„Never Brown after Six“ - noch zeitgemäß?

ganz streng genommen, bei einer Veranstaltung, wo Black Tie oder White Tie angesagt ist, sind nicht einmal schwarze Schuhe OK. Dazu gehören Lack-Pumps (Frack) oder Lack-Slipper (Smoking). Wenn man es nicht so streng nimmt, könnte man zu einem Smoking auch normale glatte, polierte Schuhe tragen, nach Möglcihkeit aber geschlossene Schnürung, Oxford z.B.
Ich habe auch nicht gesagt, dass da normale schwarze Schuhe ok sind. Und wie du hier sehen kannst, wähle ich auch passende Schuhe zum Smoking.
 
streng genommen gilt nicht nur die Regel "no brown after six", sondern auch daß braune Schuhe generell dem Land vorbehalten sind (= Jagd, Sport etc.) und in der Stadt nichts zu suchen haben. Zugegeben, in Deutschland, wo die Grenze zwischen Land und Stadt eher "weich" ist, wurde diese Regel auch nie so streng verfolgt wie in z.B. in England. Nichts destotrotz, wenn man 100%-ig korrekt sein möchte, ist dieses ebenfalls zu beachten.

All diese Regeln kommen aus England, wo Club- und Standesdünkel schon immer stärker ausgeprägt war, als in Deutschland. Die feine Gesellschaft wollte sich so vom Pöbel absetzen.
Aber selbst in England haben diese Regeln seit mindestens 50 Jahren keine Bedeutung mehr.

Wir sollten froh sein, daß wir nicht in so einer versnobten Gesellschaft leben (und wir sollten aufpassen, nicht selbst zu Snobs zu werden, mit unseren Stilmagazin-Weisheiten).
 
All diese Regeln kommen aus England, wo Club- und Standesdünkel schon immer stärker ausgeprägt war, als in Deutschland. Die feine Gesellschaft wollte sich so vom Pöbel absetzen.
Aber selbst in England haben diese Regeln seit mindestens 50 Jahren keine Bedeutung mehr.
Diese "Regeln" wurden seit dem 19 Jhdt. verschriftlicht, um Aufsteigern aus der Unterschicht die Integration zu erleichtern, indem sie sich in der Gegenwart alltagskulturell gebildeter Menschen nicht blamieren. Vor diesem Hintergrund muss man alle diese Regelbücher sehen, auch nicht kleidungsbezogene wie den (älteren) Knigge. Menschen, die in einem alltagskulturell gehobenen Umfeld aufgewachsen sind, muss man keine Regeln pauken lassen, damit sie wissen, wie man sich zu benehmen hat. Das haben sie schon von Kindheit an nebenbei gelernt.

Die Regel "No brown after six" klingt unsinnig, weil sie sich an einem oberflächlichen Detail orientiert. Was sie eigentlich meint, ist, dass man sich bei einer Abendveranstaltung generell formeller kleidet als über Tag. Und dazu gehören nun mal auch typischerweise schwarze Schuhe als Ergänzung. Weil aber eine einfache Anweisung "nach 6:00pm schwarze Schuhe tragen!" für unsichere Aufsteiger klarer ist als "zu einer Abendveranstaltung passt der beige Donegal Tweed Anzug mit braunen Derby Boots irgendwie nicht so richtig, auch wenn der schön ist", hat man das halt auf diese Weise vereinfachend zugespitzt formuliert.

Ein wichtiger ästhetischer Punkt ist noch, dass unter Kunstlicht braune Schuhe an Wirkung verlieren. Es sieht halt undefiniert "muddy" aus, Textur und Farbnuancen gehen unter.

Wir sollten froh sein, daß wir nicht in so einer versnobten Gesellschaft leben (und wir sollten aufpassen, nicht selbst zu Snobs zu werden, mit unseren Stilmagazin-Weisheiten).
Ohne eigenen Anspruch an sich selbst gibt es keine Exzellenz, das hat mit Snobbery nichts zu tun. Das Problem unserer Gesellschaft ist mehr die Reverse Snobbery, in der Menschen glauben, am nonverbalen öffentlichen Diskurs nicht teilnehmen zu müssen, indem sie sich in jeder Beziehung beliebig gehen lassen. Das ist Real-World-Trolling und trägt - neben vielen anderen Einflüssen - zur fortschreitenden öffentlichen Demonstration der Verrohung unserer Gesellschaft bei. Es ist natürlich keine Ursache, sondern nur eines von vielen Symptomen dafür.
 
Naja, so sexy wie möglich zu sein ist ja das Streben nach Exzellenz, wenn auch in spezieller Ausprägung.

Aber genau dem verweigern sich ja viele.
Die Motive mögen individuell und durchaus unterschiedlich sein.
- mangelhaft ausgeprägtes ästhetisches Empfinden
- andere Prioritätensetzung
- Verachtung und Provokation (habe ich hier ja schon angedeutet)
-...
Nicht jedes Motiv finde ich gleich destruktiv. Aber die Sichtweise von bluesman kann ich schon nachempfinden.
Die Diskussion gab es hier schon oft in der einen oder anderen Form.
 
Schön wär's...
Sowohl beim Karrierestreben wie bei der Partnerwahl gibt es Wettbewerb, aber bestimmt keine Chancengleichheit.
Das führt zu einem Druck nach Selbstoptimierung. Das kann man als sportliche Herausforderung sehen (wird man eher bei guten eigenen Chancen) oder als Belastung. Anhaltend hohe Belastung verbunden mit wiederholtem Scheitern kann schon mal in eine Verweigerungshaltung führen. Je öfter das vorkommt, desto größer die Gefahr, daß sich der gesellschaftliche Konsens auch über die 'Teilnahme am nonverbalen öffentlichen Diskurs' auflöst. Ungeachtet sonstiger Ursachen stimme ich mit bluesman zumindest dahingehend überein, daß das gerade passiert.

Aber wir kommen vom Thema ab. Als Minimalkonsens schlage ich vor, daß es neben Sneakers, flip-flops, barfuß, ... als erstrebenswert gilt, wenigstens ein Paar Schuhe "für gut" sein Eigen zu nennen und dieses gefälligst auch zu putzen.
Dann soll es mir auch egal sein, ob die Schuhe braun oder schwarz sind.

(Hab übrigens kürzlich ein Paar grüne erworben - und mag die sehr...)
 
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