Der Artikel Sammelthread

Genauso wird der Privatbankier nach wie vor bei Anzug und Krawatte bleiben, um eben seinen Kunden die nötige Seriösität zu suggerieren.
Also die wenigen Milliardäre die ich kenne legen darauf keinen Wert. Ganz im Gegenteil. Abgesehen davon, dass sie selbst quasi nie Krawatte tragen, legen schätzen Sie aber durchaus qualitative Kleidung und entsprechenden Umgang damit (Stichwort verdreckte Schuhe oder Löcher in der Hose). Bei Millionären wird dies nicht so viel anders sein.

Dieses hier häufige Bild von "korrekter Kleidung" wird nicht wirklich geteilt von dem was nach der Vorstands-Ebene kommt.

Das mit dem Du&Sie ist ja nur so lange ein Problem, solange beides zur Wahl steht. Spätestens in der zweiten Generation ohne ein "Sie" wird sich das mit der Nähe/Abstand/Respekt justiert haben, wie auch in den Ländern in dem es nur eine Anredeform gibt. Aber mit Loslassen ist es hierzulande immer etwas schwierig.
 
Das mit dem Du&Sie ist ja nur so lange ein Problem, solange beides zur Wahl steht. Spätestens in der zweiten Generation ohne ein "Sie" wird sich das mit der Nähe/Abstand/Respekt justiert haben, wie auch in den Ländern in dem es nur eine Anredeform gibt. Aber mit Loslassen ist es hierzulande immer etwas schwierig.
Etwas, was über Jahrhunderte Teil der Kultur war, sollte sich nicht einfach auflösen, weil sich das nicht so einfach ersetzen lässt. Die Einführung der Duz-Kultur ist ein nicht verstandener Anglizismus. Und für die subtilen Distanz- und Respektformen der englischen Sprache (z.B. "Sir"/"Madam") haben wir im Deutschen wegen bisher fehlender Notwendigkeit keine Entsprechung, so dass wir das sprachlich gar nicht nachbilden können. Die Folge ist also eine kulturelle Verarmung.
 
Übrigens, passend zum krawattenlosen Banker, d.h. zum Thema fortschreitende Informalisierung ein interessanter Aufsatz von DieWorkwear: http://dieworkwear.com/post/175555470874/the-suit-died-but-for-good-reasons

Demnach hänge diese Entwicklung mit den immer liberaleren Gesellschaften mit mehr Gleichheit und weniger Hierarchien zusammen.
Auf jeden Fall eine interessante These. Allerdings mag ich mir nicht vorstellen, wie der Formalitätsgrad noch weiter gesenkt werden kann? T-Shirts sind im Arbeitsalltag bei vielen die Regel, kurze Hosen werden im Sommer auch immer mehr gesehen, teilweise garniert mit offenem Schuhwerk. An einen Gegentrend, wie von Bluesman erhofft, vermag ich leider kaum zu glauben. Die Individualisierung wird weiter voranschreiten und damit wohl auch eine Nivellierung des Formalitätsgrades nach unten.
Der Artikel enthält eine sehr interessante Perspektive, allerdings sehe ich einen entscheidenden Fehler darin, den Fokus auf mehr Gleichheit und die "celebration of the common man" als Teil einer "Liberalisierung" zu verkaufen. Liberale waren (abgesehen von der formalen Gleichheit vor dem Gesetz) niemals Freunde einer Egalisierung der Gesellschaft - siehe dazu etwa Murray Rothbards Essay "Egalitarianism as a revolt against nature".
Tatsächlich ist die "celebration of the common man" ja gerade das Kernmerkmal des sozialistischen Realismus, der einzigen in der Sowjetunion (zumindest anfangs) zugelassenen Kunstform.
 
Der Artikel enthält eine sehr interessante Perspektive, allerdings sehe ich einen entscheidenden Fehler darin, den Fokus auf mehr Gleichheit und die "celebration of the common man" als Teil einer "Liberalisierung" zu verkaufen. Liberale waren (abgesehen von der formalen Gleichheit vor dem Gesetz) niemals Freunde einer Egalisierung der Gesellschaft - siehe dazu etwa Murray Rothbards Essay "Egalitarianism as a revolt against nature".
Tatsächlich ist die "celebration of the common man" ja gerade das Kernmerkmal des sozialistischen Realismus, der einzigen in der Sowjetunion (zumindest anfangs) zugelassenen Kunstform.
Ich glaube, hier gibt es eine unterschiedliche Begriffsdeutung für "liberal". ;)

Du füllst "liberal" im Vorkriegssinne, also vor WWI, nämlich dass das Großbürgertum das gleiche Recht auf Anteilnahme an der Führung der Gesellschaft hat wie die Aristokratie und dass Großbürger, Aristokrat, König und Kaiser vor dem Gesetz gleich behandelt werden sollten.

weriker meint mit liberal den heutigen Begriffsinhalt: Liberal a.k.a. linksliberal a.k.a. linksgrünversifft a.k.a. menschenfreundlich, nämlich im weitergehenden Sinne, dass jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Bildung, sozialer Schicht, Herkunft und sexueller Orientierung das gleiche Recht auf soziale Akzeptanz und Anerkennung, soziale Teilnahme und das Streben nach Glück innerhalb unserer Gesellschaft hat.

