dandies sind. Ich denke, aus diesem Missverständnis des Begriffsdeutung entspringt auch manche emotionale Gegenrede.

Es ist sicher ein nett gemachtes Buch für den Kaffeetisch, aber es glorifiziert meiner Ansicht nach ein falsches Ideal, im schlimmsten Fall das Hineinsteigern in einen Fanatismus, der wie anderes suchthaft-isolierendes Verhalten das Leben auf selbstzerstörerische Weise behindert. Und es hat grundsätzlich erst mal nichts mit Leuten zu tun, die sich beim Leben auch mal ein EST in die Brusttasche ihres Anzugs stecken und die Farben ihrer Hemden, Schuhe und Krawatten geschmackvoll aufeinander abstimmen. Dafür hätte es anno 1960 keinen Dandybegriff gebraucht.
 
Jetzt muss ich auch noch meinen bescheidenen Senf dazu geben: der Dandy im klassischen Sinne ist durchaus selbstzentriert und gemeinschafts/ gesellschaftsfern. Er ist/war im England des 19. Jahrhunderts meist Bürgersohn und Erbe. Er hat das Dandytum in einer Art gesellschaftlicher Selbstreflexion als Rebellion gegen das Establishment verstanden.

Ich nehme den heutigen Dandies mit BC auch nicht ab, dass sie mit ihrer Attitüde eine Botschaft verbinden wollen. Aber ich gehe auch nicht d'accord, dass ein Privileg, materiell oder von Bildung, verpflichtet:

Ein wohlhabender Erbe, der sich den schönen Dingen zugeneigt fühlt, nimmt Bürgerpflichten wie Wahlen war, zahlt Steuern und belastet die Gesellschaft nicht. Er gibt ihr nichts, aber er fordert auch nichts, er lebt "neutral".

Ich finde, man kann sich für diesen Weg entscheiden, er gibt der Gesellschaft nichts, fordert aber auch nichts. Der Weg stellt gewisse Moralvorstellungen uU an die Seite, negiert vordergründig christliche Motive, aber tangiert gesellschaftliche Entwicklungen oder Erfordernisse letztlich nicht. Er zahlt was er muss und fordert nichts.

Wenn ein Mensch seine steuerliche Verpflichtung zur Teilhabe an gesellschaftlichen Aufgaben erfüllt, ansonsten aber durchaus deutlich ausdrückt "ihr interessiert mich nicht", finde ich das erstmal ok. Ob das eine arrogante Attitüde beinhaltet interessiert erstmal auch nicht. Der Dandy will nicht unbedingt sympathisch empfunden werden. Er erfüllt seine oktroyierte Pflicht und wünscht dadurch von Weiterem entbunden zu sein.

Ob er damit glücklich wird, ist seine Sache, aber jedenfalls nimmt er nicht mehr als er gibt.

Exakt so würde ich persönlich die Sache auch bewerten, daher meine Frage an BC hinsichtlich der "entzogenen Energie".

Crouchback
 
Also ich find ja Parasiten und Schmarotzer ganz ok. Nehmen sich n' bissi was und lassen ihr Opfer am Leben. Sollten sich mal z.b. die Löwen ein Beispiel dran nehmen. "Miss Antilope, es hungert mich gar sehr, dürfte ich Ihnen freundlicher Weise einmal eben herzhaft in den Hintern beissen?" So hätte die Sache doch Anstand! Stattdessen - groar, totbeiss! Das Machotum wird nebenher auch noch supportet (kopfschüttel). Selbst Kühe kennen da ja nix. "So Pflanze, ich beiss dir jetzt den Kopf ab, als Dank gibt's noch einen Haufen hinterher auf deine lächerlichen Überbleibsel."
Von daher: I <3 Zecken!

(Sorry, wenn hier alle so scharf diskutieren, muss ich einfach sanftsenfen ;) )
 
Menschen als Parasiten und/oder Schmarotzer zu bezeichnen ist in jedem Fall inadäquat

Lieber Don,

nehmen Sie mir diesen Kommentar bitte nicht übel, aber diese Aussage halte ich für eine sehr realitätsfremde und von zeitgeistiger political correctness geprägte. Sie werden mir doch sicher zustimmen, daß es Menschen gibt, die ohne eigenen Einsatz von der Arbeit und den Investitionen anderer leben. Warum sollte man diese nicht als "Parasiten" oder "Schmarotzer" bezeichnen? Auf wen dies nun, je nach politischer Weltsicht, zutrifft, mag hart umstritten sein - für den Sozialisten ist es der Investmentbanker oder venture capitalist, der mit anderer Leute Geld und Arbeitskraft riskante Geldgeschäfte finanziert, für den Wirtschaftsliberalen hingegen ist es vielleicht der Hartz IV-Empfänger, der es sich in seiner subventionierten Existenz recht gemütlich eingerichtet hat. Für manche unter uns mögen es gar Dandys sein, die der Gesellschaft "Energie entziehen" (Verzeihung, BC, das Zitat ist nicht so süffisant gemeint, wie es sich vielleicht anhört).

Was auch meiner Ansicht nach inadäquat ist, ist die dann leider allerdings nicht selten zu hörende radikale Schlussfolgerung, derartige menschliche Schmarotzer müsse man wie auch tierische Parasiten rücksichtslos ausmerzen. Da sind wir dann in der Tat beim hemmungslosen Sozialdarwinismus angelangt, der auch mir zuwider ist.

Crouchback
 
Exakt so würde ich persönlich die Sache auch bewerten, daher meine Frage an BC hinsichtlich der "entzogenen Energie".

Crouchback

Ich bin zwar nicht Butch, könnte mir aber vorstellen, daß da eher urchristliche Vorstellungen von der Liebe und dem Dienst am Nächsten gemeint sind.

Das ist etwas, das bei einem Dandy (sofern man das Lebensmodell auf die Spitze treibt) zumindest stark zurück bleibt. Und damit könnte einer Gesellschaft schon irgendwo eine gewisse, nennen wir es soziale Energie entzogen werden.

Allein, ich bezweifle, daß dies ein dandytypisches Spezifikum ist. Bei ihnen vielleicht nur sehr deutlicher sichtbar.

Gegen Dandys und Dandytum habe ich übrigens persönlich nichts.
Aber mit den teilweisen Andeutungen von dem ein oder anderen gegen Butch wäre ich sehr vorsichtig. Was ihm da unterstellt wird, ist schon heftig!
 
Zuletzt bearbeitet:
Sagt mal. Leute, seid ihr eigentlich noch ganz dicht?
Mir will scheinen, in diesem thread wird gerade der ganze Forumsfrust der letzten Tage abgeladen.

Wenn ihr Frust habt, geht beichten oder saufen, beides hilft.

Im Gegenteil, ich persönlich finde, das eine Diskussion wie diese, abgesehen eben von den persönlichen Angängen, wesentlich zum Tiefgang eines sich anspruchsvoll "Stilmagazin" nennenden Forums beiträgt.

Beichten und Saufen helfen übrigens meiner Erfahrung nach beide nicht gegen Frust, oder zumindest nur kurzfristig. Dem Saufen kann ich zumindest andere Vorteile abgewinnen, Beichten bringt mir altem Pietistenkind rein gar nichts…

Crouchback
 
Im Gegenteil, ich persönlich finde, das eine Diskussion wie diese, abgesehen eben von den persönlichen Angängen, wesentlich zum Tiefgang eines sich anspruchsvoll "Stilmagazin" nennenden Forums beiträgt.

Da stimme ich Ihnen auch vollkommen zu.

Aber zu behaupten oder zumindest anklingen zu lassen, da schimmerten bei BC faschistische oder nationalsozialistische Standpunkte durch, sollte man, gerade bei sämtlichen Bildern, die man damit hervorruft, sich mehr als nur 2x überlegen.
Und nur darauf hatte ich mich bezogen.
 
Da stimme ich Ihnen auch vollkommen zu.

Aber zu behaupten oder zumindest anklingen zu lassen, da schimmerten bei BC faschistische oder nationalsozialistische Standpunkte durch, sollte man, gerade bei sämtlichen Bildern, die man damit hervorruft, sich mehr als nur 2x überlegen.
Und nur darauf hatte ich mich bezogen.

Ich glaube, man kann getrost davon ausgehen, dass DGL es sich mehr als nur 2x überlegte, bevor er zu den kruden Texten von BC Stellung nahm.
 
Naja, ne Krebszelle nimmt sich auch zuerst "n bissi was", das endet aber recht häufig final. Habe ich bis heute nicht verstanden, warum es Parasiten gibt, die ihren Wirt erlegen und dann auch zugrunde gehen. Ist aber ein anderes Thema...

Ne Krebszelle ist ja auch kein Parasit sondern ungebremster Kapitalismus. Wachsen, wachsen, wachsen, koste es, was es wolle! ;)
 
Oben