Die Wandlung des Inhalts dieses Begriffs ist ein Spiegel der zivilisatorischen Weiterentwicklung der Menschheit in den letzten 150 Jahren.
 
Ich glaube, hier gibt es eine unterschiedliche Begriffsdeutung für "liberal". ;)

Du füllst "liberal" im Vorkriegssinne, also vor WWI, nämlich dass das Großbürgertum das gleiche Recht auf Anteilnahme an der Führung der Gesellschaft hat wie die Aristokratie und dass Großbürger, Aristokrat, König und Kaiser vor dem Gesetz gleich behandelt werden sollten.

weriker meint mit liberal den heutigen Begriffsinhalt: Liberal a.k.a. linksliberal a.k.a. linksgrünversifft a.k.a. menschenfreundlich, nämlich im weitergehenden Sinne, dass jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Bildung, sozialer Schicht, Herkunft und sexueller Orientierung das gleiche Recht auf soziale Akzeptanz und Anerkennung, soziale Teilnahme und das Streben nach Glück innerhalb unserer Gesellschaft hat.

Die Wandlung des Inhalts dieses Begriffs ist ein Spiegel der zivilisatorischen Weiterentwicklung der Menschheit in den letzten 150 Jahren.

Das gilt allerdings nicht im europäischen Raum, nur im amerikanischen. (Und selbst hier unterscheiden feinsinnigere Denker noch zwischen "liberal" und "progressive". ) In Deutschland gilt beispielsweise die FDP als die klassische liberale Partei und das ist genau die Partei, die von den von Dir erwähnten Kräften als "unsozial" und "rechts" abgelehnt wird.

Außerdem beziehe ich mich nicht auf die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Die meisten großen Vordenker des Liberalismus - Leute wie von Mises, Hayek, oder eben Rothbard, sind alle nach dem zweiten Weltkrieg gestorben, Rothbard sogar erst in den 1990er Jahren
Was daran ein "zivilisatorischer Fortschritt" sein soll, einen Begriff entgegen des Wortsinns zu verwenden, vermag ich nicht zu erkennen.
 
Ich meinte natürlich "Vordenker des Liberalismus im 20. Jahrhundert" - leider lässt mich die Forensoftware den Betrag nicht mehr ändern.
 
... und darüber hinaus ganz wichtig: alle müssen sich bis hin zum Vorstand duzen. Damit die optische Verschleierung der Hierarchien auch sprachlich zementiert wird :cool:

Es sei mir ein an dieser Stelle ein kleiner historischer Exkurs erlaubt:

Im 13. Jahrhundert lebte ein Mönch mit dem Namen Salimbene di Parma. Von ihm besitzen wir ein große Chronik seiner Zeit. In dieser gibt es eine Stelle, in der er die damalige Duz-Kultur in Italien beschreibt.
In Norditalien sei das Du beinahe nicht vorhanden, teilweise würden sogar die Eltern ihre eigenen Kinder siezen. Er hätte sogar schon öfter gehört, daß Herrchen ihre Hunde gesiezt hätten ("Kommen Sie!").
In Rom hingegen sei das Du beinahe ubiquitär. Man hörte dort sogar gelegentlich (einfache) Leute, die den Papst duzten ("Du, Heiliger Vater...").
 
Was daran ein "zivilisatorischer Fortschritt" sein soll, einen Begriff entgegen des Wortsinns zu verwenden, vermag ich nicht zu erkennen.
Der lateinische Wortsinn von "liberal" meint: die Freiheit betreffend. Der Sinn wird im heutigen alltäglichen Gebrauch, wie ich ihn oben beschrieb, gut gefüllt.
 
Mal abgesehen davon, dass das eben nicht der alltägliche Sprachgebrauch im politischen Spektrum Europas ist, sehe ich nicht, wie ein Verweis auf die lateinische Sprache dabei helfen soll, die Begriffshistorie des Liberalismus zu erfassen, der als Gesamtkonstrukt erst seit dem 18. Jahrhundert wirklich aufgekommen ist.
 
Ich bin kein Anwalt oder Banker - Anzug ist tatsächlich speziellen Tagen vorbehalten.

T-Shirt und kurze Hose würde ich allerdings nie akzeptieren, nicht einmal in den Auslandsvertretungen in wärmeren Gefilden, dafür gibt es Klima-Anlagen.

Das Wort "liberal" kann heute außerhalb Österreichs leider für fast alles stehen, oft auch weit links, man denke an die USA.
 
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